Obstruktive Schlafapnoe

Anhaltspunkt für einen Nutzen der Unterkieferprotrusionsschiene

 

  • Unterkieferprotrusionsschiene kann Tagesschläfrigkeit ähnlich gut lindern wie die Atemwegsüberdruck-Therapie mit Schlafmaske

 

Köln (22. Oktober 2019) — Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) untersucht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) derzeit, ob das Tragen einer Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) bei obstruktiver Schlafapnoe nützt. Nach vorläufiger Auswertung der Studienlage sieht das Institut für den patientenrelevanten Endpunkt „Tagesschläfrigkeit“, das Leitsymptom der obstruktiven Schlafapnoe, einen Anhaltspunkt für einen Nutzen der UPS im Vergleich zu keiner Behandlung. Verglichen mit der Atemwegsüberdruck-Therapie per Schlafmaske (kurz:PAP-Therapie, PAP = Positive Airway Pressure) leiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Tagesschläfrigkeit einen Anhaltspunkt für eine Nichtunterlegenheit der UPS ab. Nachteile der UPS gegenüber der PAP-Therapie zeigten sich nicht.

Stellungnahmen zum Vorbericht nimmt das IQWiG bis zum 20.11.2019 entgegen.

 

Atemaussetzer führen zu Schlaffragmentierung und Tagesschläfrigkeit

Eine obstruktive Schlafapnoe entsteht, wenn die Muskulatur in den oberen Atemwegen erschlafft. Dadurch verengt sich der Atemweg im Rachenbereich oder blockiert sogar ganz, wodurch beim Ein- und Ausatmen laute Schnarchgeräusche entstehen. Durch diese Atmungsstörung wird der Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Zusätzlich sinken der Puls und der Blutdruck. Das Atemzentrum im Gehirn schlägt Alarm und löst einen Weckreiz aus: Man wacht kurz auf, meist ohne es zu merken. Dadurch wird der Schlafrhythmus unterbrochen, das Herz beginnt schneller zu schlagen und der Blutdruck steigt.

Eine Schlafapnoe führt zu Schlaffragmentierung und damit häufig zu einem nicht erholsamen Schlaf. In der Folge kommt es unter anderem zu Erschöpfung, Tagesschläfrigkeit, unfreiwilligem Einschlafen, zu Einbußen der kognitiven Leistungsfähigkeit sowie zu erhöhter Unfallhäufigkeit. Eine unbehandelte obstruktive Schlafapnoe wird mit einem erhöhten Blutdruck, kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall und einer erhöhten Mortalität in Verbindung gebracht.

 

Die Atemwege mechanisch offenhalten

Die Therapie einer obstruktiven Schlafapnoe hängt unter anderem ab vom Schweregrad der Erkrankung. Bei leichter Schlafapnoe können konservative Maßnahmen wie Gewichtsreduktion, schlafhygienische Maßnahmen (kein Alkohol, kein Rauchen) oder eine Lagetherapie (Vermeidung der Rückenlage beim Schlafen) ausreichend sein. Bei einem höheren Schweregrad kommt die PAP-Therapie als Standardtherapie zur Anwendung. Hierbei werden durch eine Positivdruckbeatmung die Atemwege offen gehalten.

Eine leichte bis mittelgradige obstruktive Schlafapnoe kann gemäß Leitlinie auch mithilfe einer UPS therapiert werden, die während des Schlafs getragen wird. Die von einem Zahnarzt oder einem Kieferorthopäden angepasste Kunststoffschiene im Mund sorgt dafür, dass der Unterkiefer weiter vorne gehalten wird. Hierdurch werden die Atemwege mechanisch offen gehalten. Diese Methode wird meist gut toleriert und von den Patientinnen und Patienten gegenüber der PAP-Therapie oft bevorzugt. Sie wird bei schwerer obstruktiver Schlafapnoe bisher im Allgemeinen nur im Falle einer Unverträglichkeit oder Intoleranz der PAP-Therapie eingesetzt.

 

Fragestellungen und Studien

In seiner vorläufigen Nutzenbewertung untersuchte das IQWiG zwei Fragestellungen:

  1. Hat die Behandlung mit einer UPS einen Nutzen oder Schaden im Vergleich zu keiner Behandlung beziehungsweise zu einer Placebo-Behandlung?
  2. Hat die Behandlung mit einer UPS einen Nutzen oder Schaden im Vergleich zu einer Behandlung mittels positiven Atemwegsdrucks über eine Maske (PAP-Therapie)?

In Fragestellung 1 wurden 21 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) eingeschlossen, von 18 dieser Studien gingen Ergebnisse in die Nutzenbewertung ein. Von den insgesamt 17 RCT zur Fragestellung 2 lieferten 16 verwertbare Ergebnisse für die Nutzenbewertung.

Die Aussagen zum Nutzen und zur Nichtunterlegenheit beziehen sich in den Studien auf alle Personen mit obstruktiver Schlafapnoe. Das schließt die Personen mit leichter bis mittelgradiger obstruktiver Schlafapnoe ein, die gemäß dem Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die Nutzenbewertung im Fokus stehen.

 

Vorteile im Vergleich zu keiner Behandlung/Placebo

Zusammenfassend sieht der vorläufige IQWiG-Bericht für die Tagesschläfrigkeit, das Leitsymptom der obstruktiven Schlafapnoe, einen Nutzen der UPS im Vergleich zu keiner Behandlung beziehungsweise zu Placebo-Schienen (ohne Einfluss auf die Kieferposition). Dieser Vorteil wird durch die Ergebnisse bei anderen patientenrelevanten Endpunkten (unter anderem Schlafqualität, kognitive Leistungsfähigkeit, depressive Symptomatik und Kopfschmerzen) nicht infrage gestellt.

 

Der PAP-Therapie nicht unterlegen

Als Fazit für das Leitsymptom „Tagesschläfrigkeit“ zeigt sich die UPS bei der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe in der IQWiG-Nutzenbewertung gegenüber der PAP-Therapie nicht unterlegen. Hinsichtlich anderer patientenrelevanter Endpunkte lässt sich kein Nachteil der UPS gegenüber der PAP-Therapie feststellen.

„Für Patientinnen und Patienten, die die PAP-Therapie ablehnen, weil sie nachts keine Maske tragen wollen oder weil ihnen das Gerät zu laut ist, kann eine Unterkieferprotrusionsschiene somit eine gute Alternative sein“, fasst Zahnärztin Martina Lietz, Projektleiterin im IQWiG-Ressort Nichtmedikamentöse Verfahren, die vorläufige Nutzenbewertung zusammen.

 

Zum Ablauf der Berichterstellung

Den vorläufigen Berichtsplan für dieses vom G-BA in Auftrag gegebene Projekt hatte das IQWiG am 04.12.2018 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese machten keine Überarbeitung des Berichtsplans erforderlich. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offenlassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen. Im Anschluss erstellt das IQWiG den Abschlussbericht.

 

Weitere Informationen

 


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 22.10.2019 (tB).

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