3M Health Care Forum 2006

Ärzte werden zu Casemanagern

 

Neuss (28./29. September 2006) – Brauchen Ärzte einen Pilotenschein? Der provokative Titel eines Vortrags beim zwanzigsten 3M Health Care Forum, das Ende September in Neuss stattfand. Die Veranstaltung warf ein Schlaglicht auf den wuchernden Dschungel aus Abrechnungsmethoden und allgemeinen Anforderungen an Mediziner im Klinikleben. Den Stand der Regelungen darzustellen, ihre Bedeutung für konsistentes Qualitätsmanagement zu bestimmen und die Position der Mediziner in diesem Umfeld zu beleuchten war ein Ziel des zweitägigen Forums. Die von 3M Health Information Systems durchgeführte Veranstaltungsreihe erfreut sich seit zehn Jahren großer Beliebtheit bei Entscheidern aus dem Krankenhaus-Sektor.  Rund 150 von ihnen kamen dieses Jahr nach Neuss.

 

„Geeignete Analyseverfahren helfen Kliniken, potentiell vermeidbare Komplikationen zu identifizieren und effektiv abzustellen“, das war eine These von Marvin Johnson, International Market Manager Health Information Systems, 3M, der mit seinem Vortrag den ersten Veranstaltungstag einleitete. Er verwies exemplarisch auf die in den Vereinigten Staaten und Japan stetig steigenden Behandlungskosten. Um weiter Patienten zu gewinnen, zielten die Kliniken auf mehr Qualität ihrer Behandlung. Die einfache Erhebung qualitätsrelevanter Informationen aus Routinedaten ist ein Fokus im Software-Portfolio von 3M.

 

„Ich höre schon die Forderung, das müsse alles wieder auf einen Bierdeckel passen“, kommentierte Dr. Wulf-Dietrich Leber, Vorsitzender des AOK- Bundesverbandes, die 1035 DRG-Klassifikationen für 2007. Seine Kritik richtete er gegen die zunehmende Feindifferenzierung, dazu funktioniere die Abbildung teilstationärer Leistungen weiterhin nicht und die flächendeckende Qualitätssicherung mit DRG-Routinedaten stehe noch am Anfang. Dabei wird sie es sein, die nach dem Wegfall der Länderförderung von Kliniken diesen das Überleben sichert.

 

„Die 25 häufigsten DRGs decken über ein Viertel aller Behandlungen ab", relativierte Dr. Frank Heimig die Kritik am Klassifizierungs-System. Er zeichnet als Geschäftsführer des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) verantwortlich für das Regelwerk, dessen Überarbeitung dieses Jahr knapp 4,3 Millionen Patientendaten einbezog. Dazu habe man knapp 1000 Vorschläge aus Verbänden, Fachgesellschaften und von anderen Einsendern analysiert und über 30 Prozent davon umgesetzt. Verbesserungen betreffen insbesondere Mehrfach- und Extremkosten-Behandlungen.

 

20. Health Care Forum der Firma 3M. Photo: 3M 

    20. Health Care Forum der Firma 3M am 28./29. September 
   2006 in Neuss.                                                   Photo: 3M

 

 

Dass DRGs selbst bei einem höheren Basisfallwert als Bezugsgröße nicht automatisch hohe Krankenhaus-Ausgabe bedeuten, erläuterten Dr. Matthias Geiser, Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhaus-Gesellschaft und Matthias Blum, stellvertretender Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Auch bei hohem Baisfallwert können Klinikausgaben geringer als im Bundesdurchschnitt ausfallen. Beispielsweise gibt es in Baden-Württemberg rund 10 Prozent weniger Krankenhausbetten, die Lebenserwartung liegt 1,5 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Das Bundesland betreibt 11 besondere Einrichtungen, deren Spektrum von Früh-Rehabilitation bis zu chronischen Erkrankungen wie Parkinson reicht und bietet damit eine sehr gute Gesundheitsvorsorge und -versorgung. Ob der Basisfallwert – wie in Fachkreisen intensiv diskutiert – von Länder- auf Bundesebene übergehen sollte, mochte Geiser allerdings nicht kommentieren.

 

„Qualität ist etwas, das Patienten nicht abschreckt, sondern bringt", versicherte Ingo Bach, Redakteur beim Berliner Tagesspiegel. Er stellte den Klinikführer Berlin vor, eine Qualitätserhebung der Zeitung unter 44 Krankenhäusern der Hauptstadt. Einzig die Charité stellte sich nicht dem Vergleich. Der Tagesspiegel lichte das undurchschaubarer Angebot  der Hauptstadt und zeige: „Was können die Häuser und was können sie davon am besten.“ Die Auswertung der Routinedaten biete langfristige Vergleichbarkeit und eine bessere Datenvalidität. „Und sie helfen, sogar Patienten aus dem Ausland zu gewinnen“ zitierte Bach einen Berliner Klinikmanager zu den weit reichenden Marketingeffekten der Erhebung.

 

Wie sich DRGs und Qualitätsmanagement in der Praxis verknüpfen lassen, zeigte Prof. Jürgen Pauletzki, Leiter Qualitätsmanagement der SRH Klinken. Die sieben Häuser des Verbundes nutzen aus der DRG-Dokumentation  den § 21 Datensatz zur Erhebung von Qualitätskennziffern. „Die vorhandenen Daten sind patientenbezogen, gut dokumentiert, homogen und konsistent. Allerdings haben sie auch Schwächen, zum Beispiel bei der Dokumentation der Sterblichkeit und der Tumorklassifizierung“, so Pauletzki. Todesfälle erforderten daher eine interne Fall-Analyse.

 

„Qualitätsmanagement in seiner herkömmlichen Form hat ausgedient“, hielt Dr. Jörg Eckhardt dagegen. Der Leiter des Bereichs Kernkompetenzen der Maria Hilf GmbH in Dernbach plädierte dafür, integrierte Behandlungspfade einzusetzen. Diese umfassen die fünf Komponenten Theorie einer Behandlung, ihren Ablauf, dessen Dokumentation, das Controlling der Ergebnisse und die qualitative Auswertung. So werde es möglich, Ergebnisse direkt auf den Prozess rückzukoppeln und diesen hierdurch stetig zu verbessern und aus Fehlern zu lernen.

 

„Fehler sind das Ergebnis komplexer Fügungen", erläuterte der Bremer Psychologe Dominic Cardozo. Als Mitarbeiter des Lufthansa Flight Training Centers blickte er über den medizinischen Tellerrand und wieder zurück: Luftfahrt und Medizin sind hochdynamische Hochkompetenzbereiche. Ihre Komplexität übersteigt oft den menschliche Erfahrungsschatz, der aber eine wesentliche Referenz zur Fehlervermeidung ist. Da Fehler nicht zu vermeiden seien, sei die Konsequenz: „Wir müssen Systeme und Prozeduren so gestalten, dass die Effekte menschlicher Fehler minimiert werden", so Cardozo. Das verhüte den kritischen internen wie externen Imageverlust.

 

„Ärzte müssen sich als Casemanager begreifen“, subsumierte Dr. Andreas Tecklenburg von der Medizinischen Hochschule Hannover in seinem abschließenden Vortrag den Tag. Nur wenn die Mediziner ergebnisorientiert arbeiteten, statt isoliert auf Methodenkompetenz zu setzen, sei Qualitätsmanagement im Sinne des Patienten über den gesamten Behandlungszyklus zu erreichen. Der Schlüssel hierzu seien interdisziplinäre Konzepte. Denn Krankenhäuser stehen in einem Preis- und Qualitätswettbewerb. Tecklenburgs Folgerung:  „Nicht die Kosten der Einzelbehandlung, sondern der medizinische Nutzen je eingesetztem Euro, betrachtet über den gesamten Behandlungszyklus, wird der wesentliche Parameter sein.“

 

Der zweite Tag des Forums stand ganz im Zeichen der Praxis. Ein großes Thema war „Semfinder“. „Die Software präzisiert und beschleunigt das korrekte Inkasso, indem es Freitext-Einträgen Kodierungs-Optionen zuordnet, aus denen der Arzt per Mausklick die passende Befundung auswählen kann“, erläuterte Hans-Rudolf Straub von der Semfinder AG. Dr. Katrin Mügge von der Helios Kliniken GmbH sprach über die neue Generation der Helios Qualitäts-Indikatoren, die bereits in den 3M Quality Report integriert wurden. Holger Bertok, zuständig für Qualitätsmanagement bei der Hegau-Bodensee-Hochrheinklinik, zeigte, wie das webbasierte 3M Quality Portal in den fünf Kliniken des Verbundes eine einheitliche und leicht nutzbare Basis für das Qualitätsmanagement bietet.


Quelle: 20. 3M Health Care Forum am 28./29.09.2006 in Neuss.

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