Vergleich unterschiedlicher Therapieregime macht eindeutige Zurückführung der Wirkung auf den Wirkstoff unmöglich

Empagliflozin bei Typ-2-Diabetes: Zusatznutzen nicht belegt

 

Köln (17. November 2014) – Empagliflozin (Handelsname Jardiance) ist seit Mai 2014 für Erwachsene zugelassen, die an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind und bei denen eine Ernährungsumstellung und Bewegung zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreichen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat in einer Dossierbewertung überprüft, ob der Wirkstoff bei diesen Patientengruppen gegenüber den zweckmäßigen Vergleichstherapien einen Zusatznutzen bietet.


Ein solcher Zusatznutzen ist demnach nicht belegt: Für vier von fünf Fragestellungen hat der Hersteller in seinem Dossier keine relevanten Daten vorgelegt. Für die fünfte Fragestellung legt er zum einen Daten aus einem direkten Vergleich vor, bei dem Empagliflozin zu Beginn höher dosiert war, als es die Zulassung vorsieht. Außerdem unterschieden sich die Studienarme nicht nur in der Wirkstoffkombination, sondern auch in der Therapiestrategie. Zum anderen stellt der Hersteller zwei indirekte Vergleiche an, denen ein unvollständiger Studienpool beziehungsweise für die Bewertung ungeeignete Studien zugrunde liegen.


Indikationen führen zu fünf Fragestellungen

Empagliflozin ist als Monotherapie für Patientinnen und Patienten zugelassen, die Metformin nicht vertragen. Als Add-on ist es in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Insulin zugelassen, wenn diese zusammen mit einer Ernährungsumstellung und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend unter Kontrolle bringen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat für die Anwendungsgebiete unterschiedliche zweckmäßige Vergleichstherapien festgelegt, sodass sich insgesamt fünf Vergleiche ergeben: Empagliflozin als Monotherapie gegenüber einem Sulfonylharnstoff (A), in Kombination mit Metformin gegenüber Metformin und einem Sulfonylharnstoff (B1), in Kombination mit einem anderen blutzuckersenkenden Arzneimittel ebenfalls im Vergleich zu Metformin und Sulfonylharnstoff (B2), in Kombination mit mindestens zwei anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln im Vergleich zu Metformin und Humaninsulin (C) sowie in Kombination mit Insulin ebenfalls im Vergleich zu Metformin plus Humaninsulin (D).


Für vier Fragestellungen keine relevanten Daten vorgelegt

Für die Fragestellungen A, B2, C und D hat der Hersteller zwar einen – teils beträchtlichen, teils nicht quantifizierbaren – Zusatznutzen postuliert, konnte aber keine relevanten Daten vorlegen. Damit ist ein Zusatznutzen von Empagliflozin gegenüber den zweckmäßigen Vergleichstherapien in diesen Fällen nicht belegt.


Strikte Zielwertvorgabe nur im Vergleichsarm

Fragestellung B1 will der Hersteller mit einem direkten und zwei indirekten Vergleichen beantworten. In der Studie 1245.28 hat er Empagliflozin mit dem Sulfonylharnstoff Glimepirid verglichen. Allerdings wurden die Patienten im Vergleichsarm anhand einer einheitlichen Zielvorgabe für den Blutzuckerwert (HbA1c) ohne ausreichende Flexibilität auf 1 bis 4 mg Glimepirid eingestellt. Demgegenüber lag die Dosis im Empagliflozin-Arm konstant bei 25 mg täglich. Somit wurden nicht nur zwei Wirkstoffe, sondern darüber hinaus zwei Therapiestrategien verglichen.

In der ersten Phase der zweijährigen Studie nahmen die Blutzuckerwerte im Vergleichsarm steiler ab und es traten viel mehr Hypoglykämien auf als im Empagliflozin-Arm. Zwar wurden auch in der zweiten Studienhälfte im Glimepirid-Arm mehr Hypoglykämien erfasst, aber es ist nicht auszuschließen, dass auch unter diesen Hypoglykämien Ereignisse waren, die noch durch die unterschiedlichen Therapiestrategien ausgelöst wurden.


Zu hohe Startdosis

Zudem entspricht die konstante Gabe von 25 mg Empagliflozin in der Studie einer 2,5-fachen Startdosis gegenüber der Zulassung. Die blutzuckersenkende Wirksamkeit von 10 mg Empagliflozin kann aufgrund der Studie nicht eingeschätzt werden.

Insgesamt konnten die Ergebnisse der Studie 1245.28 nicht ausreichend sicher interpretiert werden. Davon unabhängig zeigt die Studie in der Gesamtschau keinen Vorteil von Empagliflozin, da unter Empagliflozin zwar weniger Hypoglykämien, aber unter anderem mehr Genitalinfektionen und Erkrankungen der Nieren und Harnwege und generell mehr schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auftraten als unter Glimepirid.


Auch indirekte Vergleiche nicht aussagekräftig

Im ersten der beiden indirekten Vergleiche ist Empagliflozin 25 mg plus Metformin der sogenannte Brückenkomparator, der einerseits im Rahmen der Studie 1275.1 mit Empagliflozin 10 mg plus Metformin und andererseits im Rahmen der bereits genannten Studie 1245.28 mit Glimepirid 1–4 mg plus Metformin verglichen wird. Allerdings lässt der Hersteller die ebenfalls relevante Studie 1245.23/1245.31 außer Betracht. Darüber hinaus macht der Vergleich zweier Therapieregime in Studie 1245.28 eine eindeutige Zuordnung der Wirkung zum Wirkstoff unmöglich.

Im zweiten indirekten Vergleich verwendet der pharmazeutische Unternehmer ebenfalls eine Studie, die aufgrund unterschiedlicher Therapieregime in den beiden Studienarmen mit einseitiger Blutzucker-Zielwertvorgabe im Vergleichsarm nicht für die Bewertung geeignet ist. Daten aus derselben Studie wurden bereits in einem Dossier zu Linagliptin eingereicht, für das unter anderem aus diesem Grund ebenfalls kein Zusatznutzen belegt ist. Das Fazit des IQWiG lautet daher: Ein Zusatznutzen für Empagliflozin ist nicht belegt.


G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das der G-BA leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der G-BA trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Empagliflozin zu finden.

 

 

Weitere Informationen

 

 

 


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 17.11.2014 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…