„Wir sprechen mit dem Patienten, nicht über den Patienten“:

Pflegerapport fördert Pflegequalität und Patientenverständnis

 

  • Neues patientennahes Übergabeinstrument erfolgreich entwickelt und eingeführt
  • Sowohl Patienten als auch Pflegekräfte profitieren
  • Persönliches Gespräch liefert wichtige Informationen und fördert Verantwortung
  • „Jeder Patient kennt das Gesicht der zuständigen Pflegeperson“

 

Pflegerapport in ErlangenErlangen (2. Februar 2010) – Wie geht es Ihnen? Haben Sie Schmerzen? Einfache und selbstverständliche Fragen, die echtes Interesse am Befinden des Patienten zeigen, sind es, die die Schwestern und Pfleger der HNO-Klinik Erlangen während ihrer mittäglichen Übergabe am Patientenbett stellen. Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Pflegerapports, der vor rund einem Jahr an der HNO-Klinik Erlangen entwickelt und eingeführt wurde. Der Pflegerapport ersetzt die bisherige Form der Übergabe und hat den Praxistest mit Bravour bestanden. Die Pflegekräfte der Station 100, auf der überwiegend Patienten jeden Alters nach Ohren- und Nasenoperationen versorgt werden, sind überzeugt: „Die Patientenzufriedenheit ist seitdem deutlich höher. Die Patienten erhalten Informationen zum weiteren Tagesablauf und wir sind besser über den einzelnen Patienten informiert.“

 

Mit Einführung des Pflegerapports hat sich auf der Station 100 an der HNO-Klinik die Übergabe vom Früh- an den Spätdienst grundlegend geändert. „Früher haben wir die Übergabe ausführlich im Stationszimmer besprochen. Das hat lange gedauert und wurde oft durch Telefonanrufe oder Anliegen von Kollegen, Patienten oder Ärzten unterbrochen, so dass es sich noch mehr in die Länge gezogen hat“, erläutert Stationsleiterin Sylvia Stanzel. Beim anschließenden Gang durch die Station wurde vor allem über den Patienten und die pflegerischen Tätigkeiten gesprochen. „Der Patient wurde dabei kaum aktiv miteinbezogen, vieles – zum Beispiel die Diagnosen – waren für die Patienten oft unverständlich. Außerdem haben wir während der Übergabe auch pflegerische Tätigkeiten durchgeführt, so dass es für den Patienten noch unübersichtlicher war“, so Sylvia Stanzel weiter. All das gehört auf der Station 100 der Vergangenheit an. Denn nur ein gut informierter Patient kann auch ein mündiger Patient sein.

 

 

„Den Patienten ins Boot holen“

 

Der Pflegerapport ist ein Abstimmungs- und Kontrollinstrument in Form eines Kurzbesuches am Krankenbett. Er hilft Probleme und Ressourcen im Bereich der Pflege zu erkennen, Maßnahmen sowie Ziele festzulegen und zu überprüfen. Dabei steht die Kommunikation mit dem Patienten im Mittelpunkt, nicht die Berichterstattung über ihn. Und das in entspannter Atmosphäre: Der Patient wird direkt angesprochen und aktiv eingebunden. Denn ein mündiger Patient muss nicht nur informiert sein, sondern ermutigt werden, selbst zur eigenen Gesundheit beizutragen. Außerdem bereichert der Rapport die Ausbildung von Pflegehilfskräften, Pflegeschülerinnen und Pflegeschülern.

 

Der Rapport beginnt mit einer kurzen Übergabe im Stationszimmer zwischen Mitarbeitern aus dem Früh- und Spätdienst anhand einer aktuellen Belegliste aus den elektronischen Krankenakten. Anschließend gehen die zuständigen Pflegekräfte der Früh- und der Spätschicht gemeinsam von Patient zu Patient. Die Pflegekraft der Spätschicht stellt sich als Ansprechpartnerin für den Rest des Tages vor und eröffnet dann das Gespräch mit dem Patienten: „Haben Sie irgendwelche Probleme?“ „Wie fühlen Sie sich?“ „Haben Sie Fragen oder brauchen Sie etwas?“ Außerdem wird erklärt und abgesprochen, welche Maßnahmen am Nachmittag geplant sind. Das Persönliche kommt dabei nicht zu kurz.

 

Anders als bei einer Pflegevisite werden dabei keine Pflegeziele festgelegt oder Pflegeprobleme besprochen und auch keine Pflegeintervention durchgeführt. „Beim Pflegerapport wollen wir auf keinen Fall fachsimpeln, sondern den Patienten ins Boot holen, damit er auch selbst Verantwortung für seine Genesung übernimmt“, so stellvertretender Stationsleiter David Pfeiffer.

 

Die positiven Effekte des neuen Instrumentes haben sich schnell eingestellt – auf beiden Seiten. Die Patienten fühlen sich ernst genommen, sind besser informiert und wissen genau, wer für sie zuständig ist. Eines ist bei den kurzen Gesprächen deutlich zu spüren: Die Stimmung in den Zimmern ist gut, das Verhältnis zu den Pflegekräften entspannt. „Wir merken den Patienten die Veränderung an, denn bestehende Fragen werden sofort gestellt und gemeinsam gelöst. Die Befürchtung, das Pflegepersonal mit Problemen zu stören, gibt es nicht mehr, und auch wir erhalten jetzt Informationen, die uns vorher vielleicht entgangen sind“, so Sylvia Stanzel.

 

 

Eigenständige Leistung der Pflege

 

Die Pflegekräfte bekommen zudem eine direkte Rückmeldung über ihre Tätigkeit und gewinnen Sicherheit, da sie die psychische und physische Situation des Patienten sowie Veränderungen im Krankheitsverlauf direkt abfragen und erleben. „Jeder Patient kennt das Gesicht der Pflegeperson, die für ihn zuständig ist“, erklärt Gesundheits- und Krankenpflegerin Annett Debertshäuser. „Der direkte Kontakt mit dem Patienten ist zudem viel eindrücklicher als eine rein mündliche Übermittlung von Daten und Fakten. Probleme werden so früher erkannt.“ Dies alles kommt der Pflegequalität zugute. Außerdem wird die Arbeit der Pflegekräfte transparenter und klarer von Leistungen anderer Berufsgruppen abgegrenzt: Der Pflegrapport ist eine eigenständige Leistung der Pflege.

 

Am Rapport nicht beteiligte Pflegekräfte können währenddessen andere Tätigkeiten durchführen und Störungen abhalten, so dass der Rapport konzentriert erledigt werden kann und insgesamt Zeit gespart wird. Das tragbare Stationstelefon bleibt zum Beispiel beim Rapport grundsätzlich draußen.

 

 

Zeitersparnis auf der Station

 

Nach rund einer halben Stunde haben Früh- und Spätdienst ihre Runde durch alle Zimmer beendet und die Pflegedokumentation ergänzt. „Durch den Pflegerapport ist bei uns die Übergabezeit kürzer geworden. Die Patienten haben viele Dinge bereits mit uns geklärt, für die sie uns sonst noch einmal hätten ansprechen müssen“, resümiert David Pfeiffer. Von ihm kam die Idee, diese Neuerung an der HNO-Klinik einzuführen. Er hatte dieses Instrument, das sich bewusst von der Pflegevisite abgrenzt, während eines Ausbildungsaufenthalts in der Schweiz kennen gelernt. Eine eigens eingerichtete, vierköpfige Arbeitsgruppe erarbeitet nach seiner Rückkehr ein maßgeschneidertes Konzept für den Pflegerapport an der Erlanger Klinik. Die Umsetzung in die Praxis verlief von Anfang an positiv. „Vorbehalte haben wir bisher keine gespürt, weder von den Patienten, noch von den Kollegen. Aber natürlich muss man diese neue Form der Übergabe auch üben. Dem einen liegt es mehr ein Gespräch zu führen als dem anderen. Und man muss sich dabei auch selbst präsentieren“, so David Pfeiffer.

 

Wichtig ist es, die Gesprächsführung an den Patienten anzupassen. Bei sehr ruhigen Patienten ist mehr Unterstützung nötig, indem die Pflegekräfte bevorzugt offene Fragen stellen und Antworten noch einmal in eigenen Worten wiederholen. Ganz anders bei gesprächigen Patienten. Hier sind geschlossene Fragen zielführender. Wenn zu sehr abgewichen wird, ist es außerdem Aufgabe der Pflegekräfte, zu unterbrechen und wieder zum eigentlichen Thema zurückzuführen.

 

 

Andere Stationen sollen folgen

 

Grundsätzlich wird der Patientenrapport bei allen Patienten durchgeführt. Es gibt jedoch Ausnahmen: Bei Patienten, die aus eigener Initiative oder zum Beispiel wegen eines OP-Termins nicht anwesend sind, wird der Rapport nicht durchführt und auch nicht nachgeholt. Das Gleiche gilt selbstverständlich für frisch operierte, komatöse oder kommunikativ stark eingeschränkte Patienten. Deren Vorstellung wird nach wie vor im Stationszimmer durchgeführt.


Inzwischen haben auch andere Stationen an der Uniklinik Erlangen Interesse an dieser neuen Übergabeform. Kollegen haben den Pflegekräften der Station 100 bereits beim Rapport über die Schulter geschaut. Mittelfristig soll das erfolgreiche Konzept dann auch auf andere Abteilungen übertragen werden. 

 

 

Vorteile des Pflegerapports


… für die Pflegekräfte:

  • erleben Wertschätzung direkt,
  • höhere Arbeitszufriedenheit, durch bessere Kommunikation und engere Patientenbeziehung
  • mehr Sicherheit,
  • Aufwertung der Pflege und des eigenen Berufsbildes,
  • Förderung der Eigenständigkeit der Pflege,
  • Überprüfung/Reflektion der eigenen Arbeit,
  • Ressourcen/Probleme/Bedürfnisse werden zusammen mit dem Patienten erfasst,
  • Transparenz der Pflegetätigkeiten,
  • Wahrnehmung wird sensibilisiert und dadurch verbessert,
  • Vertrauen wird aufgebaut;


… für die Patienten: 

  • fühlen sich angehört und dadurch ernst genommen,
  • werden als gleichberechtigter Partner im Pflegeprozess behandelt,
  • beteiligen sich aktiv am Pflegegeschehen,
  • haben Teil an der Ermittlung des Pflegebedarfs,
  • erhalten Informationen über weitere Behandlung,
  • erhalten Gewissheit, wer ihr Ansprechpartner ist.

 

 

 

Abbildung

 

 

Pflegerapport in Erlangen.

 

Abb.: Pflegerapport. Photo: Universitätsklinikum Erlangen

 

 

Die Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf- und Halschirurgie ist eine Klinik des Universitätsklinikums Erlangen (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg).

Die Klinik unter Direktion von Prof. Dr. med. Heinrich Iro gehört zu den größten HNO-Kliniken Deutschlands. Im Jahr 2007 wurden 4.583 Patienten stationär behandelt, hinzu kamen 23.854 ambulante Fälle.

Die Klinik verfügt über 80 Planbetten in soeben modernisierter, komfortabler Ausstattung, 6 Operationssäle, eine eigene 5-Betten-Intensivstation und eine neue Hochschulambulanz.

Die HNO-Klinik bietet das gesamte diagnostische, konservativ therapeutische und operative Spektrum der HNO-Heilkunde und der Kopf-Hals-Chirurgie an.

Schwerpunkte sind: Schädelbasis-Chirurgie, implantierbare Hörgeräte, Mittelohr-Operationen, plastische und ästhetische Operationen, Nasennebenhöhlen-Chirurgie, Tumortherapie.

Die Klinik verfügt außerdem über besondere Expertise bei der Behandlung von Schwindel. Sie unterhält zudem ein Speicheldrüsenzentrum und ein Schlaflabor.

 


 

Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Erlangen vom 02.02.2010 (Birke und Partner) (tB).

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