OECD-Studie zur Entwicklung der Pflegekosten

„Help Wanted?“ Help Wanted!

  • Bundesverband Geriatrie e.V. verweist auf geprüfte Möglichkeiten der finanziellen Entlastung insbesondere der Pflegeversicherung sowie der Sozialhilfeträger und Kommunen durch fachspezifische geriatrische Versorgung und Rehabilitation
  • Pflegekassen sollten als Rehabilitationsträger agieren können

Berlin (6. Juli 2011) – Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Alarm geschlagen: Ende Mai veröffentlichte die Organisation eine Studie, laut der sich die Kosten für die Pflege älterer Menschen bis zum Jahr 2050 mindestens verdoppeln werden. Die Analyse „Help Wanted?“ geht für Deutschland von einem Anstieg der Pflegekosten von derzeit 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf bis zu 2,7 Prozent in den kommenden vierzig Jahren aus. Schon heute sei in der Bundesrepublik nahezu jeder dreißigste Mensch auf dauerhafte Pflege im Alter angewiesen. Im Jahr 2050 wird Deutschland zu knapp 15 Prozent von Menschen bewohnt sein, die älter sind als 80 Jahre. Die OECD-Experten bemängeln, dass viele Länder auf den zunehmenden Pflegebedarf nur mit „stückhaften Ausbesserungen“ reagierten statt in nachhaltige Strategien zu investieren und ein größeres Augenmerk auf eine gezielte Pflegepolitik zu legen. Konsequenz aus der absehbaren Kostenentwicklung: Der Eintritt in die Langzeitpflege muss verzögert und die Finanzierung insgesamt auf eine breitere und zukunftsorientiertere Basis gestellt werden.

Auf diese nun auch von der OECD prognostizierte Entwicklung und auf das aus einer fachspezifischen Rehabilitation älterer Menschen resultierende Einsparpotenzial für das deutsche Sozialsystem hat der Bundesverband Geriatrie e.V. bereits wiederholt hingewiesen. „Die zukünftige Versorgung von älteren Menschen mit einem geriatrischen Behandlungsbedarf ist eine gemeinsame Aufgabe für Politik, Kostenträger und Leistungserbringer. Heute bereits müssen Weichen gestellt werden, wie in den nächsten fünf bis zehn Jahren dem demografischen Wandel und den damit verbundenen Anforderungen an das Gesundheitssystem begegnet werden soll“, heißt es in dem vom Bundesverband Geriatrie e.V. im vergangenen Jahr vorgelegten „Weißbuch Geriatrie“. „Der Geriatrie wird hierbei eine zukünftig wichtigere Rolle zuteil.“ Durch eine möglichst optimale Wiedereingliederung in das häusliche Umfeld reduzieren sich Ausgaben der Pflegeversicherung sowie der Sozialhilfeträger, so dass es gesamtgesellschaftlich zu deutlichen Einsparungen und damit zu entsprechenden Entlastungen kommt.

Vor allem die Verzögerung der Pflegebedürftigkeit bietet nach Einschätzung des Bundesverbands enorme Möglichkeiten der finanziellen Entlastung insbesondere der Pflegeversicherung, sowie nicht zuletzt der Kommunen, die durch Transferleistungen – wie Pflegegeld und andere Teile der Sozialhilfe – oder Heimunterbringung zunehmend in die Versorgung älterer, pflegebedürftiger Patienten finanziell mit einbezogen werden. So belegen von Gutachtern aufgestellte Modellrechnungen, dass bei fachspezifischer geriatrischer Behandlung die Einsparungen in der Pflegeversicherung weit über den direkten Kosten der geriatrischen Behandlung liegen. Ein Beispiel: Unterstellt man eine Verhinderung der Pflegebedürftigkeit bei 10 % der im Jahr 2007 in der stationären Geriatrie behandelten Patienten und gleichzeitig eine Minderung der Pflegebedürftigkeit um eine Pflegestufe bei weiteren 10 % der Patienten für den Zeitraum von einem Jahr, ergibt sich eine rechnerische Einsparung der Pflegekosten von rund 455 Millionen Euro für diesen Zeitraum. Dem steht eine durchschnittliche Ausgabengröße von rund 293 Millionen Euro für die stationäre geriatrische Behandlung dieser Patienten in einer Akut- oder Rehabilitationsklinik gegenüber. Damit könnten in einem Jahr der verhinderten bzw. verminderten Pflegebedürftigkeit rund 319 Millionen Euro bei der betrachteten Patientengruppe eingespart werden.

In einer Break-Even-Punkt-Betrachtung amortisiert sich die erfolgreiche geriatrische Behandlung im Falle einer verhinderten/geminderten Pflegebedürftigkeit in einem Zeitraum von 6,4 Monaten. Kann durch die geriatrische Behandlung die Pflegebedürftigkeit der Patienten über einen längeren Zeitraum verhindert oder gemindert werden, potenzieren sich über die Zeit die geschätzten Wirtschaftlichkeitspotenziale. (Die skizzierten Überlegungen beruhen dabei auf dem Status Quo der Inanspruchnahme stationärer geriatrischer Leistungen des Jahres 2007. Der demografisch bedingte Anstieg des potenziellen Pflegebedarfs ist dabei nicht berücksichtigt.)

Notwendig ist dabei, die Kostenträger als Partner der geriatrischen Einrichtungen aktiv in die Weiterentwicklung der geriatrischen Behandlung einzubinden. Hierzu gehört neben der Beteiligung an der inhaltlichen Konzeptionierung auch die Bereitschaft, den leistungserbringenden Institutionen eine der erwarteten Versorgungsqualität angemessene Vergütung zu gewähren, die den langfristigen Bestand des Leistungsangebotes sichert.

In diesem Sinne sollte auch den Pflegekassen ermöglicht werden, ebenfalls als Rehabilitationsträger agieren zu können. Ein dem Aufwand gegenüberstehender „Gewinn“ kann langfristig zum Erhalt von hohem Versorgungsstandard und hoher Versorgungsqualität beitragen. Erst auf diesem Wege lässt sich eine direkte sozialrechtliche Verantwortung zur Umsetzung des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pflege“ herstellen. Gerade angesichts der laufenden Debatte um die Pflegereform und weiterer gesetzgeberischer Vorhaben sind die politischen Institutionen gefordert, ordnungspolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, die insbesondere sozialrechtlich den Ausbau intersektoraler bzw. budgetübergreifender geriatrischer Behandlungsmodelle ermöglichen und die Grundlage für eine solide Finanzierung dieser Leistungen schaffen.

Weitere Informationen: www.bv-geriatrie.de


Quelle: Bundesverband Geriatrie e.V., 06.07.2011 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…