Digitalisierung im Mittelpunkt der Diabetes Herbsttagung

Verbesserte Blutzuckereinstellung mit „Closed Loop“-Systemen

 

Wiesbaden (13. November 2018) – Die 12. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und die 34. Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) ging am 10. November mit rund 3.800 Teilnehmern erfolgreich zu Ende. Ein Schwerpunktthema waren digitale Technologien, die das Leben der Menschen mit Diabetes erleichtern und immer neue Möglichkeiten für mehr Lebensqualität schaffen. Das gilt insbesondere für Typ-1-Diabetes, woran mehr als 300 000 Erwachsene und circa 32 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Deutschland leiden (1). Inzwischen nutzen viele Patienten in ihrem Alltag digitale Unterstützung in Form spezieller Diabetes-Apps sowie technischer Innovationen wie Insulinpumpen und Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung. Noch in diesem Jahr soll in Europa das erste „Hybrid Closed Loop“-System, das Blutzuckermessungen und notwendige Insulingaben weitestgehend automatisch steuert, verfügbar sein.

Die täglich mehrmals notwendigen Blutzuckermessungen und die daran angepassten Insulingaben sind für Diabetespatienten mit hohem Aufwand verbunden. Um ihren Stoffwechsel besser einzustellen, nutzen viele Patienten Insulinpumpen und Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung. „Der Blutzucker wird regelmäßig automatisch gemessen und die Patienten können daraufhin die richtige Insulindosis über die Insulinpumpe abgeben“, erklärt Dr. med. Matthias Kaltheuner, Vorstandsmitglied der Deutschen Diabetes Gesellschaft. „Diese Technologien erleichtern den Alltag der Patienten“, so der niedergelassene Diabetologe. Die Glukose-Sensortechnik ermöglicht einen zeitlich viel präziseren Einblick in die Stoffwechsellage und mögliche Einflüsse durch Essensaufnahme, Bewegung, sich verändernde Stimmungen sowie andere Krankheiten.

Durch die Verwendung eines „Closed Loop“-Systems, welches ab diesem Herbst in ausgewählten EU-Ländern verfügbar sein wird, gewinnen Diabetespatienten mehr Unabhängigkeit/Flexibilität in der Therapie. Das System vernetzt die Insulinpumpe mit dem Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung im Unterhautfettgewebe, einem Blutzuckermessgerät zur Kalibrierung des Sensors sowie einem Computerprogramm, das die automatische Steuerung der Insulinpumpe übernimmt („hybrides“ System). „Das Zusammenwirken aller Technologien ermöglicht eine automatisierte Insulinabgabe. Den Patienten bleibt damit die Berechnung der benötigten Insulindosis erspart“, so Professor Dr. med. Jens Aberle, Tagungspräsident der 12. Diabetes Herbsttagung. „Außerdem wird die Stoffwechsellage der Patienten verbessert und die Gefahr von Über- und Unterzuckerungen vermindert“, ergänzt der Leiter der Sektion Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichten randomisierten Vergleichsstudie konnte gezeigt werden, dass das „Closed Loop“-System gegenüber einer sensorgestützten Therapie in der klinischen Anwendung überlegen ist. An der Studie nahmen 86 Patienten mit Typ-1-Diabetes im Alter von sechs bis 65 Jahren teil, die trotz der Verwendung einer Insulinpumpe suboptimale Blutzuckerwerte aufwiesen. Während die eine Hälfte der Probanden zusätzlich zur Insulinpumpe mit einem Gerät zur kontinuierlichen Blutzuckermessung ausgestattet wurde, erhielt die andere Hälfte ein „Closed Loop“-System. Das Ergebnis: Die Patienten, die ein hybrides „Closed Loop“-System verwendet hatten, konnten im Vergleich zu Patienten mit einer sensorgestützten Therapie, bei der die Insulindosis selbst bestimmt und injiziert wird, die Blutzuckerwerte signifikant länger in einem vorbestimmten Zielbereich halten. Das galt vor allem für die Nacht (2).

„Die technologischen Fortschritte in der Diabetestherapie stellen für die Betroffenen einen großen Mehrwert dar. Sie nehmen den Patienten lebensnotwendige Aufgaben ab und fördern somit die Lebensqualität“, betont DDG-Präsident Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland. Es eröffne Patient und Arzt sowie dem Austausch miteinander neue Chancen, die das Arzt-Patienten-Verhältnis vertiefen und die Versorgung verbessern könnten.

Rund 3.800 Teilnehmer diskutierten vom 9. bis 10. November im RheinMain Congress Center Wiesbaden unter dem Motto „Fachübergreifende Versorgung – Der Patient im Mittelpunkt“ neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Entstehung, Vorbeugung und Therapie des Diabetes mellitus und der Adipositas. „Neben den Themen Technologie und Digitalisierung waren auch neue Therapiestrategien ein Schwerpunkt der Tagung“, erläutert DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer. „Wir freuen uns, dass insbesondere auch Themen wie die Digitalisierung und neue Technologien auf großes Interesse der Teilnehmer stießen.“ Denn Diabetes sei für die sinnvolle Nutzung der Digitalisierung eine Modellkrankheit für das gesamte Gesundheitswesen.

 

 

Quellen

  1. Jacobs E, Rathmann W (2017): Epidemiologie des Diabetes in Deutschland. In: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2019. Die Bestandsaufnahme.
  2. Tauschmann M et al (2018): Closed-loop insulin delivery in suboptimally controlled type 1 diabetes: a multicentre, 12-week randomised trial; Lancet (2018); online first; DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31947-0

 

 

Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9.000 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.

 


Quelle: 12. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) / 34. Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), 9. bis 10. November 2018, Wiesbaden, 13.11.2018 (tB).

Schlagwörter: ,

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…