Deutsche Hochdruckliga

Rezeptierbarkeit von Fixdosis-Kombinationspräparaten:
In der Praxis ein Problem!

 

Berlin (22. November 2018) –-Die neue europäische Leitlinie [1] für die Behandlung von Bluthochdruck empfiehlt den Einsatz von sogenannten Fixkombinationspräparaten, also von „2 in 1“ (oder „3 in 1“)-Blutdrucksenkern, denn die erleichtern die Therapietreue und das wiederum führt zu einer höheren Rate an Patienten, deren Blutdruck erfolgreich in den Zielbereich gebracht werden kann. Allerdings sind diese Präparate vielfach teurer. Verschiedene Arzneimittelvereinbarungen mit den Krankenkassen sehen nur einen Verordnungsanteil für Fixkombinationspräparate von 3,5% vor. Leitlinie und Abrechenbarkeit klaffen damit weit auseinander, das muss laut Deutscher Hochdruckliga angepasst werden.

Die Europäische Leitlinie für die Behandlung von Bluthochdruck wurde von der „European Society of Hypertension“ (ESH) und der „European Society of Cardiology“ (ESC) zusammen entwickelt und im August 2018 zum Europäischen Kardiologenkongress in München publiziert [1].

Eine neue Empfehlung mit großer Bedeutung für die klinische Praxis in Deutschland ist die Empfehlung von sogenannten Fixdosis-Kombinationen (im engl. „single pill combinations“), also Tabletten, die 2-3 blutdrucksenkende Substanzen enthalten. Laut Leitlinie soll die medikamentöse Therapie nun primär als Zweifach-Kombinationstherapie aus ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) und Kalziumantagonist oder Thiaziddiuretikum erfolgen. Die medizinischen Vorteile liegen auf der Hand: Zum einen ist bekannt, dass die Therapietreue mit der Anzahl der blutdrucksenkenden Tabletten, die eingenommen werden müssen, abnimmt. Wenn ein Patient eine Tablette verschrieben bekommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er das Medikament wie verordnet einnimmt, deutlich höher, als wenn er mehrere Tabletten einnehmen muss. Zum anderen haben Kombinationspräparate oft weniger Nebenwirkungen, da die unterschiedlichen Wirkstoffe in einer Tablette z.T. in niedrigerer Dosierung kombiniert werden, was letztlich wiederum auch Auswirkungen auf die Therapietreue hat: „Medikamente, die Nebenwirkungen verursachen, werden öfter von den Patienten ohne Rücksprache mit dem Arzt weggelassen“, erklärt Prof. Dr. Bernhard K. Krämer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® | Deutschen Gesellschaft für Hypertonie und Prävention.

Mehrfachkombinationen stärken die Therapietreue der Patienten und können so die Zahl der Patienten, die eine erfolgreiche und anhaltende Blutdrucksenkung erreichen, erhöhen. Das wiederum führt zu weniger Schlaganfällen, Herzinfarkten und anderen Folgekomplikationen von Bluthochdruck. „Die Empfehlungen der europäischen Leitlinie sind evidenzbasiert. Wenn die europäischen Leitlinienexperten Fixdosis-Kombinationen empfehlen, ist die Datenlage so, dass ein signifikanter Vorteil für diese Therapie nachgewiesen wurde“, kommentiert Prof. Krämer.

Doch die konsequente Umsetzung der europäischen Leitlinie gestaltet sich in Deutschland schwierig. Bislang machen Kombinationspräparate nur rund 15 % der verschriebenen Blutdrucksenker aus (Zweifach-Kombinationen haben einen Anteil von 14 %, Dreifachkombinationen 1 %), das Gros der Patienten wird mit Einzelsubstanzen behandelt. Oft ist die Einnahme von bis zu drei verschiedenen Medikamenten notwendig – doch unterm Strich ist das Behandlungsergebnis trotzdem moderat: Derzeit ist die Hälfte aller Menschen mit Bluthochdruck in Deutschland nicht bzw. noch nicht ausreichend behandelt.

„Patienten von Einzelsubstanzen auf Kombipräparate umzustellen, ist ein guter Ansatz, um den Anteil adäquat therapierter Patienten zu erhöhen“, betonte Prof. Krämer heute auf dem 42. Wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Hochdruckliga in Berlin. „Allerdings tragen derzeit die Kostenträger die Mehrkosten nicht.“ Verschiedene Kombinationspräparate sind teurer als Einzelsubstanzen. Daher sehen die Arzneimittelvereinbarungen für Fixkombinationspräparate lediglich einen Verordnungsanteil von 3,5% vor. Verschreibt der Arzt mehr, droht ihm am Ende ein Regress. Nach Ansicht des Experten müssen die gesetzlichen Krankenkassen bereit sein, die Empfehlung der neuen Leitlinie bei den Arzneimittelvereinbarungen zu berücksichtigen. Auch der KBV Medikationskatalog sollte entsprechend angepasst werden.

Hinzu kann ein „Off-Label“-Problem kommen: Nur wenige Kombinationspräparate sind derzeit für die Initialisierungstherapie zugelassen, die meisten Fixkombinationspräparate können nicht gemäß Leitlinie als Erstlinientherapie verordnet werden.

„Solange die Empfehlung der neuen Leitlinie nicht in den KBV Medikationskatalog und die Arzneimittelvereinbarungen eingearbeitet wird, erhalten Patienten in Deutschland nicht die bestmögliche Therapie. Wir fordern eine schnelle Umsetzung der Leitlinienempfehlung, und zwar auch abrechnungstechnisch, damit die niedergelassenen Ärzte und vor allem die auf die Behandlung von Hypertonie spezialisierten Hypertensiologen DHL® ihre Patienten leitliniengerecht versorgen können.“

Das wird sich aus Sicht der Deutschen Hochdruckliga auch langfristig auszahlen: Steigt der Anteil der Patienten, die die Zielblutdruckwerte erreichen, kommt es zu weniger Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenkrankheit, Erblindung oder Demenz, die das Gesundheitssystem finanziell stark belasten. „Statt Milliarden auszugeben, um Folgeerkrankungen von Bluthochdruck zu therapieren, sollten wir im Sinne der Sekundärprävention in eine effizientere Bluthochdrucktherapie investieren, die nachweislich teure Folgekomplikationen verhindern kann“, erklärte Prof. Krämer.

 

Quelle

[1] Williams B, Mancia G et al. 2018 ESC-ESH Guidelines for the Management of Arterial Hypertension. J Hypertens 2018

 


Quelle: Deutsche Hochdruckliga, 22.11.2018 (tB).

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