Abb.: Fadenwurm C. elegans. Foto: Universität FreiburgEin Airbag für die Wahrnehmung des Schmerzes

 

Neue Ergebnisse zur Schmerzforschung

 

Freiburg i.B. (4. April 2012) – Jeder kennt das Gefühl, wenn man auf eine scharfe Chilischote beißt oder sich den Mund mit heißen Getränken verbrennt. Dann werden Nervenzellen aktiviert, die diese potentielle Bedrohung an das Gehirn weiterleiten und dort eine Schmerzwahrnehmung verursachen. Bereits vor mehr als 14 Jahren wurde das erste Rezeptormolekül gefunden, das sowohl auf Hitze als auch auf Capsaicin, die wirksame Substanz in Chiliextrakten, reagiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler glaubten damals, dem Verständnis der Schmerzentstehung und ihrer medikamentösen Behandlung ein großes Stück näher gekommen zu sein. Die Ernüchterung war groß, als sich einige Jahre später herausstellte, dass Labormäuse, bei denen das Gen dieses Rezeptors künstlich entfernt worden war, immer noch Schmerz empfanden.

 

Seither versuchen die Wissenschaftler, die Ursachen dieser Beobachtung zu verstehen. Neue Forschungen an der Universität Freiburg haben jetzt Mechanismen der Schmerzwahrnehmung entschlüsselt. Ihre Ergebnisse, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift PLoS One veröffentlicht sind, zeigen, dass selbst einfache Organismen mehrfach abgesicherte Sensorsysteme besitzen, um zum Beispiel Hitze wahrzunehmen.

„Als wir wussten, dass auch der Fadenwurm C. elegans, der in jeder Schaufel Erde vorkommt, über die gleichen Rezeptorgene verfügt wie der Mensch, waren wir optimistisch, mit diesem Modell dem Geheimnis der Wahrnehmung auf die Schliche zu kommen“, kommentiert Prof. Dr. Ralf Baumeister vom Labor für Bioinformatik und Molekulargenetik der Fakultät für Biologie die mehrjährigen Untersuchungen seines Forschungsteams. Diese Wahrnehmung, die in der Natur lebensrettend sein kann, ist selbst bei einem so einfach gebauten Tier wie dem Fadenwurm ungewöhnlich gut abgesichert. Der Winzling verfügt zwar nur über 302 Nervenzellen, die aber für komplexe Verhaltensweisen und selbst für Lernvorgänge ausreichend sind. Ähnlich wie ein Auto heute über elektronische Backup-Systeme verfügt, um einen Bauteileausfall ohne fatale Konsequenzen zu überstehen, verwendet auch der Wurm, wie die Studie zeigt, mindestens sechs dieser Zellen als Sensoren für schädliche Hitze. Jede einzelne davon reicht aber aus, um den Schmerz wahrzunehmen.

Darüber hinaus kann ein und dieselbe Zelle mit zwei unterschiedlichen molekularen Mechanismen auf den schmerzhaften Reiz reagieren. Die Mitarbeiter Shu Liu und Dr. Ekkehard Schulze haben eine Kombination aus mikrochirurgischen Maßnahmen, Mikrosystemtechnik und genetischen Verfahren angewandt, um das ganze Ausmaß der Komplexität der Hitzeschmerzwahrnehmung im Wurm zu verstehen. Nach Aussagen der Forscher können die neuen Erkenntnisse nun verwendet werden, um die unterschiedlichen Mechanismen im Menschen zu entdecken und ihr Zusammenspiel verstehen zu lernen. Mindestens jeder zehnte Mensch in der Bundesrepublik Deutschland leidet regelmäßig unter starken bis sehr starken Schmerzen. Letztendlich profitieren alle von der Forschung an dem Laborwinzling C. elegans.

Die Forschergruppe ist Mitglied von BIOSS, dem Zentrum für biologische Signalstudien, Baumeister ist Mitglied in FRIAS LIFENET. Beides sind Einrichtungen der Exzellenzinitiative.

 

 

Publikation

 

  • Liu Shu, Schulze, Ekkehard, and Baumeister, Ralf:
    Temperature- and Touch-Sensitive Neurons Couple CNG and TRPV Channel Activities to Control Heat Avoidance in Caenorhabditis elega
    ns.
    PLoS One. 2012;7(3):e32360

 


 

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 04.04.2012 (tB).

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