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Forschungswerkstatt Herz‑Kreislauf 2007
Gerinnungshemmung neue Therapiestudien
Von Prof. Dr. med. Christoph Bode
Köln (15. März 2007) – Ein deutlicher Bedarf für neue Wirkstoffe besteht bei der Prophylaxe und Therapie venöser Thrombosen und ebenso beim Vorhofflimmern und bei der Therapie des Akuten Koronarsyndroms. Denn bei der derzeitigen Therapie gibt es eine Reihe an Limitationen wie die parenterale Gabe beim Heparin, potenzielle Nebenwirkungen wie die Heparin‑induzierte Thrombozytopenie (HIT), das komplizierte Dosierungsschema und auch das erforderliche Monitoring. Auch die Vitamin‑K‑Antagonisten sind in der Anwendung nicht unproblematisch, es kann initial zu Dosierungsproblemen kommen, Nahrungsmittel-Interaktionen können die Wirksamkeit beeinträchtigen und es ist mit verschiedensten Arzneimittelinteraktionen zu rechnen. Zudem muss die Therapie auch bei den Vitamin‑K‑Antagonisten gut überwacht werden.
Aussichtsreicher Kandidat für eine sichere orale Antikoagulation
Eine vielversprechende Substanz ist vor diesem Hintergrund der Wirkstoff Rivaroxaban, ein oraler direkter Faktor‑Xa‑Inhibitor. Faktor‑Xa spielt eine zentrale Rolle in der Gerinnungskaskade, die Hemmung von Faktor Xa unterbindet sehr effizient die Entstehung von Thrombin. Rivaroxaban besitzt ein deutlich breiteres therapeutisches Fenster als die Heparine und Vitamin‑K-Antagonisten, seine Wirkung erfolgt unabhängig von Antithrombin III, so dass nicht nur freier sondern auch Thrombus‑assoziierter Faktor Xa inhibiert werden kann. Rivaroxaban ist damit ein aussichtsreicher Kandidat für eine sichere orale Antikoagulation.
Der Wirkstoff wird einmal täglich eingenommen und gewährleistet über 24 Stunden therapeutische Spiegel. Die Halbwertszeit liegt bei fünf bis neun Stunden und das unabhängig von der Nahrungsaufnahme, so dass die klinische Wirksamkeit gut vorhersagbar ist. Zirkulierende Metabolite werden nicht gebildet und der Wirkstoff weist eine günstige Elimination auf, die zu zwei Drittel über die Niere und zu einem Drittel über den Darm erfolgt. Ein regelmäßiges Monitoring ist nicht erforderlich, kann im Bedarfsfall aber über die Prothrombinzeit erfolgen. Anhaltspunkte für eine Lebertoxizität gibt es bei Rivaroxaban nicht.
Gute klinische Wirksamkeit bei der Thromboseprophylaxe
Dass es sich um eine vielversprechende neue Substanz handelt, belegen die ersten Studien mit dem direkten Faktor‑Xa‑Inhibitor. So wurde in Phase II‑Studien, der ODIXa‑Knee (Oral DIrect FactorXa inhibitor BAY 59‑7939 in the prevention of VTE in patients undergoing total KNEE replacement) und der ODIXa‑HIP‑Studie (Oral DIrect FactorXa inhibitor BAY 59‑7939 in the prevention of VTE in patients undergoing total HIP replacement), Rivaroxaban in Dosierungen von 5 bis 60 mg täglich bei Patienten mit elektivem Knieoder Hüftgelenkersatz bei zweimal täglicher Dosierung und in einer dritten Studie auch bei einmal täglicher Dosierung erprobt. Die Patienten der Kontrollgruppe wurden mit 40 mg Enoxaparin behandelt.
Es zeigte sich unter Rivaroxaban eine gute klinische Wirksamkeit mit signifikanter und dosisabhängiger Reduktion klinisch relevanter Thomboembolien (proximale Thrombosen, Lungenembolien und Todesfälle durch eine tiefe Venenthombosen), wobei sich als optimal eine Dosierung von einmal täglich 10 mg ergab.
Derzeit laufen als Phase III‑Studien die RECORD‑Studien I und II (REgulation of Coagulation in ORthopedic surgery to prevent DVT and PE), in denen bei mehr als 10.000 Patienten der Einfluss von Rivaroxaban auf die Thrombose‑ und Lungenemboliehäufigkeit nach größeren orthopädischen Eingriffen getestet wird.
Wirksam auch bei der Therapie der tiefen Venenthrombose
Auch bei der Therapie der tiefen Venenthrombose hat sich Rivaroxaban als klinisch wirksam erwiesen, wie das Phase II‑Dosisfindungsprogramm mit der ODIXa‑DVT‑Studie (Deep Vein Thrombosis) und der EINSTEIN‑Studie belegt. Es handelt sich hierbei um das bislang größte Studienprogramm zu dieser Fragestellung. Eingeschlossen wurden 1.156 Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose. Sie wurden drei Monate lang mit Tagesdosen von 20 bis 60 mg des Faktor‑Xa‑Inhibitors oder mit Heparin und einen Vitamin‑K‑Antagonisten behandelt.
Alle geprüften Dosierungen von Rivaroxaban erwiesen sich sowohl in der Akutwie auch der Langzeittherapie als wirksam und sicher und als der Standardtherapie in der Kontrollgruppe ebenbürtig. Sie verringerten die Thrombusgröße und reduzierten eindeutig die Rezidivrate. In der EINSTEIN‑Studie war die Anzahl symptomatischer tiefer Venenthrombosen dabei sogar niedriger als unter der Standardtherapie.
Phase‑III‑Studien zum Vorhofflimmern und zur Behandlung von Lungenembolien und tiefen Venethrombose
Eine weitere Indikation, die derzeit geprüft wird, ist die Prävention des Schlaganfalls bei Vorhofflimmern durch Rivaroxaban. Ziel dieser ROCKET AFStudie (Rivaroxaban Once Daily Oral Direct Factor Xa Inhibition Compared with Vitamin-K-Antagonism for Prevention of Stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillation) ist der Nachweis, dass der Faktor‑Xa‑Inhibitor der Standardtherapie mit dosisangepasstem Warfarin nicht unterlegen ist. Die Studie wird rund 14.000 Patienten umfassen, beteiligt sind 1.100 Zentren in mehr als 40 Ländern.
In der zweiten chronischen Indikation, der Behandlung der Lungenembolie sowie der tiefen Venenthrombose, besteht das Programm aus insgesamt drei Studien bei Patienten mit akuter tiefer Venethrombose und Lungenembolie. Sie werden verglichen mit der derzeitigen Standardtherapie ‑ der Behandlung mit niedermolekularem Heparin und anschließender Gabe eines dosisangepassten Vitamin‑K‑Antagonisten. Die Behandlungsdauer beträgt bei zwei Studien variabel bis zu 12 Monate. Eine dritte, placebokontrollierte Doppelblindstudie wird den Wert einer langfristigen Therapie, d.h. länger als 12 Monate, bei der Indikation VTE untersuchen. An diesen von der Anzahl der Ereignisse abhängigen Studien werden rund 7.500 Patienten in über 20 Ländern teilnehmen, ca. 300 Zentren werden beteiligt sein.
Eine deutliche Verbesserung wird auch für die Sekundärkprophylaxe nach akutem Koronarsyndrom durch Rivaroxaban erwartet. Diese erste Indikation im arteriellen Gefäßbereich wird in der ATLAS‑Studie (Anti‑Xa Therapy to Lower Cardiovascular Events in Addition to Aspirin with/without Thienopyridine Therapy in Subjects with Acute Coronary Syndrom) geprüft, in die etwa 1.100 Patienten eingeschlossen werden sollen.
Autor
Prof. Dr. med. Christoph Bode
Universitätsklinikum Freiburg
Med. Universitätsklinik und Poliklinik
Abt. Innere Medizin III Kardiologie und Angiologie
Hugstetterstraße 55
79106 Freiburg
Quelle: Pressekonferenz der Firma Bayer HealthCare zum Thema „Forschungswerkstatt Herz-Kreislauf 2007“ am 15.03.07 in Köln. (tB)