Zusatznutzen von Fampridin ist nicht belegt

Hersteller legt keine verwertbaren Studiendaten zur zweckmäßigen Vergleichstherapie vor

Köln (2. Mai 2012) – Fampridin (Handelsname Fampyra®) ist seit Juli 2011 in Deutschland für Patientinnen und Patienten zugelassen, die als Folge einer Multiplen Sklerose (MS), eine Gehbehinderung höheren Grades haben (Grad 4-7 auf der EDSS-Behinderungsskala). Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat den Zusatznutzen des Wirkstoffs gemäß AMNOG überprüft. Demnach gibt es keine Belege für einen Zusatznutzen. Denn der Hersteller hat in seinem Dossier keine verwertbaren Studiendaten für einen Vergleich von Fampridin mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie vorgelegt.

G-BA bestimmt Krankengymnastik als zweckmäßige Vergleichstherapie

MS ist eine chronische, nicht heilbare entzündliche Erkrankung, bei der das eigene Immunsystem Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark schädigt. Bei manchen Patientinnen und Patienten sind Teile der Muskulatur dauerhaft verkrampft oder gelähmt. Wenn die Erkrankung weiter fortgeschritten ist, können Betroffene eine Gehbehinderung entwickeln.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Krankengymnastik als zweckmäßige Vergleichstherapie für die Nutzenbewertung festgelegt, wobei diese den Anforderungen der Heilmittelrichtlinie entsprechen muss. Zudem müssen die Patientinnen und Patienten eine optimierte Standardtherapie für MS erhalten.

Anforderungen an indirekten Vergleich nicht erfüllt

Studien, die die Behandlungen mit Fampridin und mit Physiotherapie direkt miteinander vergleichen, gibt es nicht. Ersatzweise legt der pharmazeutische Unternehmer Daten aus einem indirekten Vergleich vor. Sie stammen aus Studien, in denen jeweils Fampiridin gegen ein Scheinmedikament oder Krankengymnastik gegen "keine Behandlung" getestet wurden.

Zwar sieht die Rechtsverordnung zum AMNOG ausdrücklich vor, dass es möglich ist, einen Zusatznutzen auch mittels indirekter Vergleiche zu belegen. Allerdings gelten hier bestimmte methodische Voraussetzungen, die der Hersteller in seinem Dossier zu Fampridin nicht erfüllt.

Behinderungsgrad unterscheidet sich deutlich

Zudem sind die Studien, die der pharmazeutische Unternehmer zur Physiotherapie ausgewertet hat, nicht verwertbar. Denn im Gegensatz zu den Studien zu Fampridin wurden dort auch Patientinnen und Patienten mit einem deutlich niedrigeren Grad von Behinderung (EDSS-Wert ab 1,5) eingeschlossen. Dadurch waren die jeweiligen Populationen nicht ähnlich genug, um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu können.

Schließlich geht der Hersteller im Dossier nicht darauf ein, ob die in diesen Studien getestete Physiotherapie den Kriterien der Heilmittelrichtlinie entsprach und wenn nein, warum aus seiner Sicht dennoch Aussagen für die Situation in Deutschland aus diesen Studien abgeleitet werden können. Auch zur Frage, ob die Patientinnen und Patienten tatsächlich eine optimierte MS-Standardtherapie bekamen, äußert sich der Hersteller nicht. Beide genannten Punkte sind aber Voraussetzungen, die der G-BA für die zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt hat.

Für die Bewertung des Zusatznutzens von Fampridin hat der Hersteller also keine verwertbaren Studien zur zweckmäßigen Vergleichstherapie und damit auch keinen verwertbaren indirekten Vergleich vorgelegt. Somit gibt es keine Belege für einen Zusatznutzen von Fampridin.

G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung, das der G-BA leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der G-BA trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung (https://www.iqwig.de/download/A12-06_Fampridin_Kurzfassung_Nutzenbewertung%20%C2%A735a%20SGB%20V.pdf). Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation .

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Fampridin ( http://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/14/ ) zu finden.


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 02.05.2012 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…