Kaffee gegen Parkinson?

 

Göttingen (17. März 2016) – Wissenschaftler des Exzellenzclusters CNMPB an der Universitätsmedizin Göttingen und des Instituts für Molekulare Medizin in Lissabon, Portugal, beschreiben schützenden Effekt von Coffein-ähnlichen Substanzen auf Nervenzellen im Parkinson Modell. Publiziert in der Fachzeitschrift „Cerebral Cortex“. Aktuelle Therapien bei Morbus Parkinson konzentrieren sich aus-schließlich auf die Linderung der Symptome, wie die für diese Erkrankung typischen motorischen Begleiterscheinungen. Eine ursächliche Behandlungsmethode gibt es nach wie vor nicht. Auffällig kurze Schritte, schlurfender Gang, erstarrte Mimik oder Zittern der Hände machen die Parkinson Krankheit in einem frühen Stadium sichtbar.


Ursächlich für diese Symptome ist das Absterben Dopamin-produzierender Nervenzellen in einer speziellen Region des Mittelhirns, der Substantia nigra. Mit fortschreitender Erkrankung treten jedoch häufig auch kognitive Defizite und Demenzen auf. Neuere Studien belegen, dass dies auf das Absterben von Nervenzellen in anderen Hirnregionen zurückzuführen ist. Besondere Hoffnung liegt daher in der Entwicklung geeigneter Therapieansätze, die unbeschädigte Nervenzellen schützen oder die Regeneration von Nervenzellen fördern.

Wissenschaftler des Göttinger Exzellenzclusters und des DFG-Forschungszentrums für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) legen nun in Kooperation mit Kollegen vom Institut für Molekulare Medizin (IMM) in Lissabon neue Belege dafür vor, dass Coffein und Coffein-ähnliche Substanzen eine schützende Wirkung auf Nervenzellen im Parkinson Modell haben Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Cerebral Cortex“ veröffentlicht. Die Erkenntnisse der Forscher eröffnen neue Einblicke in die grundlegenden Mechanismen der Parkinson Erkrankung, insbesondere derjenigen Mechanismen die mit der Entwicklung von Erinnerungs- und kognitiven Defiziten in Verbindung stehen.


Originalpublikation

 

  • Ferreira DG, Batalha VL, Miranda HV, Coehlo JE, Gomes R, Goncalves FQ, Real JI, Rino J, Albino-Teixeira A, Cunha RA, Outeiro TF, Lopes LV (2015) Adenosine A2A Receptors Modulate a-Synuclein Aggregation and Toxicity. CEREB CORTEX, 2015 Nov 2. Epub. doi: 10.1093/cercor/bhv268.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN


Besonders charakteristisch für die Parkinson Krankheit ist die pathologische Ansammlung von Aggregaten des alpha-Synuklein Proteins (α-Synuklein) in Nervenzellen im Gehirn. Diese als Lewy-Körperchen bezeichneten Ablagerungen gehen aus kleineren Vorstufen, den a-Synuklein-Oligomeren, hervor, die stark toxisch auf Nervenzellen wirken. Lewy-Körperchen finden sich in Dopamin-produzierenden Nervenzellen der Gehirnregion, die für motorische Fähigkeiten (Bewegung) zuständig ist, sowie in Hirnregionen, die mit dem Erinnerungsvermögen in Verbindung stehen. Daher wird ein Zusammenhang zwischen der Aggregat-Bildung und den in späteren Krankheitsstadien häufiger auftretenden kognitiven Defiziten bzw. Demenzen bei an Parkinson Erkrankten vermutet.

Für die Behandlung von motorischen und nicht-motorischen Begleiterscheinungen der Parkinson Erkrankung haben sich Adenosin A2A Rezeptoren immer mehr zu einem attraktiven Ziel entwickelt. Erst kürzlich veröffentlichte Studien schreiben Coffein und Coffein-ähnlichen Substanzen einen schützenden Effekt auf Nervenzellen zu. Demnach hängt diese sogenannte „neuroprotektive“ Wirkung eng damit zusammen, dass Coffein und verwandte Substanzen den Aktivitätszustands von Adenosin A2A Rezeptoren im Gehirn verändern. Wie genau Coffein und verwandte Substanzen ihre neuroprotektive Wirkung entfalten, war jedoch bisher unklar.


FORSCHUNGSERGEBNISSE IM DETAIL

Das Forscherteam um Prof. Dr. Tiago F. Outeiro, Leiter der Abteilung Neurodegeneration und Restaurationsforschung an der Universitätsmedizin Göttingen, setzt genau an diesem Punkt mit seinen Untersuchungen an. Dass Coffein und Coffein-ähnliche Substanzen an Adenosin A2A Rezeptoren binden und sie blockieren, war bekannt. Die Wissenschaftler untersuchten die Adenosin A2A Rezeptor-abhängige Wirkung von Coffein und verwandten Substanzen auf die durch α-Synuklein verur-sachte Aggregatbildung und Toxizität genauer.


DANK COFFEIN STERBEN DEUTLICH WENIGER NERVENZELLEN

Tatsächlich setzte Coffein die Sterblichkeitsrate von Nervenzellen, die einer großen Mengen an α-Synuklein ausgesetzt waren, deutlich herab. „Wir konnten zeigen, dass Moleküle wie Coffein, die den Adenosin A2A Rezeptor im Gehirn ausschalten, tatsächlich auch die Toxizität von α-Synuklein beeinträchtigen”, sagt Prof. Luísa V. Lopes vom IMM, Senior-Autorin der Publikation. Keinen Einfluss zeigte die Blockierung von Adenosin A2A Rezeptoren auf die Bildung der toxisch wirkenden Vorstufen von α-Synuklein, den primären α-Synuklein-Oligomeren. Die Anzahl an Zellen, in denen sich α-Synuklein-Aggregate angereichert hatten, war deutlich gesenkt. „Coffein und Coffein-ähnliche Substanzen kontrollieren also offenbar die späteren Stadien der α-Synuklein-Aggregation und verhindern dadurch die Ausbildung einer synaptischen Neurotoxizität, die letztlich auch Degenerationsprozessen entgegen wirkt, die motorische und nicht-motorische Symptome der Parkinson Erkrankung verursachen können“, sagt Prof. Dr. Tiago F. Outeiro, ebenfalls Senior-Autor der Publikation.

Epidemiologische Studien bestätigen, dass moderater Kaffeekonsum das Risiko an Morbus Parkinson zu erkranken herab setzen kann. Tatsächlich wird Coffein bereits in klinischen Studien auf seine Tauglichkeit als symptomatisches Therapeutikum bei Parkinson getestet. „Kaffee hat mittlerweile den Status eines Grundnahrungsmittels erreicht, das macht diese Verbindung besonders interessant. Natürlich ist ein erhöhter Kaffeekonsum dennoch kein geeigneter Therapieansatz”, sagt Prof. Luísa V. Lopes vom IMM Lissabon. „Wir hoffen allerdings, dass wir mit unserem Wissen weitere Coffein-ähnliche Moleküle identifizieren können, die alle positiven Effekte vereinen, und möglichst wenige unerwünschte und potentiell gefährliche Nebeneffekte aufweisen”, sagt Prof. Outeiro. Adenosin A2A Rezeptoren zählen somit zu den wichtigen Zielen für die Entwicklung effektiver Therapeutika bei der Behandlung von Parkinson und verwandter Aggregaterkrankungen.

Prof. Dr. Tiago F. Outeiro ist Leiter der Abteilung Neurodegeneration und Restaurationsforschung an der Universitätsmedizin Göttingen. Zudem ist er Mitglied des Göttingen Exzellenzclusters und DFG-Forschungszentrums für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB). Seine Forschungsarbeit konzentriert sich auf die Entschlüsselung der grundlegenden molekularen Mechanismen, die neurodegenerative Prozesse in Krankheiten, wie der Parkinson, Huntington oder der Alzheimer Erkrankung eine Rolle spielen.


WEITERE INFORMATIONEN

 

 

 


Quelle: Universitätsmedizin Göttingen – Georg-August-Universität, 17.03.2016 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…