Drohende Dauerschäden für das Auge

Wissenschaftler warnen vor Langzeitfolgen von Schnüffeldrogen

 

Münster (13. April 2015) – Der Name klingt harmlos, die Inhaltsstoffe sind es keineswegs: Poppers nennen Konsumenten die Schnüffeldrogen, die sie aus kleinen Flaschen inhalieren und die schlagartig euphorisierend sowie entspannend wirken. Nur wenige Minuten hält diese Wirkung an – und doch kann der Konsum der Szenedroge gefährliche Langzeitfolgen haben, wie münstersche Wissenschaftler warnen. Prof. Nicole Eter, Direktorin der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Münster, und Dr. Christoph Clemens, geschäftsführender Oberarzt, konnten mit Teamkollegen zeigen, dass der Konsum von Poppers-Drogen die Netzhautfunktion in einem größeren Ausmaß schädigt als bisher angenommen. Die Erkenntnisse erschienen in der renommierten Fachzeitschrift „Eye“. Sie unterstreichen die Risiken der Poppers-Drogen, deren Besitz nicht strafbar ist und die zudem leicht und günstig über Internetshops bezogen werden können.


Dass Poppers die Netzhaut schädigen, ist nicht neu: „Wir wissen seit 2010, dass ihre Inhalation zu einer funktionellen Beeinträchtigung im zentralen Netzhautbereich, der Makula, führen kann“, erläutert Prof. Eter. Hier besteht die höchste Dichte der winzigen Zapfen, die das Scharfsehen im Gesichtsfeldzentrum sowie das Farbsehen ermöglichen. Das Forscherteam hat nun aber ein ganz neues Ausmaß dieser Schädigung entdeckt: Neben der Makula kann auch die Netzhautperipherie geschädigt werden. Bei den dortigen Sinneszellen handelt es sich vorwiegend um kleine Stäbchen; diese sind für das Nacht- und das Dämmerungssehen verantwortlich. „Unsere Untersuchungen liefern den Nachweis, dass durch den Drogenkonsum nicht nur die Makulafunktion, sondern auch die der gesamten Netzhaut beeinträchtigt werden kann“, sagt Dr. Clemens. Liegt ein Schaden im Bereich der Makula vor, wird die Umwelt schemenhaft wahrgenommen und es kommt zu Leseschwierigkeiten. Bei Funktionseinbußen der Stäbchen ist die Dunkelanpassung gestört und die Folge sind Einschränkungen im Sehen in der Dämmerung bis hin zur Nachtblindheit.

Der Nachweis der Schädigung gelang anhand elektrophysiologischer Untersuchungen, mit denen die leitende Funktion der Photorezeptoren auf der Netzhautperipherie überprüft wurde. „Statt wie bisher von einer Poppers-Makulopathie zu sprechen, wäre der ausgeweitete Begriff einer Poppers-Retinopathie angebracht“, schlägt Prof. Eter vor. Durch die funktionelle Beeinträchtigung der Netzhaut entstehe für den Patienten im schlimmsten Fall eine irreparable und wahrscheinlich dauerhafte Einschränkung seiner Sehkraft. „Bei der Makulopathie ist die Funktion der Photorezeptoren oft beständig geschädigt“, erklärt Eter. „Wir gehen deshalb davon aus, dass dies auch bei der Netzhaut-Peripherie der Fall sein kann.“

Weitere Studien rund um die Poppers-Retinopathie sind von dem Team bereits geplant, dabei soll es unter anderem um die angenommen langfristigen Effekte gehen. Mit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse wollen die Forscher eindringlich vor der Inhalation der oft verharmlosten Poppers-Droge warnen. In England hat bereits die BBC über das Phänomen berichtet, zudem steht nach der Online-Version bald die Veröffentlichung der gedruckten „Eye“-Ausgabe an, wovon sich Eter eine noch größere Wahrnehmung erhofft: „Wir müssen den Konsumenten unbedingt vermitteln, wie hoch das Risiko für ihre Sehkraft wirklich ist“.

 

  • Originalpublikation: C R Clemens, F Alten, D Loos, C E Uhlig, P Heiduschka, N Eter: Poppers maculopathy or retinopathy? Eye (2015) 29, 148–149; doi:10.1038/eye.2014.252; published online 24 October 2014

 

 


Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 13.04.2015 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…