PFLEGE
AWARDS
Forschergeist gefragt: 14. Novartis Oppenheim-Förderpreis für MS-Forschung ausgelobt
FernstudiumCheck Award: Deutschlands beliebteste Fernhochschule bleibt die SRH Fernhochschule
Vergabe der Wissenschaftspreise der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniestiftung
Den Patientenwillen auf der Intensivstation im Blick: Dr. Anna-Henrikje Seidlein…
Wissenschaft mit Auszeichnung: Herausragende Nachwuchsforscher auf der Jahrestagung der Deutschen…
VERANSTALTUNGEN
Wichtigster Kongress für Lungen- und Beatmungsmedizin ist erfolgreich gestartet
Virtuelle DGHO-Frühjahrstagungsreihe am 22.03. / 29.03. / 26.04.2023: Herausforderungen in…
Pneumologie-Kongress vom 29. März bis 1. April im Congress Center…
Die Hot Topics der Hirnforschung auf dem DGKN-Kongress für Klinische…
Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 startet am 14.3.
DOC-CHECK LOGIN
MMW-Preis 2015 geht an Prucaloprid (Resolor®)
Berlin (4. März 2015) – Alljährlich ehrt die renommierte Münchner Medizinische Wochenschrift (MMW-Fortschritte der Medizin) ein herausragendes Medikament. Der Preis für einen „Klassiker mit Zukunft“ geht 2015 an Prucaloprid (Resolor®), das derzeit einzige in Deutschland verfügbare Prokinetikum. Frauen mit chronischer Obstipation, bei denen eine Änderung des Lebensstils und die Anwendung von Laxantien keine Besserung bewirken konnte, können von der Normalisierung der Darmmotilität durch den 5-HT4-Agonisten profitieren, der auch älteren Patienten verordnet werden darf. Eine Erweiterung der Zulassung für Männer ist bei der EMA eingereicht worden. Unter der Leitung von Prof. Ahmed Madisch vom Klinikum Region Hannover GmbH wurde anlässlich der Preisverleihung in einem wissenschaftlichen Symposium ein Überblick über die moderne Therapie der chronischen Obstipation gegeben.
Wann spricht man von chronischer Obstipation?
Nach der Begrüßung durch Dr. Dirk Einecke, den Chefredakteur der MMW, grenzte zunächst Prof. Thomas Frieling vom Helios Klinikum Krefeld die Erkrankung chronische Obstipation von der gelegentlichen Verstopfung ab. Eine chronische Obstipation liegt vor, wenn unbefriedigende Stuhlentleerungen berichtet werden, die seit mindestens drei Monaten bestehen und mindestens zwei der folgenden Leitsymptome aufweisen: starkes Pressen, klumpiger oder harter Stuhl, subjektiv unvollständige Entleerung, subjektive Obstruktion, manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation bei 25 % der Stuhlentleerungen oder weniger als drei Stühle pro Woche. Die chronische Obstipation wird also wesentlich durch die subjektive Beeinträchtigung und weniger durch objektive Parameter wie die Stuhlfrequenz bestimmt. Dies bedeutet einerseits, dass Patienten auch bei formal normaler Stuhlfrequenz ein Verstopfungsgefühl durch eine erschwerte Stuhlentleerung mit der Notwendigkeit des Pressens entwickeln können und andererseits, dass beschwerdefreie Patienten mit über mehrere Tage ausbleibendem Stuhlgang nicht verstopft sind. Die chronische Obstipation ist insofern eine typische „Eisberg-Erkrankung“, bei der der Übergang von normal zu krank fließend ist. Jedoch ist sie weit verbreitet: Mit einer Prävalenz von 3-18 % ist die chronische Obstipation eine der häufigsten Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung.
Serotonerge Rezeptoren und Darmfunktionen
Grundlage des kontrollierten Transportes des Speisebreies ist der so genannte peristaltische Reflex, der Aktivierung und Hemmung der Darmmuskulatur koordiniert, erläuterte Prof. Michael Schemann von der Technischen Universität München. Dieser peristaltische Reflex wird durch das enterische Nervensystem (ENS), einem autonomen Nervennetzwerk in der Darmwand, kontrolliert. Serotonin (5-HT) ist einer der zentralen Modulatoren dieser peristaltischen Aktivität. Die Freisetzung von Serotonin erfolgt durch Nerven des ENS sowie durch enterochromaffine Zellen der Darmschleimhaut. Alle enterochromaffinen Zellen zusammen würden ein Organ in der beachtlichen Größe eines Tennisballs ergeben. Über 90 % des Körperserotonins stammt aus dem ENS oder den enterochromaffinen Zellen. Die serotonerge Beeinflussung der Darmfunktionen basiert auf einer komplexen Aktivierung verschiedener 5-HT Rezeptoren, die in der Muskulatur, im Epithel, auf sensorischen Nervenfasern und im ENS exprimiert werden. Die 5-HT4 vermittelte Stimulation führt zu einer präsynaptischen Aktivierung cholinerger Synapsen, die daraufhin vermehrt den erregenden Transmitter Acetylcholin ausschütten. Acetylcholin wiederum stimuliert den peristaltischen Reflex und aktiviert direkt die Muskelzellen. Somit haben Substanzen wie Prucaloprid, die den 5-HT4 Rezeptor aktivieren, das Potential, die Darmmotilität zu steigern und könnten als Prokinetika eingesetzt werden, so Schemann.
Moderne Therapie der chronischen Obstipation
Laut Prof. Frieling wenden in Deutschland etwa 20 % der Obstipierten Abführmittel an, wobei in 60 % Laxantien ohne ärztliche Verordnung eingenommen werden. Etwa die Hälfte der Patienten nutzen mehr als zwei Laxantien, zusätzliche Medikamente bzw. eine höhere als die empfohlene Dosis. In abnehmender Häufigkeit werden Bisacodyl bzw. Natrium-Picosulfat, Macrogole oder Laktulose genutzt und Ballaststoffe nur selten eingesetzt. Die Leitlinie der DGVS und DGNM regelt die Therapie der chronischen Obstipation in einem Stufenplan, in dem zunächst die Basistherapie („gesundes Leben“, Flüssigkeit, Ballaststoffe) und hiernach Füll- und Quellstoffe, salinische, osmotische Laxantien bzw. Makrogole und schließlich aktive Laxantien empfohlen werden. Eine gesündere Lebensweise ist jedoch für viele Patienten nicht möglich, sei es, dass körperliche Einschränkungen ein Mehr an Bewegung verhindern, dass eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr sich aus kardialen Gründen verbietet oder ein Mehr an Ballaststoffen wegen Meteorismus und Bauchschmerzen nicht toleriert wird. Und auch der regelmäßige Gebrauch verschiedener Laxantien führt bei Einigen nicht zur Normalisierung der Verdauung. Bei Patienten ohne Entleerungsstörungen empfiehlt die Leitlinie den Einsatz von Prucaloprid.
Geschlechtsspezifische Häufigkeit der chronischen Obstipation
Frauen leiden bis zu dreimal häufiger unter einer chronischen Obstipation, berichtete Prof. Ingolf Schiefke vom Klinikum St. Georg GmbH in Leipzig. Es wird davon ausgegangen, dass Frauen häufiger medizinische Leistungen in Anspruch nehmen und dies eine Überschätzung dieses Geschlechtereffekts zur Folge hat. Jedoch waren auch in den Zulassungsstudien von Prucaloprid männliche Patienten mit ca. 12 % deutlich unterrepräsentiert, weshalb die Zulassung der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA denn auch zunächst nur für Frauen ausgesprochen wurde. Aus diesem Grund musste eine weitere Studie ausschließlich für Männer aufgelegt werden. Diese doppelblinde, plazebokontrollierte Studie wurde in 66 europäischen Zentren durchgeführt. Es wurden 374 Männer über einen Zeitraum von zwölf Wochen behandelt. Prucaloprid ist nach jetzigem Kenntnisstand auch bei Männern effektiv, betonte Schiefke. Die Einnahme von 2 mg Prucaloprid pro Tag erhöhte signifikant die spontanen Stuhlgänge pro Woche verglichen mit Plazebo (37,9 vs. 17,7, p < 0,0001). Das Risiko-Nutzen-Verhältnis wurde als positiv eingeschätzt. Als unerwünschte Wirkung können vor allem am ersten Behandlungstag Kopfschmerzen, Übelkeit und Durchfall auftreten. Ab dem zweiten Behandlungstag bestand in der längeren Anwendung eine Verträglichkeit wie bei Plazebo.
Alte Menschen sind besonders häufig obstipiert
Geriatrische Patienten sind besonders häufig von der chronischen Obstipation betroffen, sagte Dr. Martin Caselitz vom Donau-Isar Klinikum Deggendorf. Pathophysiologische Grundlagen hierfür sind unter anderem die Abnahme der Muskulatur an inneren Organen, die zu einer Reduktion der Peristaltik führt, sowie eine reduzierte Sensibilität im Rektum, die größere Stuhlmengen erforderlich macht um einen Stuhldrang auszulösen. Die häufigsten Ursachen für die chronische Obstipation in der Geriatrie sind Medikamente, Mangel an Ballaststoffen und Flüssigkeit. Meist liegen aber mehrere Ursachen der Obstipation zugrunde. Weitere Gründe sind intestinale (z.B. stenosierende Divertikulose), metabolische (Diabetes mellitus) und neurologische (M. Parkinson) Störungen und Immobilität. Therapeutisch sollte neben einer Therapie der jeweiligen Grundkrankheit insbesondere an eine Umstellung der Medikation auf weniger obstipierende Substanzen angestrebt werden. Ansonsten ist auch für alte Patienten die Leitlinie „Chronische Obstipation“ gültig. Allerdings ist der Vorschlag einer gesünderen Lebensführung für geriatrische Patienten häufig unrealistisch. Daher kommen neben den bekannten Laxantien auch Prokinetika wie Prucaloprid zum Einsatz, zunächst in der reduzierten Dosis von 1 mg/d. Aufgrund der hohen Selektivität des 5HT4-Agonisten wurden klinisch relevante kardiale Nebenwirkungen nicht beobachtet.
Quelle: Shire Deutschland, 04.03.2015 (tB).