Wenn Schlucken zur Qual wird

 

  • Der Lebensmitteltechnologe entwickelt spezielles Brot bei Mundtrockenheit
  • Besonders ältere Menschen und Krebs-Patienten leiden darunter

 

Berlin (4. Juli 2011) – „Da bleibt mir glatt die Spucke weg“ – diese gängige Redensart trifft vor allem auf viele ältere Menschen tatsächlich zu. Xerostomie – Mundtrockenheit lautet der medizinische Begriff für dieses Phänomen. Die Speicheldrüsen produzieren keinen oder zu wenig Speichel.


Davon betroffen sind vor allem viele ältere Menschen sowie Krebs-Patienten oder Menschen, die dauerhaft spezielle Medikamente einnehmen müssen. Schwierigkeiten beim Sprechen, Kauen und Schlucken sind die Folge. Was sich lediglich lästig anhört, hat für die Patienten zum Teil gravierende Auswirkungen: Das Essen wird oft zur Qual, da die Nahrung nicht mehr eingespeichelt werden kann, das Schlucken ist schmerzhaft und anstrengend. Gerade ältere Menschen werden durch Schluckfehler beim Essen verunsichert. Trockene Nahrungsmittel – wie zum Beispiel Brot – können kaum noch verzehrt werden. Zu jedem Bissen muss ein Schluck getrunken werden.

Eine Problematik, auf die Oberarzt Dr. Rainer Seidl von der HNO-Abteilung des Unfallkrankenhauses Berlin (UKB), bei seinen Patienten häufiger trifft. Von ihm kam die Anregung für ein spezielles Brot, mit der er sich an Prof. Dr. Bernhard Senge vom Institut für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie der TU Berlin wandte. Die Idee klingt simpel: Wenn die Patienten keinen Speichel mehr produzieren, muss man funktionelle Lebensmittel entwickeln, die beim Kauen so viel Flüssigkeit freisetzen, dass der fehlende Speichel ersetzt wird.


Innerhalb weniger Monate gelang es der Arbeitsgruppe von Prof. Senge, ein spezielles Brot zu entwickeln, dass statt der üblichen circa 50 Prozent Wasser bis zu 70 Prozent Wasser enthält. „Es sieht aus wie Brot, es schmeckt wie Brot und es krümelt wie Brot“, so Bernhard Senge, „aber es setzt beim Kauen deutlich mehr Flüssigkeit frei.“ Freiwillige Tests mit betroffenen Patienten im UKB und in einer geriatrischen Einrichtung zeigten, dass die Probanden diese Brotsorte deutlich bevorzugten.

Erreicht wurde der erhöhte Wassergehalt im Teig durch die Kombination von natürlichen Zusatzstoffen mit einer speziellen Fertigungs- und Backtechnik. Ausgangsmaterial war ein Spezialgebäck mit Kartoffelstärke, das bereits einen relativ hohen Anteil an so genannten Hydrokolloiden enthält. Hydrokolloide sind Wasserbinder, Substanzen zumeist pflanzlicher oder mikrobieller Herkunft, die aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften große Mengen Wasser speichern können. In dem Spezialbrot wurde der Anteil von natürlichen Hydrokolloiden durch die Einarbeitung zusätzlicher geeigneter Hydrokolloide ergänzt. Hydrokolloide werden seit vielen Jahren besonders bei der Herstellung von Fertiglebensmitteln verarbeitet. Bekannte und sehr häufige Hydrokolloide sind zum Beispiel Guarkernmehl, Johanniskernmehl, Xanthan, natürliche Cellulose oder modifizierte Cellulose. Letztere, die so genannte Natriumcarboxy-Methyl-Cellulose, wurde für das Spezialbrot eingesetzt, da sie als Zusatzstoff E 466 für die Lebensmittelproduktion zugelassen ist.

„Die Cellulose wird vorgelöst und beim ‚Einteigen‘ über das Schüttwasser an das Weizenmehl gebunden“, erklärt Bernhard Senge. Nach mehreren Versuchsreihen gelang es, „auch die Ruhe- und Backzeiten dieses speziellen Teigs so anzupassen, dass ein Brot entsteht, dessen sensorische Eigenschaften wie Frische oder Kruste sich mit normalem Brot messen können“, so der Lebensmitteltechnologe Senge. Vier Tage lang ist das Brot bei Raumtemperatur bisher haltbar.

Noch wartet diese Technologie auf den industriellen Einsatz. Im Rahmen einer Promotion sollen die speziellen Fertigungstechniken jetzt von der institutseigenen Versuchsbäckerei an eine Manufaktur-Bäckerei übertragen werden. Durch den erhöhten Zeit- und Bearbeitungsaufwand, der bei der Herstellung dieses Brotes nötig ist, ist mit leicht erhöhten Kosten im Vergleich zum Standardbrot zu rechnen. „Betrachtet man gleichzeitig die wachsende Zahl an älteren Menschen mit Interesse an altersgerechten Nahrungsmitteln, so existiert ein ernstzunehmender Markt für dieses Produkt.“

 

 


Quelle: Technische Universität Berlin, 04.07.2011 (tB).

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