Neue Daten zu Tysabri® und Avonex® belegen anhaltende Wirksamkeit

 

Berlin (23. September 2008) ‑ Neue Daten belegen, dass Tysabri® (Natalizumab) die Krankheitsaktivität der Multiplen Sklerose modulieren kann. Sie wurden beim World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis vom 17. bis 20. September in Montreal (Kanada) vorgestellt. Langzeitdaten zu Avonex® (Interferon beta-1a) belegen eine bis zu 15 Jahre anhaltende Wirksamkeit, die sich auch für die Lebensqualität der Patienten günstig auswirkt. Biogen-Idec hat darüber hinaus verschiedene Substanzen zur Behandlung der MS in der klinischen Entwicklung, die auf eine weitere Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten hoffen lassen.

 

Die völlige Beseitigung der Krankheitsaktivität, die „Freedom of disease activity" sei oberstes Ziel der Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose (MS), so Prof. Howard Rossmann (1), Detroit (Michigan). Die Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab sei ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. In der für die Zulassung entscheidenden Phase-III-Studie (2) vs. Plazebo konnte für Tysabri eine sehr gute Wirksamkeit gezeigt werden. Die jährliche Schubrate sank um 68 Prozent, bei Patienten mit hoch aktiver Erkrankung sogar um 81 Prozent. Tysabrio reduzierte das Risiko für eine anhaltende Behinderungsprogression um 54 Prozent, bei den schwerer kranken Patienten um 64 Prozent. Die Anzahl der Gd+ -Läsionen sank um 92 Prozent. In einer Post-hoc-Auswertung der AFFIRM-Studie zeigten E. Havrodova et al. (3), dass die Behandlung mit Tysabri dazu führte, dass nach zwei Jahren noch 36,7 Prozent der Patienten klinisch und im MRT (Gd+ und T2-Läsionen) frei von jeder Krankheitsaktivität waren; in der Placebogruppe waren es 7,2 Prozent. Weil die Schubrate bei Patienten der AFFIRM- und SENTINEL-Studie, bei denen noch Gd+ -Läsionen nachweisbar waren, ebenfalls signifikant verringert wurde, schlussfolgerten D. Bates et al. (4), dass Tysabri die klinische Krankheitsaktivität sogar bei dieser Patientengruppe modulieren kann.

 

Programme zur Überwachung der Verträglichkeit

Bis Ende Juni 2008 wurden weltweit etwa 43.300 Patienten mit Tysabri behandelt, und zwar rund 13.900 über mindestens 1 Jahr und 6.600 über mindestens 18 Monate. Weltweit erhalten derzeit mehr als 31.800 Patienten den Antikörper (5). In den USA werden alle Patienten im TOUCH™-Programm (Tysabri outreach: unified commitment to health) eingeschlossen, um die Anwendung und Verträglichkeit zu erfassen. Darüber hinaus wird in TYGRIS (Tysabri global Observation program in safety), einer weltweiten Beobachtungsstudie, die Langzeitverträglichkeit in der klinischen Praxis erfasst (5,6). STRATA (Safety of Tysabri redosing and treatment) ist eine offene, multinationale, derzeit noch laufende Studie, in der die Langzeitverträglichkeit bei Patienten aus anderen Tysabri-Studien (AFFIRM, SENTINEL, GLANCE) über vier Jahre weiter beobachtet wird. Derzeit vorliegende Daten geben keinen Hinweis auf schwere Nebenwirkungen über die schon bekannten hinaus (7).

 

Zwei im Juli 2008 in Europa aufgetretene Fälle von progressiver multifokaler Leu­kenzephalopathie (PML) wurden im Rahmen des Kongresses intensiv diskutiert. Prof. Ralf Golds, Bochum, stellte den Fall eines 52jährigen Patienten vor. Einig­keit herrschte darüber, dass der Nutzen von Tysabri die Risiken nach den derzeiti­gen Kenntnissen bei Weitem überwiege. Rossman und Gold betonten jedoch, dass weiterhin eine erhöhte Sorgfalt bei der Anwendung von Tysabri wichtig sei und dass bei Patienten regelmäßig neu auftretende Symptome oder Verschlechterung der Krankheitssymptome kontrolliert werden müssen. Kann eine PML nicht ausge­schlossen werden, sind umgehend weitere diagnostische Schritte einzuleiten.

 

Avonex: Lang anhaltende Wirksamkeit nachgewiesen

Prof. Heinz Wiendl (1), Würzburg, wies auf die Bedeutung der früh einsetzenden Behandlung hin: „Die frühe Therapie kann den natürlichen Verlauf der MS verlang­samen". Der Nutzen der frühen Therapie kann auch mit später einsetzender Be­handlung nicht mehr aufgeholt werden. Avonex (Interferon beta-1 a i.m.) verringert nachweislich die Behinderungsprogression und die Schubrate, es verbessert die Lebensqualität der Patienten. Und diese Wirkungen bleiben über lange Zeit erhalten, wie die von R. A. Bermel et al. (9) vorgestellten Daten der ASSURANCE-Studie (As­sessment of drug utilization, early treatment and clinical outcome) zeigen. In dieser offenen Beobachtungsstudie wurden 136 Patienten, die in der MSCRG-Studie (Mul­tiple Sclerosis Collaborative Research Group) mindestens zwei Jahre behandelt wurden, bis zu 15 Jahre weiter verfolgt. Bei den derzeitigen Avonex-Anwendern (46 Prozent), die im Median 13,3 Jahre behandelt wurden, ergab sich im Vergleich zu den Patienten, die kein Avonex erhielten, folgendes: signifikant niedrigere EDSS­Scores und signifikant geringere Progression zu EDSS ≥ 4, ≥ 6 und 7, signifikant bessere Lebensqualität, größere Unabhängigkeit bei der Selbstversorgung und häu­figer unabhängige Lebensgestaltung.

 

Biogen-Idec: Gut gefüllte Pipeline

Die MS ist ‑ so Prof. Bruce Trappt (10), Cleveland (Ohio, USA) ‑ eine immunver­mittelte und eine neurodegenerative Erkrankung, bei der entzündliche Vorgänge eine große Rolle spielen. Wie Prof. Wolfgang Brück (11), Göttingen, betonte, ist jedoch nach neueren Daten die Neurodegeneration ein primäres Ereignis, das unabhängig von Entzündungsvorgängen abläuft. Dies wäre ein Angriffspunkt für neue Therapie­prinzipien.

 

BG00012: Ein weiteres Ziel der Forschung ist die Entwicklung oraler Substanzen, mit denen die Behandlung vereinfacht werden kann. Mit BG00012 (Dimethylfumarat) befindet sich eine in der Behandlung der Psoriasis lange bekannte Substanz in Pha­se-III-Studien bei der MS, die möglicherweise über antiinflammatorische und zytoprotektive Eigenschaften verfügt. In einer placebokontrollieren, randomisierten Phase‑Il­-Studie, die in Kürze im Lancet publiziert wird, konnten L. Kappos et al. zeigen, dass BG00012 (3 x täglich 240 mg) die Zahl neuer Gd+ -Läsionen von Woche 12 bis 24 um 69 Prozent, neuer oder sich vergrößernder T2-Läsionen um 48 Prozent und neu­er T1-Läsionen („black holes") um 53 Prozent verringerte. Eine Analyse von D. G. Mac Manus et al. (12) ergab, dass die Gabe von BG00012 die Konversion neuer Gd+ -­Läsionen in T1-hypointense Läsionen signifikant reduzierte, was auf eine neuropro­tektive Wirkung hinweist. Die Verträglichkeit von BG00012 ist gut, so Prof. Amit Bar-Or (10), Montreal. Am häufigsten sind Flush und gastrointestinale Störungen, die aber im Verlauf der Therapie nachlassen. In zwei Phase-III-Studien (DEFINE ‑ De­termination of the efficacy and safety of oral fumarate in relapse-remitting MS, und CONFIRM ‑ Comparator and an oral fumarate in relapsing‑remitting MS) wird Di­methylfumarat nun weiter untersucht (13).

 

Daclizumab: Der humanisierte monoklonale Anti‑CD25-Antikörper ist schon zur Im­munsuppression nach Transplantation zugelassen. In der CHOICE‑Studie konnte ‑ so Prof. Richard Rudick (10), Cleveland ‑ die Wirksamkeit einer Anti-CD25-­Strategie als Add‑on zu einer Interferon beta-Therapie bewiesen werden. In dieser ersten randomisierten, placebokontrollierten Studie konnte bei Patienten mit schub­förmiger MS durch eine 24wöchige Behandlung mit 2 mg/kg alle 2 Wochen die Zahl neuer oder vergrößerter Gd+ -Läsionen um 72 Prozent (p = 0,004) gesenkt werden. In der derzeit laufenden SELECT-Studie werden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Daclizumab in Monotherapie weiter untersucht.

 

CDP323 ist ein oral applizierbarer alpha-4-Integrin-Antagonist, der sich derzeit in Phase II der klinischen Prüfung befindet.

 

Anti‑LINGO‑1: Mit dem humanisierten Anti-Lingo-1-Antikörper hofft man, so Rudick, einen Wirkstoff zu haben, der die Remyelinisierung von Nervenfasern im ZNS nach einer Demyelinisierung fördert. LINGO ist ein strukturelles Membranprotein, das nur im ZNS exprimiert wird und als negativer Regulator bei der Myelinisierung von Oligodendrozyten fungiert. Anti-LINGO-1 ist noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadi­um.

 

 

Anmerkungen

(1) Satellitensymposium „Taking an MS ‑ targeting defined pathways", veranstaltet von Biogen Idec beim World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis, 18. September 2008, Mont­real, Kanada

(2) Poluran CH, O’Connor PW, Havrdova E, Hutchinson M, et al. A randomized, placebo-controlled trial of Natalizumab for relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med. 2006;354:899‑910.

(3) Havrdova E, Bates D, Galetta SL, Giovannoni G, et al. Natalizumab increases the proportion of dis­ease‑free patients in relapsing multiple sclerosis. World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster 62; Multiple Sclerosis 2008;14 (Suppl 1):S47.

(4) Bates D, Bartholome E, Pace A, Hyde R, et al. Effect of natalizumab an relapses in patients with relapsing MS who experience MRI activity during treatment. World Congress an Treatment and Re­search in Multiple Sclerosis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster B.

(5) Panzara MA, Baldinetti F, Belcher G, Bozic C, et al. Natalizumab utilization and safety in patients with relapsing MS: updated results from TOUCH TM and TYGRIS. World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster 488.

(6) Stange[ M, Soelberg‑Sorensen P, Petersen T, Vermersch P, et al. Natalizumab utilization and saftey in the TYGRIS program in the European Union and Canada. World Congress an Treatment and Re­search in Multiple Sclerosis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster 516.

(7) Polman CH Goodman AD, Kappos L, Lublin FD, et al. Safety and efficacy of natalizumab re-dosing and treatment in the STRATA study. World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclero­sis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster 494.

(8) Gold R. Treatment of PML unfolding during monotherapy with natalizumab. World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis, i9. September, 2008, Montreal, Kanada

(9) Bermel RA, Weinstock-Guttmann B, Bourdette D, Foulds P et al. Intramuscular Interferon beta-1a 15-year long-term follow-up study of patients with relapsing multiple sclerosis. World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster 14.

(10) Satellitensymposium „Discovering new pathways in MS", veranstaltet von Biogen Idec beim World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis, 19. September 2008, Montreal, Kanada

(11) Brück W. Evidence for primary neurodegeneration in MS. World Congress an Treatment and Re­search in Multiple Sclerosis, 18. September 2008, Montreal, Kanada

(12) MacManus DG, Miller DH, Kappos L, Gold R, et al. The effect of BG00012 an conversion of gadolin­ium-enhancing lesions to T1-hypointense lesions. World Congress an Treatment and Research in Multiple Sclerosis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster 459.

(13) Gold R, Kappos L, Miller DH, Havrdova E, et al. Safety profile of BG00012, an oral formulation of dimethylfumarate, for patients with relapsing MS. World Congress an Treatment and Research in Mul­tiple Sclerosis, 17. bis 20. September, 2008, Montreal, Kanada, Poster 50.

 


 

Quelle: Pressekonferenz der Firma Biogen Idec zum Thema “ECTRIMS 2008: Neues zur Wirksamkeit und Sicherheit der MS-Therapie mit Tysabri®” am 23.09.2008 in Berlin (Ogilvy).

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