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Erholsamer Schlaf:
Eine Vision?
München (10. Juni 2008) – Ein guter Nachtschlaf ist eine physiologische Notwendigkeit. Er dient der physischen und psychischen Erholung und soll den Organismus fit für den nächsten Tag machen. Schlafstörungen sind ein häufiger und gravierender Grund für eine erhöhte Morbidität [1, 2]. Sie verschlechtern die Lebensqualität und verursachen darüber hinaus immense direkte und indirekte Folgekosten. In Deutschland muss von etwa 8 Millionen Patienten mit dem Symptom „nicht erholsamer Schlaf" ausgegangen werden. Dies stellt ein erhebliches gesamtgesellschaftliches und gesundheitliches Problem dar. Schlafstörungen sollten wegen ihrer weitreichenden Konsequenzen rechtzeitig und konsequent behandelt werden. Nicht die Schlafdauer, sondern die Schlafqualität entscheidet, ob der Schlaf subjektiv als erholsam empfunden wird. Ein wichtiges Kriterium für erholsamen Schlaf ist eine gesunde Schlafarchitektur.
Nachdem Schlaf in den letzten Jahrzehnten zunehmend als ein aktiver Prozess verstanden wurde, der durch das Zusammenwirken homöostatischer und zirkadianer Systeme geregelt ist, setzt ein neues Verständnis gestörten Schlafs ein. Ein international verbindliches Klassifikationssystem wurde entwickelt, das es erlaubt, unterschiedliche Schlafstörungen zuverlässig zu diagnostizieren. Traditionell wurden Schlafstörungen nach dem Hauptsymptom in die drei Kategoriien Insomnie (Ein- und Durchschlafstörungen), Hypersomnie (übermäßige Schläfrigkeit) und Parasomnie (schlafbegleitende motorische und/oder autonom nervale Phänomene) eingeteilt. Mit der seit 1997 revidierten Version der Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen (ICSD) wurde erstmals eine pathogenetisch orientierte Klassifikation vorgenommen. Die aktuelle Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) geht heute therapiezielorientiert vor und berücksichtigt die vielschichtige Problematik von subjektiven Beschwerden und Symptomen sowie von schlafmedizinischer Diagnostik und Therapie [1]. Dabei rückte das Hauptsymptom „nicht erholsamer Schlaf" als gemeinsame Ursache aller Schlafstörungen und Störungen der circadianen Rhythmik in den Vordergrund.
Der Begriff „nicht erholsamer Schlaf“ erlaubt eine Überwindung alter Einteilungsschemata in Insomnie bzw. Hypersomnie. Denn es gibt Krankheitsentitäten, die sich sowohl in Insomnie als auch in Hypersomnie oder in beidem gleichzeitig manifestieren. „Nicht erholsamer Schlaf“, der Insomnien zugrunde liegt, kann zu Tagesmüdigkeit sowie physischen und psychischen Folgerkrankungen führen. Ebenso kann ein nicht erholsamer Schlaf, der einer Hypersomnie zugrunde liegt, die soziale oder berufliche Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Betroffenen beeinträchtigen.
Konsequenzen des nicht erholsamen Schlafs
Erholsamer Schlaf ist ein aktiver Prozess, der unter anderem zu körperlicher und geistiger Regeneration führt. Er verbessert das psychische und physische Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit am Tage. Die Relevanz eines erholsamen Schlafs zeigt sich auch an einer kompensatorischen Zunahme des Schlafs nach einer Schlafdeprivation. Ein chronischer Schlafentzug über zwei bis drei Wochen war in tierexperimentellen Untersuchungen sogar mit einer erhöhten Letalität assoziiert [3]. Erholsamer Schlaf ist demnach eine wesentliche Grundlage für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Unabhängig von der Ursache führt nicht erholsamer Schlaf mittel- und langfristig zu körperlichen und psychischen Problemen: kardiovaskuläre und metabolische Störungen, Gewichtszunahme, Verdauungsstörungen, Magenbeschwerden, Konzentrationsstörungen, vorzeitige Ermüdbarkeit und Depressionsanfälligkeit. Die Lebens-Qualität und Leistungsfähigkeit der Betroffenen sind erheblich beeinträchtigt [2].
Nicht die Dauer, sondern die Qualität des Schlafs ist entscheidend
Eine gestörte Tagesbefindlichkeit und eine verminderte Tagesfunktionalität sind diagnostische Schlüsselkriterien. Dabei ist es weniger die Schlafdauer als vielmehr die Schlafqualität, die für den Erholungswert des Schlafs und damit für das Wohlbefinden am nächsten Tage verantwortlich ist. Schlafstörungen beeinträchtigen die Qualität des Schlafs erheblich. Eine schlechte Schlafqualität wiederum interferiert mit der sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen bei Tage. Nach Auffassung von Schlafmedizinern zeichnet sich ein erholsamer Schlaf demnach durch Qualität und Zeitpunkt des Schlafes aus. Oberstes Therapieziel bei nicht erholsamem Schlaf ist somit die Verbesserung der Schlafqualität, um eine optimale Tagesfunktionalität wiederzuerlangen [1, 2].
Was zeichnet qualitativ hochwertigen Schlaf aus?
Der Schlafablauf eines gesunden Erwachsenen folgt einer bestimmten Schlafarchitektur, dem zeitlich geordneten, zyklischen Wechsel von REM (Rapid Eye Movements)- und Non-REM-Phasen. Pro Nacht werden etwa fünf bis sieben Schlafzyklen von je 90 bis 110 Minuten durchlaufen [4]. Traumschlafphasen finden während des REM-Schlafes statt. Der Non-REM-Schlaf wird unterteilt in Leichtschlafphasen (Stadium I und II) und Tiefschlafphasen (Stadium III und IV). Dem Tiefschlaf wird allgemein die größte Bedeutung für die körperliche Erholung zugesprochen.
Fünf Minuten nach dem Einschlafen tritt die erste Leichtschlafphase ein und wird sukzessive gefolgt von den übrigen Non-REM-Schlafphasen. Die Augenbewegungen werden ruhiger, der Muskeltonus signalisiert tiefe Entspannung, der Blutdruck fällt ab, Atmung und Herzschlag werden langsamer. Die Weckschwelle nimmt beim sukzessiven Durchlaufen der Leichtschlafphasen I bis II hin zu den Tiefschlafphasen III und IV stetig zu. Die Körperfunktionen sind insgesamt auf Regeneration eingestellt. Etwa 70 bis 90 Minuten nach dem Einschlafen läuft die erste REM-Phase ab. Während des REM-Schlafs sind die Skelett-Muskeln mit Ausnahme der Augenmuskulatur maximal relaxiert, das Gehirn ist sehr aktiv. In den REM-Schlafphasen erfolgt die langfristige Konsolidierung von Gedächtnisinhalten. Die Dauer der REM-Schlafepisoden nimmt mit jedem weiteren Schlafzyklus zu, die Tiefschlafphasen werden dagegen im Verlauf der Nacht kürzer.
Ein erholsamer und damit qualitativ hochwertiger Schlaf erfordert bestimmte Anteile des REM-Schlafs und der Tiefschlafphasen III und IV am Gesamtschlaf. So sollten Tiefschlaf und Traumschlaf je einen Anteil von 20 bis 25 Prozent am Gesamtschlaf haben [3]. Genau dieses physiologische Verhältnis ist jedoch bei sehr vielen Schlafstörungen dahin gehend verschoben, dass der Leichtschlafanteil erhöht ist, und ein fragmentierterer Schlaf vorliegt. Daraus resultiert eine fehlende körperliche und geistige Erholung mit entsprechender Einschränkung am Tag.
Schlafstörungen: warum, wann und wie behandeln?
Nicht erholsamer Schlaf belastet breite Bevölkerungsanteile, wie z. B. im Rahmen einer großen telefonischen Erhebung in sieben europäischen Ländern deutlich wurde: 25.580 Personen wurden dabei telefonisch zu Ihrem Schlafverhalten befragt [5]. Die Prävalenz von nicht erholsamem Schlaf betrug in der Gesamtpopulation 10,8 Prozent, in Deutschland sogar 15,5 Prozent. Frauen waren häufiger betroffen als Männer [5]. Im Hinblick auf die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von nicht erholsamem Schlaf sind sich die Schlafmediziner in ihrer Empfehlung einig, chronische Schlafstörungen als ernstzunehmende Erkrankung früh und gründlich zu behandeln. Wenn die Möglichkeiten der nicht-medikamentösen Behandlung (verhaltenstherapeutische Techniken, Schlafhygiene, Entspannungsverfahren und Verhaltenstherapie) ausgeschöpft sind, sollte nach den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien nicht mehr lange mit dem Einsatz einer adäquaten Pharmakotherapie gezögert werden [1]. Nur so können eine Chronifizierung und das Auftreten von psychischen und physischen Folgeerkrankungen vermieden werden. Eine Behandlungsbedürftigkeit besteht insbesondere dann, wenn außer dem gestörten Nachtschlaf auch eine Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit vorliegt.
Bisherige Medikation lässt Wünsche offen
Die medikamentöse Therapie beschränkt sich bisher im Wesentlichen auf Benzodiazepine und Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten (Z-Substanzen), wie Zolpidem, Zaleplon, Zopiclon und Eszopliclon (letzteres ist in Deutschland noch nicht zugelassen) [6]. Benzodiazepine verlängern zwar die Schlafdauer, es liegen bisher jedoch keine systematischen Untersuchungen zur Verbesserung der Schlafqualität und der Tagesfunktionalität vor. Stattdessen beeinträchtigen sie die natürliche Schlafarchitektur: Benzodiazepine und einige Z-Substanzen führen zu einer Verminderung des Tiefschlafs und des REM-Schlafes [7]. Als problematisch wird auch das Nebenwirkungsspektrum der Benzodiazepine angesehen: Einige wirken muskelrelaxierend und bergen dadurch unter anderem ein hohes Sturzrisiko – eine große Gefahr insbesondere für ältere Menschen. Je nach Wirkdauer kann es unter Benzodiazepinen am nächsten Tag zu Hang-over-Effekten mit einer Beeinträchtigung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie des Reaktionsvermögens mit entsprechendem Unfallrisiko kommen. Bei zu schnellem Absetzen der Benzodiazepine können Rebound-Insomnien auftreten. Außerdem kann ein abruptes Absetzen zu Entzugssymptomen führen, wie Angstzuständen, Zittern, Alpträumen und Unruhezuständen. Bei Benzodiazepinen ist mit einer Toleranzentwicklung nach zwei bis vier Wochen zu rechnen. Wegen dieser Wirkungsabschwächung wird häufig eine Dosissteigerung vorgenommen. Auch durch die Entwicklung der Z-Substanzen konnten diese Probleme nicht völlig behoben werden.
Ausblick
Mit den bisherigen medikamentösen Optionen scheint also eine Verbesserung der Schlafqualität bei gleichzeitiger Verbesserung der Tagesbefindlichkeit und Tagesfunktionalität nicht möglich. In Anbetracht der hohen Prävalenz an Schlafstörungen besteht somit ein ausgeprägter Bedarf an neuen, besser verträglichen und sicheren Medikamenten zur Wiederherstellung eines erholsamen und erfrischenden Schlafs. Das Ziel für die Zukunft ist es, die ultradiane Schlafrhythmik, also die Non-REM-REM-Schlafzyklen, und das Schlaf-Wach-Regulationssystem gezielt zu stabilisieren, ohne dass es zu Hang-over-Effekten, Toleranz und Abhängigkeit kommt.
Quellen
[1] www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll-na/063-001.htm
[2] Hajak G, Rüther E. Schlafstörungen. In: Psychiatrie & Psychotherapie. 2. Auflage [Hrsg.: Möller HJ, Laux G, Kapfhammer HP), Springer 2002; 1493-1518
[3] Rechtschaffen A, Siegel J. Sleep and dreaming. In: Principles of neuroscience. Fourth Edition. Kandel ER, Schwartz JH, Jessell TM (eds.), McGraw-Hill Companies, Inc. USA 2000; 936-947
[4] Bae CJ, Foldvary-Schaefer N. Normal human sleep. In: Clinical Sleep disorders. Carney RR, Berry RB, Geyer JD (eds), Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, USA, 2005; 29-37
[5] Ohayon MM. Prevalence and correlates of nonrestorative sleep complaints. Arch Intern Med 2005; 165: 35-41
[6] Lieberman JA. Update on the safety considerations in the management of insomnia with hypnotics: incorporating modified-release formulations into primary care. Prim Care Companion J Clin Psychiatry 2007; 9: 25-31
[7] Benkert O, Hippius H. Kompendium der psychiatrischen Therapie. 5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Verlag Heidelberg 2005