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DER DEUTSCHE SCHMERZ- UND PALLIATIVTAG 2008
19. Deutscher interdisziplinärer Schmerz- und Palliativkongress Frankfurt am Main 06. bis 08. März 2008
Dem Schmerz ins Auge sehen
Frankfurt am Main (7. März 2008) – Durch ein neues Verfahren, die „akzeptanzbasierte Schmerztherapie“, lernen chronische Schmerzpatienten, ihr Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen. „Ablenkungs- und Vermeidungsstrategien helfen nur kurzfristig und verstärken die Fokussierung auf den Schmerz“, erklärt Diplompsychologe Gideon Franck vom Fuldaer Institut für Gesundheit auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt. Durch das neue Verfahren werde der Schmerz hingegen aus dem Lebensmittelpunkt verdrängt.
Der Name „ACT“ (englisch: acceptance and commitment therapy) benennt die zwei Säulen eines neuen verhaltensmedizinischen Verfahrens, das seit einiger Zeit auch in Deutschland eingesetzt wird: Akzeptanz und Commitment. Akzeptanz bedeutet, den Schmerz anzunehmen. „Das heißt aber nicht, man soll resignieren“, stellt Dipl.-Psych. Gideon Franck vom Institut für Gesundheit in Fulda auf dem Frankfurter Schmerztag klar. Im Gegenteil: Dadurch, dass die Patienten lernen, ihren Schmerz zu akzeptieren, nehmen sie ihr Schicksal wieder in die eigene Hand. Commitment bedeutet „Engagement, Einsatz, Verpflichtung“. Die Patienten versprechen sich selbst, einen ganz besonders wichtigen Wert in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen, in dem bislang der Schmerz steht. Das Ziel der Therapie ist mehr Aktivität und Lebensfreude.
KLEINE TIGER WERDEN GROSS
Wie kann man durch das Annehmen von Schmerzen mehr Lebensfreude gewinnen? Das scheinbare Paradox wird verständlich, betrachtet man die grundsätzliche Tendenz des Menschen, unangenehme Zustände kontrollieren zu wollen. Wer unter chronischen Schmerzen leidet, legt sich automatisch vermeintlich erfolgreiche Vermeidungs- und Ablenkungsstrategien zu, die helfen sollen, den Schmerz zu verdrängen. Doch diese Taktik ist nur kurzfristig wirksam. „Jede Kontrollstrategie bezieht sich immer irgendwie auf das, was kontrolliert werden soll“, so Franck. Aus diesem Kampf um Kontrolle entsteht jedoch zusätzliches Leid, weil sich das Leben bald nur noch um den Schmerz dreht. Die meisten Aktivitäten erfüllen nur noch den Zweck, den Schmerz zu bekämpfen. Diesen Teufelskreis veranschaulicht der Psychologe in einem Bild: „Stellen Sie sich vor, Ihr Schmerz ist ein kleiner Tiger. Sie füttern ihn mit Ihren Schmerzvermeidungsstrategien. Hier ein warmes Bad, da ein Spaziergang oder ein Mittagsschlaf. Doch der Tiger wird größer und bekommt immer mehr Hunger. Auf die Dauer führt das dazu, dass Sie nur noch damit beschäftigt sind, den immer größer werdenden Tiger, also den Schmerz, zu füttern.“ Um die Einsicht in die langfristige Wirkungslosigkeit des bisherigen Schmerzmanagements zu fördern, bittet der Fuldaer Therapeut seine Patienten, ihre Strategien aufzuschreiben. In der Regel stellen diese dann fest, dass die bisher eingesetzten Methoden ihnen tatsächlich nur kurzfristige Linderung verschaffen.
Die nächste Frage lautet: „Was ist Ihnen am wichtigsten in Ihrem Leben?“ Die Antwort auf diese Frage ist für den Patienten das Ziel der Therapie. Denn im Fokus steht nicht die Schmerzlinderung – auch wenn diese oft die Folge ist – , sondern mehr Aktivität und Spaß im Leben.
DEM TIGER INS AUGE BLICKEN
Haben Therapeut und Patient gemeinsam das Ziel der Therapie festgelegt, beispielsweise mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, wenden sich die beiden dem Schmerz zu. „Schauen wir ihn uns einmal an“ – diese Aufforderung mag zunächst Angst auslösen. Doch es gibt Übungen zur sogenannten „Schmerzfokussierung“, die diese Annäherung erleichtern. Dabei soll der Betroffene seinem unsichtbaren Feind eine Form geben, als Bild, Energie, Tier oder Ton. „Welche Gefühle verspüren Sie dabei? Haben Sie Angst vor diesem Tier? Wie fühlt sich diese Angst an? Woran merken Sie, dass Sie ängstlich sind?“ Die Patienten stellen beispielsweise fest, dass sie ganz unruhig werden, dass das Herz schneller schlägt oder sie plötzlich schwitzen. Die Fragen des Therapeuten helfen ihnen, sich von den Gefühlen nicht überwältigen zu lassen, sondern sie wahrzunehmen und zu beschreiben. „Wenn die Patienten ihrem Schmerz ins Auge sehen, nimmt er erstaunlicherweise eher ab als zu“, schildert Franck
GEDANKEN UND GEFÜHLE WEITERZIEHEN LASSEN
Ist der Schmerz einmal zu einem Bild geworden, kann man zu diesem auch auf Distanz gehen. Denn von Gedanken und Gefühlen kann man sich lösen. Dieses Abstandnehmen trainiert Franck mit seinen Patienten in verschiedenen Übungen, beispielsweise der Wolken- oder der Flussübung: Man sieht die Gedanken als Wolken, die am Himmel vorbei ziehen, oder man setzt sie auf Blätter, die auf einem Fluss an einem vorbei treiben. „Das bedeutet nicht, dass wir negative Gefühle verdrängen wollen“, betont Franck. „Diese Übungen sollen vielmehr helfen, Gedanken und Gefühle als Zuschauer zu betrachten, statt von ihnen aus auf die Welt zu blicken“.
Eine Methode, um diesen Perspektivenwechsel zu erreichen, ist das sogenannte „Achtsamkeitstraining“. In den Achtzigerjahren verbreitete sich das Verfahren in den USA. Seine Wirksamkeit, u.a. auch bei chronischen Schmerzen, ist in zahlreichen Studien belegt. Dabei geht es darum, bei jeder kleinsten Aktivität – essen, Hände waschen, gehen usw. – im Hier und Jetzt präsent zu sein. Dabei gilt es zwar, Gedanken und Gefühle zur Kenntnis zu nehmen, aber die Aufmerksamkeit auch wieder in den gegenwärtigen Moment zurück zu lenken. Darum gehört zur ACT auch das Achtsamkeitstraining. Gelingt diese Ablösung von Gedanken und Gefühlen, gewinnen die Patienten eine neue Sicht auf ihr Leben. In den Niederlanden, Schweden und den USA hat sich die ACT bereits stärker durchgesetzt als in Deutschland. Besonders intensiv befasste sich eine britische Forschergruppe der Universität von Bath mit der ACT bei Schmerzpatienten. „Die Menschen werden aktiver, viele nehmen ihren Beruf wieder auf, haben weniger Angst und sind weniger depressiv“, resümiert Franck die Ergebnisse.