Wohin geht die Reise in der Schmerztherapie und Palliativmedizin?

 

Von Dr. med. Thomas Nolte, Schmerz‑ und Palliativzentrum Wiesbaden, Facharztzentrum MEDICUM, Wiesbaden

 

Frankfurt am Main (16. März 2007) – Aufgrund der Verkrustungen und Widerstände gegen Reformen im Gesundheitswesen hat der Gesetzgeber in den letzten fünf Jahren eine Vielfalt von Veränderungen und Ergänzungen in das Sozialgesetzbuch SGB V eingearbeitet, um hier durch politisch intendierte veränderte Rahmenbedingungen Dynamik in die Umgestaltung des Gesundheitswesens zu bringen. Dabei waren den politisch Verantwortlichen besonders die Zersiedelung der Versorgungslandschaft durch fehlende abgestimmte Versorgungswege, mangelhafte Kooperation und Kommunikation ein Dorn im Auge. Gerade im Bereich der Schmerztherapie und Palliativmedizin, Fachgebiete, die sich besonders durch Interdisziplinarität und Multiprofessionalität auszeichnen, ist dadurch einiges in Bewegung geraten.

 

Die Schmerztherapie leidet bis heute insbesondere unter den Auswirkungen der im April 2005 eingeführten Qualitätssicherungsvereinbarung. Bestehende schmerztherapeutische Strukturen und Angebote sind, länderspezifisch unterschiedlich, inzwischen reduziert worden, Investitionen und Aufbau von schmerz-therapeutischen Schwerpunkteinrichtungen durch mangelnde Finanzkraft werden dadurch vorläufig vereitelt. Dabei steigt die Nachfrage nach qualitätsgesicherter Schmerztherapie enorm, Wissenschaft und Forschung unterstreichen die Bedeutung früherer Interventionen zur Prävention der Schmerzchronifizierung!

 

Im Bereich der Palliativversorgung hat der Gesetzgeber der langjährigen Stagnation und Indolenz von Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen ein Ende gesetzt, in dem durch Ergänzung bestehender Gesetze unter dem Namen „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung GKV‑Wettbewerbsstärkungsgesetz GKV‑WSG" jetzt ein Anspruch auf qualitätsgesicherte ambulante Palliativversorgung im SGB V verankert wurde. Im Einzelnen wird hier die Notwendigkeit des Aufbaus von speziell geschulten Palliative‑Care‑Teams für eine flächendeckende Versorgungsstruktur eingefordert. Besonders berücksichtigt werden sollen dabei die bereits bestehenden Einrichtungen, die geholfen haben, die Weichen für diese politisch unterstützte neue Versorgungsstruktur mit aufzubauen. Die dazu bereitzustellenden Finanzmittel, man spricht von 300 Millionen Euro, haben zu großer Nervosität unter den „Leistungsträgern" geführt, um hier bei der Verteilung eine günstige Ausgangsposition einzunehmen. Bis zum September dieses Jahres sollen dann die Details der Qualitätsanforderungen in Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften an diese neu zu schaffenden Strukturen definiert werden.

 

Im Vorfeld sind bereits neu entstandene Gesetze von Verbänden und einzelnen Leistungserbringern genutzt worden, um Modelle der Schmerz‑ und Palliativversorgung zu erproben, oder sind in der Entstehung. Diese sind:

 

§ 73c: qualitätsgesicherte Versorgungsstrukturen:

 

  • Palliativmedizin: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat auf dieser Gesetzes­grundlage Mitte 2006 einen Entwurf zur Palliativmedizinischen Versorgung vorgestellt, der bis heute aber noch keine Akzeptanz gefunden hat.
  • Schmerztherapie: Hier finden Verhandlungen zwischen Kostenträgern, kassenärzt­lichen Vereinigungen und Berufsverbänden auf Landesebene (Nordrhein, Hessen) statt, um durch Erweiterungen der Qualitätsanforderungen im Sinne von Managed­Care zu besonderen qualitätsgesicherten Versorgungswegen in der Schmerztherapie zu gelangen. Abschlüsse stehen allerdings hier auch noch aus!

 

Am weitesten ist die Entwicklung von alternativen Versorgungsmodellen im Bereich der „Integrierten Versorgung" nach § 140 SGB V gediehen. Etwa zwanzig verschiedene Modelle zur Palliativversorgung, über die gesamte Republik verteilt und nach ganz verschiedenen inhaltlichen und regionalen Gesichtspunkten strukturiert, erproben hier die Ausgestaltung von ambulanter Palliativversorgung. Erst eine Auswertung der verschiedenen Modelle nach Kriterien wie „Qualität der Patientenversorgung, fachlicher Aufbau und Strukturierung, Kosten" wird die Frage nach dem Königsweg möglicherweise beantworten helfen können.

 

Bis heute zeichnet sich jedoch eine Tendenz zu zwei sehr unterschiedlichen, ja konträren Entwicklungen ab:

 

  • „top‑down"‑Konzepte im Sinne einer krankenhauskoordinierten ambulanten Versorgung, bei denen Krankenhausteams die gesamte Versorgung koordinieren
  • „bottom‑up"‑Modelle, die die gewachsenen Strukturen der Hospiz‑ und Palliativarbeit integrieren und dezentrale abgestufte Versorgungsstrukturen motivierend integrieren.

 

Am Beispiel „Wiesbaden", dem einzigen Standort mit zwei von einander unabhängigen und sehr nterschiedlichen IV‑Palliativkonzepten, soll diese polarisierende Entwicklung verdeutlicht werden. Bei aller Kritik der letzten Monate an den Reformen des Bundesgesundheitsminis­teriums gebührt den Verantwortlichen für die Entschlossenheit und Konsequenz, Möglichkeiten für neue Versorgungswege zu schaffen, Anerkennung. Dies hat ins­besondere die Rolle der „Leistungsträger" aufgewertet, die jetzt in Augenhöhe mit Krankenkassen, Krankenhäusern und kassenärztlichen Vereinigungen Verhandlungen über neue Versorgungswege und ‑inhalte führen können.


Quelle: Satelliten-Symposium der Firma Cephalon zum Thema „Durchbruchschmerzen: Diagnose, Behandlungsoptionen von Durchbruch-/ Akutschmerzen: Sind wir schon am Ziel?“ am 16. März 2007 in Frankfurt am Main (Publicis Vital PR).

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