3. Tag des 6. Kongresses der Deutschen Alzheimer Gesellschaft,
Braunschweig, 7. bis 9. Oktober 2010
 

 

Impulse für die Zukunft

Fördergelder für die Forschung

 

Braunschweig (12. Oktober 2010) – Der 6. Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft unter dem Motto „Gemeinschaft leben“ wurde am 9. Oktober 2010 mit einer Podiumsdiskussion und der Verleihung der Forschungsförderung der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sowie der Vergabe von Förderpreisen abgeschlossen. 880 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland erlebten einen anregenden Kongress, der auch genug Raum bot, um intensive Gespräche zu führen und interessante Kontakte zu knüpfen.

 

Die Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „Gemeinschaft leben – Perspektiven für die Zukunft“. Moderator Burkhard Plemper (Hamburg) fragte Helga Rohra (München), bei der vor vier Jahren eine Demenz vom Typ Lewy-Body diagnostiziert wurde, was sie bewogen habe, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Helga Rohra: „Ich möchte mich für die Rechte von Menschen mit Demenz einsetzen. Gleich nach der Diagnose fand ich zur Alzheimer Gesellschaft München, deren Vorstandsmitglied ich inzwischen bin. Dort erfahre ich menschliche Wärme und fachliche Kompetenz, die mir starken Rückhalt geben“.

 

Heike von Lützau Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft beschrieb die Entwicklung: „Vor 20 Jahren haben Angehörige begonnen, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, heute sind es zunehmend Demenzkranke selbst“. Auch in Belgien, so Sabine Henry, Vorsitzende der belgischen Alzheimer Gesellschaft und Vorstandsmitglied von Alzheimer Europe, würden sich immer mehr Betroffene beim Alzheimer-Telefon melden. In Belgien gebe es zahlreiche Alzheimer Cafés, in denen sich Menschen mit und ohne Demenz treffen und offen über die Krankheit sprechen.

 

Michael Baumgart von der Gerontopsychiatrischen Beratungsstelle Braunschweig sprach von der Erfahrung, dass Demenzkranke im frühen Stadium ein normales Alltagsleben führen möchten. Um das zu ermöglichen, werden in Braunschweig u.a. Schulungen durchgeführt, in denen das Personal von Banken und Supermärkten, Taxifahrer, Polizisten und Feuerwehrleute lernen, Anzeichen einer Demenz zu erkennen und sensibel zu reagieren. Dabei gelte der Grundsatz: „Hilfe anbieten, nicht aufdrängen“.

 

Prof. Dr. Dr. Reimer Gronemeyer (Göttingen), der sich als Vorsitzender der „Aktion Demenz“ für „demenzfreundliche Kommunen“ einsetzt, betonte, dass es um eine Gesellschaft gehe, die insgesamt menschenfreundlicher wäre, ein neues Miteinander. Demenzkranke seien ein „Stachel“, denn sie fügen sich nicht dem Trend zu Beschleunigung, Rationalisierung, Optimierung. Es sei noch viel zu tun, doch, so Gronemeyer: „Das Thema Demenz ist in den letzten Jahren in der Gesellschaft angekommen“.

 

Heike von Lützau-Hohlbein, die auch Vorsitzende von Alzheimer Europe ist, bestätigte dies für die europäische Ebene. Die Europäische Alzheimer Allianz, der knapp 10 % der Abgeordneten des Europäischen Parlaments angehören, habe durchgesetzt, dass Demenz offiziell zu einer Priorität des Gesundheitswesens erklärt wurde. „Die Europäische Union kann Druck auf die Mitgliedsländer ausüben, doch wir alle müssen dort, wo wir sind, selber etwas tun. Dazu können auch die Medien beitragen, indem sie ein differenziertes Bild des Alterns und der Demenz zeichnen“. 

Abschließend sagte Helga Rohra: „Es hat mir viel Kraft gegeben, auf diesem Kongress zu sprechen. Das möchte ich an andere weitergeben.“

 

Wibke Bruhns, die Schirmherrin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, übergab die zum 6. Mal vergebene Forschungsförderung der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, die aus zweckgebundenen Spenden finanziert wird. Aus 33 Anträgen wählten der Fachliche Beirat und der Vorstand der DAlzG zwei Projekte aus.

 

Das von Prof. Dr. Sabine Engel, Institut für Psychogerontologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Semra Altinisik, Klinikum Neuperlach, Zentrum für Akutgeriatrie und Frührehabilitation, beantragte Forschungsprojekt „EduKationTÜRKISCH – Entlastung durch Förderung der Kommunikation bei Angehörigen demenzerkrankter türkischer Migrantinnen und Migranten“ wird mit rund 68.000 Euro gefördert. Ziel dieses Projekts ist es, ein bereits erprobtes Schulungskonzept entsprechend den Bedürfnissen der Angehörigen Demenzkranker türkischer Herkunft zu modifizieren. Semra Altinisik dankte für die Unterstützung des Vorhabens, das praxisnahe Hilfen für die rasch wachsende Gruppe der betroffenen türkischen Migrantinnen und Migranten ermöglichen soll.

 

Ferner wird das von Gudrun Ulbrecht, Birgit Eichenseer (Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Psychiatrischen Universitätsklinik Erlangen) und Hans-Dieter Mückschel (Angehörigenberatung e.V. Nürnberg) eingereichte Projekt gefördert: „Verbesserung der Lebensqualität, Motorik, Kognition und Beziehungsqualität bei zuhause lebenden Menschen mit Demenz mittels gezieltem Bewegungstraining, Tanzen oder sensomotorischem Training in Gruppen mit Angehörigen“. Hierfür stehen Fördermittel von rund 73.000 Euro zur Verfügung. Die Studie soll Akzeptanz, Nutzen und Nachhaltigkeit von drei unterschiedlichen Aktivierungsprogrammen erforschen: Bewegungstraining, Paartanz, sensomotorisches Training.

 

Wibke Bruhns hob die hohe wissenschaftliche Qualität der beiden Projekte und den  erwartbare praktischen Nutzen für Demenzkranke und ihre Angehörigen hervor.

 

Den mit 35.000 Euro dotierten Preis der Dr. Karl und Ruth-Schönwald Stiftung erhielt das von Prof. Dr. Stefan Görres und Dr. Martina Stöver, Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen, eingereichte Projektvorhaben „Demenzsensible nicht-medikamentöse Konzepte in Pflegeschulen: Bundesweite Vollerhebung der Vermittlung pflegerischer Kompetenzen in der Ausbildung, die zur nachhaltigen Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Demenz in Akutkliniken beitragen“. Sabine Jansen, Geschäftsführerin der Stiftung, sagte bei der Übergabe, das Projekt könne einen wesentlichen Beitrag zur dringend notwendigen Verbreitung von demenzsensiblen Konzepten in Akutkrankenhäusern leisten.

 

Das 2007 begonnene Projekt „Selbsthilfegruppen für Menschen mit Demenz im Frühstadium“ der Alzheimer Gesellschaft Minden-Lübbecke (Dr. Harriet Heier, Hartmut Emme von der Ahe, Hartmut Schilling) erhielt den mit 10.000 Euro dotierten „Hertie – Preis für Engagement und Selbsthilfe“, der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, den Dr. Eva Koch überreichte. Dr. Harriet Heier sagte in ihrem Dankwort: „Das Motto unserer Gruppe für Frühbetroffene ist ‚Zusammen sind wir nicht allein’. Viele Ehrenamtliche wirken mit. Wir versuchen maßgeschneiderte Angebote für Menschen im frühen Stadium der Demenz zu bieten“.

 

Heike von Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft dankte in ihrem Schlusswort allen, die zum Gelingen dieses Kongresses beigetragen haben. Mit Blick auf das Auditorium sagte sie, Demenz sei offenbar immer noch ein weibliches Thema. „Es wäre schön, wenn bei unserem nächsten Kongress 2012 mehr Männer dabei sind.“ Sie schloss mit den Worten: „Hören Sie, was Demenzkranke zu sagen haben und beziehen Sie sie ein. Demenzkranke sind Teil unserer Gesellschaft. Nur dann leben wir Gemeinschaft“.

 

6. Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft: „Gemeinschaft leben“, Braunschweig, 7. bis 9. Oktober 2010, Stadthalle Braunschweig. Informationen und Programm im Internet: www.kukm.de/alzheimer2010

 

 

Hintergrundinformationen 

 

Heute leben in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Ungefähr 60% davon leiden an einer Demenz vom Typ Alzheimer. Ihre Zahl wird bis 2050 auf 2,6 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz ist der Bundesverband von derzeit 124 regionalen Alzheimer-Gesellschaften, Angehörigengruppen und Landesverbänden. Sie nimmt zentrale Aufgaben wahr, gibt zahlreiche Broschüren heraus, organisiert Tagungen und Kongresse und unterhält das bundesweite Alzheimer-Telefon mit der Service-Nummer 01803 – 171017 (9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz) oder 030 / 259 37 95-14 (Festnetztarif).

 

 


Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz, 09.10.10 (tB).

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