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Melatonin heute: weitreichende Bedeutung als Taktgeber und für die Schlafqualität
Von Dr. Dieter Kunz
Kassel (17. Oktober 2008) – Melatonin spielt eine wichtige Rolle in der Regulation der Schlaf‑Wach‑Rhythmik. Allerdings ist seine therapeutische Rolle in der Allgemeinmedizin bislang nicht etabliert. Dies ist im Wesentlichen dadurch erklärbar, dass Melatonin in der Vergangenheit als Schlafmittel untersucht worden ist. Melatonin besitzt im Gegensatz zu herkömmlichen Hypnotika nur geringe direkt schlafinduzierende Wirkung. Melatonin wirkt indirekt auf Schlaf, entwickelt seine Wirkung über die Zeit, dafür hat es einen die Einnahme überdauernden Effekt.
Schlaf beeinflusst neuronale Plastizität, Gehirnmaturation, Gedächtniskonsolidierung, Lernvorgänge, die Koordination metabolischer Prozesse sowie die Integrität des Immunsystems. Damit hat ein qualitativ gut ausgeprägter Schlaf von hinreichender Länge herausragende Bedeutung für die Funktion von Körper und Gehirn. Das zirkadiane System (Latein: circa diem = ungefähr ein Tag) des Menschen treibt, steuert, koordiniert und/oder moduliert die 24‑Stunden‑Variation fast jeder bislang untersuchten physiologischen und psychologischen Variablen. Der auffälligste zirkadiane Rhythmus ist der von Schlafen und Wachen. Der Schlaf‑Wach‑Rhythmus wird im Wesentlichen durch zwei komplementäre Mechanismen gesteuert. Der homäostatische Schlafdruck baut sich während Wachheit auf und während Schlaf ab. Falls dieser Prozess allein existieren würde, wäre nicht erklärbar, dass viele Menschen die Abendstunden als ihre kreativste und wachste Zeit wahrnehmen. Andere Menschen fühlen sich nach acht Stunden Schlaf in den Morgenstunden eher dysphorisch, müde und erschöpft. Die zirkadiane Schlafbereitschaft erzeugt im 24‑Stunden‑Rhythmus einen komplementären Schlaf‑Wach‑Druck. Synchronisiert mit dem äußeren Hell‑Dunkel‑Zyklus erzeugt sie maximale Wachheit in den frühen Abendstunden, so dass abendliche Wachheit möglich wird. Umgekehrt erzeugt sie maximalen Schlafdruck in den frühen Morgenstunden, wenn der homäostatische Schlafdruck durch Schlaf geringer wird.
Melatonin wird als Hormon der Dunkelheit bezeichnet, da es die Information „Dunkel" und damit den Zeitpunkt und die Länge der Nacht als ein hormonelles Signal an den Organismus vermittelt. Der Gesamt‑Organismus schafft dann ein Milieu, welches qualitativ guten Schlaf ausreichender Länge ermöglicht. Somit kommt Melatonin eine bedeutende, wenn auch indirekte Rolle in Bezug auf Schlaf zu. Die Erfindung künstlichen Lichts gibt den Menschen die Möglichkeit, Zeitpunkt und Länge von Tag und Nacht selbst zu bestimmen. Dies ermöglicht einerseits Rund‑um‑die‑Uhr‑Unternehmungen wie z.B. Schichtarbeit. Auf der anderen Seite bedingt die tägliche Veränderung von Länge und Zeitpunkt des Tages eine externe Desynchronisation des äußeren HellDunkel‑Rhythmus gegenüber dem inneren 24‑Stunden‑Rhythmus.
Kurzfristige und vorübergehende Auswirkungen sind gut bekannt im Zusammenhang mit Transkontinentalflügen. Der eher unspezifische Symptomkomplex mit Schlafstörung, Müdigkeit, Verdauungsstörung, Schwindel, Kopfschmerz und anderem wird Jetrag genannt und dauert in der Regel zwischen wenigen Tagen und ein bis zwei Wochen. Als Langzeitfolgen bei etwa den Schichtarbeitern sind chronische Schlafstörungen sowie eine erhöhte Morbidität und Mortalität für jede kardiovaskuläre Erkrankung nachgewiesen. Die Welt‑Gesundheits‑Organisation hat im Dezember 2007 Nachtschichtarbeit auf die Liste der Karzinogene gesetzt.
Von Melatonin sind drei unterschiedliche Wirkungsweisen auf den menschlichen Schlaf‑Wach‑Zyklus nachgewiesen. Zum einen induziert ein Melatoninanstieg im peripheren Gefäßsystem eine Gefäßerweiterung, über die die Körperkerntemperatur abfällt. Dies ist heute der stärkste bekannte physiologische Einschlafmechanismus. Die höchste Dichte an hochaffinen Melatoninrezeptoren findet sich im hypothalamischen Nucleus suprachiasmaticus (SCN), der sogenannten Inneren Uhr. Eine Aktivierung der MTz‑Rezeptoren im SCN am frühen Abend und am frühen Morgen führt zu einer Phasenverschiebung, die z. B. bei Jetlag oder aber bei Früh‑ und Spättypen durch exogenes Melatonin genutzt werden kann. Für die genannten klinischen Phänomene liegen Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien vor. Eine Aktivierung des MTA‑Rezeptors im SCN durch exogenes Melatonin, in den frühen Abendstunden gegeben, verringert die Aktivität der Inneren Uhr akut, darüber hinaus verstärkt es die Aktivität der Inneren Uhr am darauf folgenden Tag. Diese Wirkung ist vergleichbar mit dem Anschubsen eines Uhrpendels oder einer Schaukel. Es ist durch viele Experimente nachgewiesen und anschaulich nachvollziehbar, dass dem Zeitpunkt dieses Impulses durch exogenes Melatonin eine überragende Bedeutung zukommt. Nur wenn Melatonin am frühen Abend gegeben wird, kann die genannte Wirkung erfolgen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass der Effekt über die akute Einwirkungszeit hinaus wirkt, da durch die Einwirkung ein oszillierender Prozess in Gang gesetzt wird. Die beschriebene Wirkung auf den MT,‑Rezeptor führt insgesamt zu einer Stärkung des Gesamtsystems und damit zu einer verbesserten 24‑Stunden‑Rhythmik sämtlicher physiologischer und psychologischer Prozesse. Neben einer Verbesserung des SchlafWach‑Zyklus per se sind damit eine Reihe weiterer positiver physiologischer Effekte z.T. bereits nachgewiesen (z.B. Blutdruckregulation), z.T. aus entsprechenden Tierexperimenten postuliert.
Befunde aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass die reduzierte individuelle Kapazität, Melatonin zu produzieren, assoziiert ist mit Erkrankungen wie Alzheimer‑Demenz und schlafbezogenen Besonderheiten, wie sie insbesondere im Alter gehäuft vorkommen. Hierbei sind insbesondere die Schlafparameter beeinträchtigt, die am stärksten durch das zirkadiane System beeinflusst werden.
Zusammenfassung: Melatonin ist ein zirkadianes Hormon mit zeitabhängiger Wirkung. Zum richtigen Zeitpunkt (abends) eingenommen, verbessert es in erster Linie die Qualität von Schlaf über eine Stärkung des zirkadianen Systems. Hierdurch werden insbesondere die physiologischen Funktionen von Schlaf gestärkt im Sinne einer verbesserten Tagesbefindlichkeit und Leistungsfähigkeit. Die Wirkung von Melatonin zielt auf die Qualität des Nachtschlafes. Eine Verlängerung des Nachtschlafes tritt nicht immer ein, ist als Wirkung auch nicht immer gewünscht. Nebenwirkungen sind bei richtiger Einnahme nicht zu erwarten.
Abb. 1: Die physiologische Melatoninsekretion hat ihren Höhepunkt in der Mitte der Nacht. Mit dem Älterwerden sinkt die Melatoninsekretion (indirekte Messung der Melatoninsekretion über Erfassung der Ausscheidung des Metaboliten 6-Sulfatoxymelatonin im Urin). Grafik modifiziert nach Mahlberg R et al.; Psychoneuroendocrinology 2006; 31: 634 – 641.
Abb. 2: Bei älteren Insomnikern wurden im Vergleich zu gleichaltrigen Kontrollpersonen niedrigere Melatoninspiegel festgestellt (indirekte Messung der Melatoninsekretion über Erfassung der Ausscheidung des Metaboliten 6-Sulfatoxymelatonin im Urin). Grafik modifiziert nach Leger D, Laudon M and Zisapel N , American Journal of Medicine 2004; 116(2): 91 – 95.
Abb. 3: Schnell freigesetztes Melatonin wird rasch abgebaut, Circadin® als Retardformulierung kann die für erholsamen Schlaf notwendige suffiziente nächtliche Abdeckung mit Melatonin sichern. Grafik modifiziert nach NEURIM, data on file. Alle Abbildungen: Lundbeck GmbH.
Autor
Dr. med. Dieter Kunz
Abteilung für Schlafmedizin St. Hedwig Krankenhaus Berlin
Gr. Hamburger Str. 5 ‑ 11
10115 Berlin
Institut für Physiologie Charite ‑ Universitätsmedizin Berlin
Arnimallee 22
14195 Berlin
Quelle: Pressekonferenz und Satellitensymposium der Firma Lundbeck zum Thema „Therapieziel erholsamer Schlaf – Paradigmenwechsel in der Therapie der Insomnie?“ am 17. Oktober 2008 in Kassel (Gianni Public Relations) (tB).