Kompressionsstrümpfe schützen nicht vor Thrombosen nach Schlaganfall

 

Berlin (25. Juni 2009) – Die in Krankenhäusern übliche Praxis, bettlägerige Patienten durch Kompressionsstümpfe vor Thrombosen und lebensgefährlichen Lungenembolien zu schützen, erfüllt bei Schlaganfallpatienten ihren Zweck nicht. Zu diesem Ergebnis kam jetzt eine größere Studie. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) fordert deshalb eine Umsetzung dieser Erkenntnisse in den klinischen Alltag.

 

„Thrombosen sind eine gefürchtete Komplikation nach schweren Schlaganfällen“, berichtet Professor Dr. med. Martin Grond, Chefarzt am Kreisklinikum Siegen und 2. Vorsitzender der DSG. „Die bettlägerigen Patienten sind besonders gefährdet, weil der Blutfluss in den Venen verlangsamt ist“, so Grond weiter. Bei einer Halbseitenlähmung ist dies insbesondere durch den Ausfall der „Muskelpumpe“ verursacht: Es fehlen die Bewegungen der Beinmuskeln, die normalerweise den Transport des Blutes in den Venen unterstützen. Fließt das Blut zu langsam, können sich Gerinnsel bilden und die Vene verlegen. Es kommt zur Thrombose. Teile des Gerinnsels können dann in die Lunge abgeschwemmt werden, wo sie eine lebensgefährliche Lungenembolie auslösen.

 

Wegen dieser Gefahr erhalten bisher viele bettlägerige Schlaganfallpatienten routinemäßig Kompressionsstrümpfe, die bis zum Oberschenkel reichen. „Dass sie vor Thrombose und Lungenembolie schützen, war allerdings nicht bewiesen“, sagt Grond: Die „Clots in Legs Or sTockings after Stroke“ oder CLOTS-Studie war die erste große Untersuchung zu dieser Frage. An 64 Zentren in Großbritannien, Italien und Australien beteiligten sich 2.518 Schlaganfallpatienten an der Studie. Nur die Hälfte wurde mit Thrombosestrümpfen versorgt.

 

Professor Grond: „Allgemein war ein deutlicher Rückgang der Thrombosen erwartet worden. Ein solcher Schutz ist für Patienten, die nach Operationen mehrere Tage das Bett hüten müssen, durch Studien gut belegt“. Bei Schlaganfallpatienten ist dies jedoch nach den Ergebnissen der CLOTS-Studie offensichtlich nicht der Fall: In beiden Gruppen erkrankte jeder zehnte Teilnehmer an einer Thrombose. Auch Lungenembolien traten gleich häufig auf.

 

„Die Ergebnisse der Studie haben uns alle überrascht“, sagt Professor Dr. med. Joachim Röther, Chefarzt am Johannes Wesling Klinikum Minden und 3. Vorsitzender der DSG: „Sie zwingen zum Umdenken in der Versorgung von Schlaganfallpatienten.“ Denn die Kompressionsstrümpfe sind für die Patienten nicht nur unangenehm. Gar nicht so selten kommt es zu Hautverletzungen oder sogar zu Druckgeschwüren. In der CLOTS-Studie traten derartige Hautveränderungen bei der Patientengruppe mit Kompressionsstrümpfen viermal so häufig auf. „Außerdem muss verhindert werden, dass unnötige Therapien das Budget der Krankenkassen belasten“, sagt Röther.

 

Gefordert sind jetzt neue Ansätze zum Schutz der Patienten, da die Gefährdung durch Thrombosen und Lungenembolien geblieben ist. Eine Möglichkeit könnte die intermittierende pneumatische Kompression sein. Dabei tragen die Patienten eine luftgefüllte Manschette um das Bein, die sich wechselseitig mit Luft füllt und entspannt. „Diese äußere Massage kann möglicherweise die Muskelpumpe besser ersetzen als ein Kompressionsstrumpf“, hofft Röther. Ob sie bei Schlaganfallpatienten eine Thrombose verhindert, werde derzeit in einer Folgestudie von CLOTS untersucht. Ergebnisse werden in einigen Jahren vorliegen.

 

 

Im Internet: Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft www.dsg-info.de

 

CLOTS Collaboration: www.dcn.ed.ac.uk/clots

 

Zitation der Studie

CLOTS Trials Collaboration. Effectiveness of thigh-length graduated compression stockings to reduce the risk of deep vein thrombosis after stroke (CLOTS trial 1): a multicentre, randomised controlled trial. Lancet 2009; 373: 1958-65

 


 

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Schlaganfallgesellschaft vom 25.06.09.

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…