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Ausgeprägte demenzbedinqte Verhaltensstörungen
Demenzpatienten im Heim: Auf dem therapeutischen Abstellgleis?
Bonn (17. Oktober 2006) – Sind die deutschen Pflegeheime verkappte Kliniken mit Minderversorgung? Mit dieser provokanten Frage wies jetzt im Rahmen einer Presseveranstaltung Prof. Dr. Dr. Rolf Dieter Hirsch, Bonn, auf die oftmals problematische Situation vor allem der Demenzpatienten in Pflegeheimen hin. Denn obwohl Demenzpatienten mit 60 Prozent der Heimbewohner die größte Gruppe ausmachen, ist ihre adäquate therapeutische Versorgung oft nicht gegeben. Dabei waren sich die Experten vor Ort einig, dass die konsequente Umsetzung der einschlägigen Leitlinien auch in Pflegeheimen zu fordern ist: Zur Behandlung schwerer chronischer Aggressivität mit Selbst- und Fremdgefährdung und beeinträchtigender psychotischer Symptome ‑ beides Formen demenzbedingter Verhaltensstörungen, die besonders in der Heimsituation extrem belastend sind ‑ ist das atypische Neuroleptikum Risperidon in niedriger Dosierung (Risperdal® 1 mg) Therapie der ersten Wahl.
Häufig sind es nicht die kognitiven Einbußen, sondern ausgeprägte Verhaltensstörungen, die zur dauerhaften Einweisung von Demenzpatienten in ein Pflegeheim führen. Dabei gestaltet sich gerade die Führung dieser Patientengruppe innerhalb des Heimes schwierig. Wie Hirsch betonte, sind die Pflegekräfte in der Regel nicht darauf geschult, die Therapiebedürftigkeit von Erkrankungen oder die Wirksamkeit einer eingeleiteten Therapie zu erkennen. Gleichzeitig steht das Pflegepersonal unter massivem zeitlichem Druck, der verhindert, dass es sich eingehend mit den einzelnen Patienten befassen kann. Auf der anderen Seite ist auch die ärztliche Versorgung nicht optimal: Die für die Pflegeheime zuständigen Hausärzte sind zeitlich und budgetär limitiert, eine fachärztliche Versorgung wird viel zu selten ermöglicht. Dies führt oft zu einer eklatanten Unterversorgung der Betroffenen.
Diesen Befund konnte Dr. Johannes Hallauer, Schwerin, mit Daten aus eigenen Untersuchungen untermauern (1). Hiernach erhalten nur 20 Prozent der Heimbewohner eine antidementive Behandlung. „Dabei ist die Versorgungsquote statistisch hochsignifikant mit dem Versorgungsgrad durch Neurologen/Psychiater korreliert", erläuterte Hallauer; nur 35 Prozent der Heimbewohner werden fachärztlich betreut.
In einer weiteren Untersuchung (2) konnte Hallauer zeigen, dass nur ein Bruchteil (7,9 %) der Demenzpatienten im Heim ausschließlich mit modernen Antidementiva behandelt wird. Eine empfohlene Therapie bei nicht-kognitiven Störungen erhielten nur 6,6 Prozent der Patienten. In der Bilanz erschreckend ist die Tatsache, dass 92 Prozent der Patienten Psychopharmaka erhalten. „Dabei zeigt sich eine Missachtung des medizinischen Erkenntnisstandes. Bei den Neuroleptikaverordnungen werden niedrigpotente und zum Teil hochpotente Präparate den Atypika vorgezogen, obwohl die Therapieempfehlungen das Gegenteil erfordern", konstatierte Hallauer. Mit den herkömmlichen Neuroleptika werden aber teils erhebliche Nebenwirkungen in Kauf genommen ‑ vor allem anticholinerge und Sedierung ‑, die bei Demenzpatienten und Alterspatienten generell vermieden werden sollten.
Leitlinien der Demenztherapie auch im Heim umsetzen
Demgegenüber erklärte Hirsch: „Eine adäquate medizinische Versorgung von Demenzerkrankungen ist auch bei Heimpatienten auf der Basis von Leitlinienempfehlungen und einiger Grundsätze ohne Weiteres umsetzbar." Zunächst sollten die Möglichkeiten nichtmedikamentöser Maßnahmen ausgeschöpft werden. Auf jeden Fall sollte eine medikamentöse Therapie rechtzeitig eingeleitet werden. Zur Behandlung kognitiver Einbußen sind AcetylcholinEsterasehemmer angezeigt. Zur Behandlung schwerer chronischer Aggressivität mit Selbst-/ Fremdgefährdung oder beeinträchtigender psychotischer Symptome ist das atypische Neuroleptikum Risperidon in einer durchschnittlichen Dosierung von 1 mg/Tag Mittel der Wahl, machte Hirsch deutlich.
Therapie mit Risperidon von Leitlinien gestützt
Wie Dr. Martin Haupt, Düsseldorf, darlegte, kann die Therapie mit Risperidon dabei auf entsprechende Leitlinien und Therapieempfehlungen verweisen (3‑6). Zudem besitze Risperidon als einziges atypisches Neuroleptikum eine entsprechende Zulassung. Es wurde bei einer großen Patientengruppe in randomisierten Studien und unter Praxisbedingungen untersucht, allerdings handelte es sich hierbei fast ausschließlich um ambulante Patienten. Eine entsprechende Untersuchung, die den Stellenwert der Therapie mit Risperidon bei Heimpatienten beschreibt, lag bisher nicht vor. „Diese Lücke ist nun geschlossen", so Haupt.
Studie zeigt: Risperidon auch bei Heimpatienten wirksam
In einer aktuellen Untersuchung, deren Ergebnisse Haupt vorstellte, werden 102 Patienten in Pflegeheimen dokumentiert. Diese wurden von niederpotenten Neuroleptika auf Risperidon umgestellt, hauptsächlich, weil unter der Vormedikation eine chronische Aggressivität der Patienten fortbestand (65,7 %), die sich in der Heimsituation als für alle Beteiligten besonders belastend darstellt. Aber auch psychotische Symptome (34,3 %) sowie Tagesmüdigkeit (28,4 %) und ein gestörter Schlaf‑WachRhythmus (39,2 %) waren Umstellungsgründe.
Nach vier Wochen Therapie mit Risperidon zeigten sich alle untersuchten Parameter der Verhaltensstörungen und insbesondere die Aggressivität signifikant reduziert (weitere Parameter: Agitiertheit, Reizbarkeit, nächtliche Verhaltensstörungen, Enthemmung, abnormes motorisches Verhalten, Angst, Apathie, Wahn, Halluzination; jeweils p<0,001). Ebenso verbesserte sich das Schlafverhalten der Patienten signifikant (p<0,001); auch dies ein Ergebnis, das für die Heimsituation besonders relevant ist. Besonders betonte Haupt den Rückgang der Sturzhäufigkeit unter Risperidon. Dieser konnte im ambulanten Bereich nach Umstellung von Melperon bereits gezeigt werden (7) und findet sich nun auch in den aktuellen Ergebnissen wieder: 74 Prozent der Patienten, die unter der Vormedikation 1‑3mal pro Woche stürzten, verzeichneten unter Risperidon keine weiteren Stürze. Insgesamt zeichnete sich die Risperidontherapie durch eine gute Verträglichkeit aus.
Risperidontherapie entlastet das Pflegepersonal
Für die Patienten konnte eine Verbesserung der Lebensqualität (63 % (deutlich) verbessert) und eine signifikante Verbesserung der Alltagskompetenz gezeigt werden (p=0,001). Aber auch das Pflegepersonal profitierte deutlich von der Therapieumstellung: 77,5 Prozent sahen eine Verringerung ihrer Belastung. Vor dem Hintergrund der oftmals schwierigen Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals ist dies ein wesentliches Ergebnis der Studie. „Deutlich betonen muss man die Vorteile hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Risperidontherapie gegenüber der Vormedikation mit herkömmlichen Neuroleptika", resümierte Haupt.
Alle Experten hoben hervor, dass die von den Fachgesellschaften erarbeiteten Therapierichtlinien auch im Pflegeheim umgesetzt werden sollten. Gleichzeitig riefen sie dazu auf, die Verbesserung der Situation der Bewohner ‑ und insbesondere der großen Gruppe der Demenzpatienten ‑ in den Pflegeheimen als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu erkennen und die Bewohner nicht auf ein therapeutisches und menschliches Abstellgleis zu schieben.
Quellen
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Hallauer J F et al., SÄ VIP ‑ Studie zur ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen, Vincentz, Hannover 2005
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Hallauer J F et al. 2005, 20. Workshop des „Zukunftsforum Demenz" 16. September 2005 in Berlin Dokumentationsreihe, Band 16
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Hirsch R. Konsensusgespräch 2004 ‑ Neuroleptikatherapie bei demenzbedingten Verhaltensstörungen: eine Neubewertung. Geriatrie Jouma12004; 5: 1‑6
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Demenz. Evidenzbasierte Leilinie zu Diagnostik und Therapie, Universität Witten/Herdecke, 05/2005, www.evidence.de/Leitlinienlleitlinien-intern/Demenz Startldemenz starthtml
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Diener H. C. (Hg.): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart, 3. Auflage, 2005
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Demenz. Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Berlin, 3. Auflage, 2004, www.akdae.de135,170Demenz20043Auflage.pdf
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Haupt et al., Nervenheilkunde 2004; 23:539‑44
Quelle: Presseroundtable der Firma Janssen-Cilag zum Thema “Ausgeprägte demenzbedingte Verhaltensstörungen – Demenzpatienten im Heim: Auf dem therapeutischen Abstellgleis?” am 17.10.2006 in Bonn (Publicis Vital PR)(tB).