Ist der HbA1 c‑Wert als Surrogat‑Parameter für kardiovaskuläre Risiken ausreichend?

 

Von Prof. Dr. med. habil. Markolf Hanefeld

 

München (30. April 2008) – Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der DCCT‑Studie bei Typ-l-Diabetikern ‑ die eine enge Beziehung der Qualität der Diabeteseinstellung zu diabetesbezogenen Komplikationen wie Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie erkennen ließen ‑ gilt der HbA1c-Wert als Goldstandard der Diabeteskontrolle. Die Ergebnisse der UKPDS und andere Studien haben gezeigt, dass dies nur bedingt für das kardiovaskuläre Risiko gilt. Ein Grund dafür ist die mangelnde Vergleichbarkeit der jeweiligen HbA1c-Werte wegen fehlender internationaler Standardisierung. Deshalb gibt es zurzeit Bemühungen eine spezifischere, international standardisierte Methode zur Messung des HbA1c-Wertes zu etablieren. Die neue Methode soll die durchschnittliche glykämische Last besser bemessen. Die Qualität der Glukosehomöostase wird sowohl durch die eingeführte, als auch die neue, aufwendige und teure Methode nur unzureichend erfasst. Für die Endothelfunktion und den Schutz der insulinproduzierenden Pankreasinseln ist aber eine normale Einstellung der Glukotrias ‑ Nüchternblutzucker, postprandialer Blutzuckeranstieg und Fluktuationen des Blutzuckers ‑ essentiell. Die IDF ( www.idf.org ) veröffentlichte 2006 erstmalig Richtlinien zu „Postmeal Glucose Management".

 

Diese Richtlinien weisen anhand konsistenter Daten aus prospektiven Studien mit Endpunkten nach, dass die postprandiale Hyperglykämie ein eigenständiger kardiovaskulärer Risikofaktor ist, der kontrolliert und gezielt behandelt werden muss. Bei HbA1c-Werten unter 7 % ist deren Varianz zu >70 % durch die postprandiale Glukoseexkursion bestimmt. Wie Monnier et al. nachweisen konnten, erfolgt die chronische Progression des Diabetes zunächst über einen Anstieg der morgendlichen postprandialen Hyperglykämie bei noch „normalen (?)“ HbA1cWerten. Auch zwischen Blutzuckerinkrement, Endothelfunktion und Dicke der Intima media besteht ein hochsignifikanter Zusammenhang, wie die Daten der RIAD‑Studie zeigen.

 

Die Richtlinien der IDF empfehlen deshalb folgende Zielwerte für eine optimale Diabeteskontrolle: HbA1c <6,5%, nüchtern (premeal) Blutglukose <5,5 mmol/I (<100 mg/dl) und zwei Stunden nach Beginn des Essens <7,8 mmol/I (<140 mg/dl).

 

Auch bei Typ-2-Diabetikern, die auf orale Antidiabetika eingestellt sind, sollten Kurzprofile mit Kontrolle der postprandialen Glukosewerte nach den drei Hauptmahlzeiten erstellt werden. Dabei hat sich der 2‑Stunden‑Wert als Zeitpunkt mit der besten Evidenz für kardiovaskuläres Risiko durchgesetzt. Da das individuelle Blutzuckerprofil sehr stabil ist, nur die Höhenlage schwankt stärker, genügt in den meisten Fällen der mit OAD behandelten Patienten ein Kurzprofil pro Woche, bei diätetisch geführten Patienten ein bis zwei Kurzprofile pro Monat. Das kardiovaskuläre Risiko durch Dysglykämie entwickelt sich entlang eines Kontinuums bis in den Normalbereich, hinzu kommt das Ausmaß der Fluktuationen. Die Dysglykämie ist das Cholesterin des 21. Jahrhunderts. Die umfassende Normalisierung der Glukosehomöostase ist deshalb die aktuelle Aufgabe der modernen Diabetestherapie.


Quelle: Accu-Chek Lunchsymposium der Firma Roche zum Thema „Potenziale und klinische Relevanz einer strukturierten Blutzuckermessung“, anlässlich der 43. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft am 30.04.08 in München (fischerAppelt Kommunikation).

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