Stiftung Warentest

Besser keine Vorkasse leisten

Berlin (14. Januar 2011) – Seit Januar gilt eine neue Regel beim Einkauf in der Apotheke: die „Mehrkostenregelung“. Jeder gesetzlich versicherte Patient kann jetzt entschei­den, ob er sein gewohntes Arzneimittel bekommt oder ein wirkstoffgleiches billigeres Präparat. Den Preisunterschied zahlt er dann aber aus eigener Tasche. Das lohnt sich in der Regel nicht.

Seit 2006 möglich: Rabattverträge

Zu den meisten Originalpräparaten gibt es „nachgebaute“ günstigere Kopien, so genannte Generika, von vielen verschiedenen Unternehmen. Diese Hersteller können seit 2006 mit den Krankenkassen Rabattverträge abschließen. Erst Anfang Januar traten wieder unzählige in Kraft. Dann bekommen die Versicherten in der Apotheke in der Regel nicht das Präparat, das auf dem Rezept steht, sondern ein wirkstoffgleiches Mittel mit ausgehandeltem Rabatt. Ausnahme: Der Arzt kreuzt auf dem Rezept das „Aut idem“-Feld an und schließt damit einen Austausch aus.

Neu seit 2011: gewohntes Präparat mit Vorkasse

Seit Anfang Januar können Patienten nun entscheiden, ob sie ihr gewohntes Präparat behalten. Für ihr Wunschpräparat zahlen sie in der Apotheke zunächst den vollen Preis. Als nächstes reichen sie die Quittung und eine Kopie vom Rezept mit den Angaben der Apotheke bei ihrer Krankenkasse ein. Anschließend bekommen sie von der Kasse den Preis erstattet, den das Rabattarzneimittel gekostet hätte.

„Unkalkulierbares Kostenrisiko“

Doch dabei gibt es ein Problem: „Die Kassen halten die Preise der Rabattarzneimittel geheim, nicht einmal die Apothekenmitarbeiter kennen sie“, sagt Dr. Gerd Glaeske, Professor am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen und Leiter der Arzneimittelbewertungen bei der Stiftung Warentest. Zudem erheben die Kassen, wenn Patienten die Mehrkostenregelung nutzen, eine Verwaltungsgebühr. Doch vielfach steht deren Höhe noch gar nicht fest. Deshalb warnt Glaeske: „Wer die Mehrkostenregelung nutzt, geht ein unkalkulierbares Kostenrisiko ein.“

Präparatewechsel meist problemlos

Auch der AOK Bundesverband weist per Pressemeldung auf das Problem hin und bringt ein Rechenbeispiel: Der Arzt verordnet den Wirkstoff Risperidon (Dosis 2 mg, Packungsgröße N3). Nun steht der Patient gemäß Mehrkostenregelung vor der Wahl: Entweder er erhält ein Rabattarzneimittel seiner Krankenkasse und bezahlt höchstens die gesetzliche Zuzahlung von 5,25 Euro – den Rest rechnen Kasse und Apotheke ab. Oder der Patient entscheidet sich etwa für das Originalpräparat, streckt dafür 59,75 Euro vor und bekommt von der Kasse 23,68 Euro erstattet. Er zahlt dann also 36,07 Euro aus eigener Tasche – und das, obwohl das teurere Mittel gar nicht besser sei, sondern exakt den gleichen Wirkstoff enthalte. Glaeske bestätigt diese Einschätzung. „In der Regel sind das Originalpräparat und seine Generika, beziehungsweise wirkstoffgleiche Generika untereinander ohne erkennbare Probleme austauschbar.“

Arzt kann Austausch ausschließen

Allerdings gebe es Ausnahmen. Erstens Arzneimittel mit einer schmalen Dosis- Spanne zwischen erwünschter Wirkung und gefährlichen Nebenwirkungen – wie zum Beispiel Mittel gegen Epilepsie, Schilddrüsenprobleme oder Depressionen oder Herzmedikamente mit Digitalis-Wirkstoffen. Zweitens sei der Austausch problematisch bei wirkstoffgleichen Medikamenten mit unterschiedlicher Handhabung: zum Beispiel Asthmasprays, Insulinpens oder arzneimittel-freisetzenden Pflastern. „Und drittens kommen manche Patientengruppen mit dem Wechsel oft nicht gut zurecht“, sagt Glaeske. Das gelte zum Beispiel für Senioren oder für Menschen mit mehreren, schweren oder psychischen Krankheiten. All diese Probleme müsse der Arzt bedenken, sagt Glaeske: „Er muss abwägen, ob er das ,Aut-idem‘-Feld auf dem Rezept ankreuzt und damit den Austausch ausschließt.“ Über diese Möglichkeit sollten auch Patienten mit dem Arzt sprechen, die ihr gewohntes Mittel behalten möchten oder glauben, ihr neues Präparat schlechter zu vertragen. „Das ist besser, als einfach in Vorkasse zu treten.“


Quelle: Stiftung Warentest, 14.01.2011 (tB).

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