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Was schwarze Pfoten über Blutarmut verraten
Der Wächter des Genoms und seine dunkle Seite
Neuherberg (13. August 2008) – „Wächter des Genoms“ wird das Molekül p53 genannt, weil es unkontrolliert wuchernden Zellen – und damit dem Krebs – Einhalt gebieten kann. Doch dieser wichtige Schutzfaktor hat auch dunkle Seiten, wie Prof. Martin Hrabé de Angelis, Direktor des Instituts für Experimentelle Genetik des Helmholtz Zentrums München, und Dr. Helmut Fuchs, der wissenschaftlich-technische Leiter der German Mouse Clinic, nun im Rahmen einer internationalen Studie zeigen konnten. Denn p53 reagiert auch auf bestimmte Defekte in den Proteinfabriken der Zelle, den Ribosomen, und kann dann bei Mensch und Tier verschiedene Störungen verursachen.
Dunkel pigmentierte Ohren, Schwänze und Pfoten (Foto) bei hellhäutigen Mäusen sind ein harmloses Beispiel dafür, die Diamond-Blackfan-Anämie beim Menschen ist dagegen eine schwerwiegende Erkrankung. Das Leiden ist gekennzeichnet von einer chronischen Blutarmut oder Anämie, wie sie auch bei manchen Krebsarten auftreten kann. Diese neuen Ergebnisse zur Rolle von p53 bei diesen Störungen könnten nun möglicherweise zu einer verbesserten Diagnose und Therapie schwerer Anämien führen (Nature Genetics).
Wie kommen hellhäutige Mäuse zu dunklen Füßen, Schwänzen und Ohren? Verantwortlich für die gestörte Pigmentierung sind Veränderungen im genetischen Materal der Tiere. Wie eine aktuelle Studie zeigt, betreffen diese Mutationen aber noch weit mehr also die Haut- und Haarfarbe der Mäuse, die im Münchner ENU Mutagenese-Projekt entstanden sind und von Dr. Helmut Fuchs identifiziert wurden. Dem internationalen Forscherteam gelang der Nachweis, dass zwei der genetischen Veränderungen Komponenten der Ribosomen so beeinträchtigen, dass die zellulären Proteinfabriken ihre Funktionen nicht oder nicht mehr ausreichend erfüllen können.
Es ist bereits bekannt, dass Defekte in bestimmten ribosomalen Untereinheiten eine Vielzahl von Konsequenzen haben können. Zum einen ist die Bildung der Ribosomen aus mehreren Komponenten erschwert, was dann aber auch die Produktion von Proteinen beeinträchtigt. Zudem ist die Lebenszeit der betroffenen Zellen verkürzt. Genetisch bedingte Defekte von Ribosomen können aber auch zu schweren Störungen wie der Diamond-Blackfan-Anämie beim Menschen führen. Patienten mit diesem angeborenen Knochenmarkleiden bilden nicht genug rote Blutkörperchen, bleiben im Wachstum zurück und können unter anderem im Schädelbereich Deformationen entwickeln.
Nicht zuletzt auch die Mäuse mit den schwarzen Pfoten bestätigen den Zusammenhang mit den ribosomalen Defekten: Bei genauer Analyse der Tiere konnte ebenfalls eine Anämie mit ähnlicher Auswirkung wie beim Diamond-Blackfan-Syndrom nachgewiesen werden.
Während diese angeborene Anämie beim Menschen sehr selten vorkommt, tritt eine chronische Blutarmut aber bei verschiedenen Leiden auf, nicht zuletzt auch bei manchen Krebserkrankungen. „Die Verbindung zwischen den Mutationen, die die Ribosomen betreffen, und den Störungen wie der Anämie ist recht gut belegt“, sagt Fuchs. „Was bislang fehlte, waren Hinweise auf den zugrunde liegenden Mechanismus.“
Doch dem Forscherteam gelang jetzt ein wichtiger Nachweis: Die durch fehlerhafte ribosomale Proteine verursachten Erkrankungen haben eine gemeinsame molekulare Ursache. Und dieser Mechanismus führt zu einer Akkumulation von p53, dem „Wächter des Genoms“. Das Molekül ist einer der wichtigsten Faktoren im Kampf des Körpers gegen überschießendes Zellwachstum und die Entstehung von Krebs. Als sogenanntes Tumorsuppressor-Gen kann p53 verschiedene Gegenmaßnahmen einleiten, wenn sich eine Zelle unkontrolliert teilt – und letztlich sogar deren programmierten Selbstmord auslösen. Die überragende Bedeutung dieses Moleküls zeigt sich auch darin, dass p53 bei rund der Hälfte aller menschlichen Tumoren defekt ist.
Doch der „Wächter des Genoms“ hat auch seine dunklen Seiten und kann sogar Krankheiten verursachen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese unerwünschte Wirkung von p53 unterschiedliche Symptome hervorrufen kann“, sagt Hrabé de Angelis. „Der jeweilige Effekt hängt wohl davon ab, in welchem Zelltyp das Tumorsuppressor-Gen aktiviert wird. Das bedeutet aber auch, dass p53 als eine Art Sensor für die Funktionsfähigkeit von Ribosomen fungiert und bei Defekten je nach Zelltyp und Gewebeart verschiedene Symptome auslösen kann. Bei der Diamand-Blackfan-Anämie geschieht dies möglicherweise durch den programmierten Selbstmord von Zellen im Knochenmark, die Blutkörperchen produzieren. Unsere Resultate erlauben nun hoffentlich eine zielgerichtete Verbesserung der Diagnose und möglicherweise sogar die Entwicklung von Therapien für chronische Blutarmut.“
Quellen
“Ribosomal mutations cause p53-mediated dark skin and pleiotropic effects”,
Kelly A McGowan, Jun Z Li, Christopher Y Park, Veronica Beaudry, Holly K Tabor, Amit J Sabnis, Weibin Zhang, Helmut Fuchs, Martin Hrabé de Angelis, Richard M Myers, Laura D Attardi & Gregory S Barsh, Nature Genetics, online am 20. Juli 2008,
Quelle: Pressemitteilung des Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt vom 13.08.2008.