Einheitliches Qualifikationskonzept für nichtärztliche Berufsgruppen

Weiterqualifizierung für die Delegation medizinischer Tätigkeiten in drei Stufen

 

Greifswald (5. Februar 2013) – Wissenschaftler am Institut für Community Medicine an der Universitätsmedizin Greifswald haben ein abgestuftes Qualifikationskonzept für die Delegation medizinischer Leistungen an nichtärztliche Gesundheitsberufsgruppen auf drei Stufen entwickelt (Greifswalder 3-Stufen-Modell), in dem das in Greifswald entwickelte AGnES-Konzept (Arzt-entlastende, Gemeindenahe, esHealth-gestützte, Systemische Intervention) und alle Nachfolgermodelle integriert werden.

 

Eine ausführliche Beschreibung des abgestuften Qualifikationskonzeptes wurde aktuell im Bundesgesundheitsblatt* veröffentlicht. „Erstmals liegt nun ein für alle Modelle anwendbares integriertes Qualifizierungskonzept vor“, betonte Prof. Wolfgang Hoffmann vom Institut für Community Medicine.

„Das Konzept soll jetzt in den verantwortlichen Gremien beraten werden. Wir wollen damit eine bundesweit einheitliche Qualifizierungssicherheit für nichtärztliche Fachkräfte schaffen, die in unterschiedlichem Ausmaß medizinische Aufgaben übernehmen“, betonte der Greifswalder. Nach dem Erfolg und der Einführung von AGnES in die Regelversorgung sind etliche weitere Modelle in der Krankenversorgung entstanden, bei denen die Qualifizierung bisher auf sehr unterschiedlichen Grundlagen erfolgt.

Die Folgen der demographischen Entwicklung auf den medizinischen, pflegerischen und sozialen Versorgungsbedarf der Bevölkerung erfordern strukturelle Veränderungen im deutschen Gesundheitswesen. Auch aus dem regional bereits bestehenden und künftig absehbar zunehmenden Hausärztemangel resultiert die Notwendigkeit der Entwicklung von flexiblen, arbeitsteiligen Versorgungskonzepten, in denen medizinische Tätigkeiten delegiert und durch nichtärztliche Berufsgruppen, insbesondere Pflegefachpersonen und Medizinische Fachangestellte übernommen werden. „Um das erweiterte Aufgabenfeld in hoher Qualität umsetzen zu können, müssen die Berufsgruppen ihre traditionellen Kompetenzfelder anpassen und erweitern. Aufbauend auf den Primärqualifikationen, absolvierten Weiterqualifizierungen und beruflichen Erfahrungen werden dafür bedarfsgerechte, modulare und praxisnahe Lehrpläne benötigt“, so Hoffmann.

 

 

Drei Stufen zum Ziel

 

Die erste Stufe qualifiziert für die Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten, die in Rufweite des Arztes erfolgen. Das umfasst beispielsweise Gewichtsmessungen oder Impfungen. Die Übernahme von ausgewählten und spezifisch definierten Tätigkeiten in Delegation, aber größerer Selbständigkeit in der Häuslichkeit der Patienten stellt die zweite Qualifikationsstufe des Konzeptes dar, unter anderem Blutentnahme, Verbandswechsel und die Messung von Vitalparametern. In der dritten Stufe erfolgt die Übernahme von definierten medizinischen Tätigkeiten, welche in der Häuslichkeit des Patienten in Delegation, aber weitgehend eigenständig durchgeführt werden. Die dritte Stufe schließt beratende und bewertende Tätigkeiten wie die Beantragung einer Pflegestufe oder finanzieller Hilfen ein sowie die medizinische Versorgung von Patienten, unter anderem Injektionen und Blasenentleerungen.

Zugangsvoraussetzung zum dreistufigen Qualifikationskonzept ist eine abgeschlossene Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege oder zur bzw. zum Medizinischen Fachangestellten (vormals Arzthelfer/-in). Die Dauer der Weiterbildung soll ca. 18 Monate betragen und kann berufsbegleitend erfolgen.

Die eigenverantwortliche Übernahme medizinischer Leistungen ist in europäischen Nachbarländern und den USA seit langem fester Bestandteil des Gesundheitssystems. Die Handlungsautonomie ist in den einzelnen Ländern jedoch sehr unterschiedlich geregelt und es existieren keine einheitlichen Rollenbeschreibungen und Arbeitsfelder. Mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz aus dem Jahr 2008 wurde in Deutschland erstmals die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, ärztliche Tätigkeiten an nichtärztliche Fachkräfte zu delegieren. Die Begründung der Gesetzesänderung nimmt explizit Bezug auf die zuvor erfolgreich durchgeführten AGnES Modellprojekte des Instituts für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald.

Das seit 1. Januar 2012 geltende GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV – Gesetzliche Krankenversicherung) konkretisiert die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten und entwickelt diese weiter. Das Gesetz regelt unter anderem die Neuzuordnung von ärztlichen Tätigkeiten in einem umschriebenen Rahmen an nichtärztliche Berufsgruppen. Im aktuellen Konzept des Drei-Stufen-Qualifikationskonzeptes bilden die bestehenden Lehrpläne für AGnES und VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) die Ausgangsbasis für die abgestufte Übernahme von medizinischen Tätigkeiten durch nichtärztliche Berufsgruppen. Der modulare Aufbau der beiden Curricula ermöglicht die flexible Berücksichtigung verschiedener Primärqualifikationen und die Anerkennung bereits erworbener Zusatzqualifikationen bei der Ermittlung des individuellen Qualifikationsbedarfes.

„Ärzte können sich damit das benötigte Qualifikationsspektrum ihres Praxisteams passgenau aufbauen und ihr Versorgungsspektrum gezielt auf die spezifischen Bedarfe ihrer Region ausrichten“, betonte Prof. Wolfgang Hoffmann. „Die Erfahrungen von Modellprojekten wie AGnES in der Praxis haben überzeugend belegt, dass speziell qualifizierte, nichtärztliche Fachkräfte maßgeblich zur Sicherung und Verbesserung der medizinisch-pflegerischen Versorgung beitragen können und, dass durch flexible Weiterqualifizierungsoptionen nicht nur die Kooperation, sondern auch die Attraktivität der jeweiligen Berufe verbessert werden kann.“

 

Anmerkung

 

 


 

Quelle: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 05.02.2013 (tB).

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