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4. Wunddialog des BVMed
Regionen präsentieren erfolgreiche Ansätze der Wundversorgung
Expertenrat legt in Kürze Empfehlungen vor
Berlin (17. Dezember 2018) — Regionale Leuchtturmprojekte liefern wertvolle Erkenntnisse zu der Frage, wie eine verbesserte Versorgung chronischer Wundpatienten in Deutschland künftig aussehen kann, verdeutlichen aber auch die strukturellen Herausforderungen. Das ist ein Ergebnis des 4. Wunddialogs des Bundesverbands Medizintechnologie, BVMed, vom 5. Dezember 2018. Im Fokus der Diskussion mit Vertretern aus Politik, Medizin, Pflege und Versorgung standen vor allem Prozessfragen. Erfolgreiche Ansätze, wie sie beispielsweise aus Selektivverträgen mit Krankenkassen hervorgehen, müssten weit mehr Patienten zugänglich gemacht werden. Bereits im Vorjahr hatten die Teilnehmer die Gründung eines interdisziplinären und interprofessionell besetzten Expertenrats beschlossen. Dieser wird Ende Januar 2019 erste Empfehlungen zu einer tragfähigen Versorgungsstruktur vorlegen.
In seinem vierten Jahr hat sich der BVMed-Wunddialog zu einem Format entwickelt, das nicht nur Analysen und Diskussionen ermöglicht, sondern auch konkrete Verbesserungen vorantreibt. In den Jahren 2015 und 2016 lag der Fokus vor allem auf der Bestandsaufnahme: Wie stellt sich die Situation von Wundpatienten in Deutschland dar und welche spezifischen Herausforderungen bestehen in ihrer Versorgung? Im Dezember 2017 wurde die Gründung eines Expertenrats beschlossen. Dieser hat im Laufe des Jahres 2018 strukturelle Empfehlungen zur Wundversorgung in Deutschland entwickelt, die auf einer Konsensuskonferenz am 31. Januar 2019 in Berlin diskutiert werden.
Hierzulande leiden etwa 900.000 Menschen an chronischen Wunden. Ihre Behandlung und Pflege nachhaltig zu verbessern und Komplikationsraten zu reduzieren, ist eine große, unzureichend gelöste Aufgabe – die angesichts des demografischen Wandels an Dringlichkeit gewinnt. Der BVMed-Wunddialog brachte daher von Beginn an Vertreter aller beteiligten Disziplinen an einen Tisch: Von der Pflege über Krankenkassen und Hersteller bis hin zur Ärzteschaft.
Bei der jüngsten Expertenrunde in Berlin standen konkrete, regionale Lösungen im Fokus. Zwei Leuchtturmprojekte verdeutlichten, wo strukturelle Verbesserungen ansetzen könnten:
Dr. Thomas Wild, Facharzt für Chirurgie und Leiter des Wundzentrums am Städtischen Klinikum Dessau, stellte Ergebnisse eines Selektivvertrags mit der AOK in Sachsen-Anhalt vor. Dieser besteht seit 2017 und hat eine integrierte Versorgung (IV) von Patienten mit chronischen Wunden zum Ziel. Dabei setzt das Team auf international bewährte Verfahren und evidenzbasierte Therapien. So arbeitet das Wundzentrum zum Beispiel mit dem „Wound at Risk“ (WAR)-Score sowie dem „Wound Infection Risk Evalution“ (WIRE)-Score, um die Zahl potenzieller Patienten mit chronischen Wunden in einer Region zu prognostizieren. Außerdem rückt der Versorgungsvertrag die Frage nach der Lebensqualität in den Fokus. Dafür wurde ein leicht handhabbarer Patienten-Fragebogen entwickelt. „Die subjektiv empfundene Lebensqualität zeigt wirklich, wie gut wir unsere Patienten vorsorgen“, so Wild. „Sie sollte unser wichtigster Maßstab sein.“
Das Projekt hat einerseits positive Ergebnisse gebracht: Mithilfe des „Des-sauer Therapiealgorithmus“ wurde die Zeit bis zum Abheilen chronischer Ulzera von 541 auf 147 Tage gesenkt. Auch gingen die Kosten dank vergünstigter Verbandmittelabgabe um bis zu 60 Prozent zurück. Andererseits er-reichte das IV-Projekt insgesamt weit weniger Patienten als erwartet: Von potenziell rund 250 geeigneten AOK-Patienten haben nur 41 die Aufnahme-kriterien für den Versorgungsvertrag erfüllt. Unter anderem sind Heimpatienten von einer Teilnahme ausgeschlossen.
„Wir haben unsere Ziele nicht voll erreicht“, so das Fazit von Dr. Wild. Unter anderem ließ sich die angestrebte Verbesserung der Lebensqualität bislang nicht nachweisen. Auch in der Datenerhebung vor allem durch die Kranken-kassen und beim Informationsaustausch bestünden immer noch Defizite. „Was wir brauchen, sind flächendeckende Lösungen“, so Wild.
Geringe Fallzahlen und Fragen der Datennutzung beschäftigen auch die Partner in dem zweiten vorgestellten Projekt:
Maik Stendera, Kassenmanager der mamedicon GmbH, präsentierte das Innovationsfondsprojekt „VersorgungsManagement Wunde in Rheinland-Pfalz“. Ziel ist ein flächendeckendes Management zur Begleitung von Menschen mit chronischen Wunden. Dabei spielen Fallmanager eine zentrale Rolle. Die Frage lautet: Was sollen diese zentralen „Steuerungsinstanzen“ können und leisten? Die Projektpartner wählen zunächst 20 Fallmanager und bilden diese aus – nach einem beispielhaft entwickelten Curriculum. Diese betreuen im Rahmen dieser kontrollierten, randomisierten Studie die Patienten der Interventionsgruppe. 1.000 Teilnehmer insgesamt sind das Ziel. „Noch liegen die Fallzahlen aber weit darunter“, so Maik Stendera. An der Akquise werde daher intensiv gearbeitet.
„Patientenedukation“, also die Vermittlung von Wissen zur Wunde, sei ein Hauptfokus der Studie. Interessant ist laut Maik Stendera, ob sich die Er-kenntnisse dazu auch auf andere Themen übertragen lassen, etwa Adipositas und Demenz. Leider könnten aber die Daten nur begrenzt über das Projekt hinaus genutzt werden – was aus wissenschaftlicher Sicht bedauerlich sei. Das Projekt läuft über drei Jahre.
Große Stärke der Studie, so Maik Stenderas Fazit, sei die Infrastruktur: „Wir haben schon Jahre vor dem Projektstart mit dem Aufbau von Wund-Netzwerken in der Region begonnen. Auf dieser Basis können wir jetzt gut arbeiten. „Allerdings schränke dies auch die Übertragbarkeit ein – denn nicht überall sind so gut entwickelte Netzwerke vorhanden.“
Die anschließende Diskussion konzentrierte sich vor allem auf drei Fragen: Was lässt sich aus den vorgestellten Projekten lernen? Welche Lösungen könnten flächendeckend funktionieren? Und wie lassen sich Prozesse und Strukturen so verbessern, dass Wundpatienten früh erreicht, korrekt diagnostiziert und optimal behandelt werden?
Einig waren sich die Experten darin, dass regional bereits vielfältige, zum Teil gut funktionierende Strukturen der vernetzten Wundversorgung existieren. An diese gelte es auf kluge Weise anzuknüpfen. Mit Spannung werden die hierzu erarbeiteten Empfehlungen des Expertenrats erwartet.
Der nächste Wunddialog des BVMed findet am 5. Dezember 2019 in Berlin statt. Nach den strukturellen sollen dann prozessuale Fragen im Mittelpunkt stehen. Die beteiligten Experten lobten die Veranstaltung als bereits gut etabliertes Forum, um Fragen der Wundversorgung in einem konzentrierten Rahmen voranzutreiben.
Quelle: Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), 17.12.2018 (tB).