Patientenzimmer der Zukunft kommt nach Braunschweig

 

Braunschweig (15. Juni 2021) — Architektur kann Infektionen im Krankenhaus verhindern. Wie das geht, zeigt das begehbare Modell eines neuartigen Patientenzimmers. Entwickelt von einem Team aus den Bereichen Architektur, Medizin und Molekularbiologie im Forschungsprojekt KARMIN. Nachdem der Prototyp im vergangenen Jahr auf dem Gelände der Charité in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, soll das Patientenzimmer jetzt unter der Federführung des Instituts für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig, des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST und des Städtischen Klinikums Braunschweig zu einem anwendungsorientierten Forschungs- und Studienlabor werden.

Das infektionspräventive Zweibettzimmer des KARMIN-Forschungsprojekts setzt auf eine kluge Raumplanung, um die Übertragung gefährlicher Erreger in Krankenhäusern zu minimieren. So haben die Forschenden zwei getrennte Bäder geplant. Die Betten sind gegenüber statt nebeneinander aufgestellt. Die Anzahl der Desinfektionsspender wurde erhöht und die Wegeführung für das Klinikpersonal optimiert. Ziel ist es, die schon hohen Hygienestandards im Krankenzimmer noch zu steigern – ein äußerst wichtiger Aspekt bei der Behandlung von COVID-19-Patienten, aber auch im Zusammenhang mit multiresistenten Erregern.

 

Bessere Hygiene durch leicht zu reinigende Materialien

Gemeinsam wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von TU Braunschweig und Fraunhofer mit den Expertinnen und Experten des Klinikums jetzt weitere praxistaugliche Musterlösungen für die Krankenhaus-Architektur entwickeln. Dazu gehören Materialien, Oberflächen und Ausstattungselemente, die leicht zu reinigen sind und so helfen, gefährliche Keime einzudämmen. In diesem Zusammenhang sollen auch Sensoren und neue innovative Reinigungssysteme, die eine Keimbelastung schnell identifizieren und automatisiert beseitigen, getestet werden.

Im Forschungs- und Studienlabor wollen die Forschenden prüfen, inwieweit neue Produkte und funktionelle Materialien für einen Einsatz in einem Krankenzimmer geeignet sind und diese für unterschiedliche Nutzergruppen – zum Beispiel aus Behandlung, Pflege, Reinigung sowie Ver- und Entsorgung – erfahrbar machen. Welche Desinfektionsspender sich eignen und wo diese am besten im Zimmer platziert werden sollten, sind beispielhaft Fragen, die es zu beantworten gilt. Ein weiterer zentraler Aspekt betrifft die Beleuchtung im Zimmer: Wo muss das Licht installiert, wie kann es gesteuert und bedient werden? Auch dazu wird es Lösungsangebote geben. Begleitet werden die Untersuchungen im Demonstrator durch den Aufbau eines Cybersystems, das neben dem Monitoring von Energie- und Stoffströmen für Wirtschaftlichkeitsanalysen auch mit Elementen ausgestattet werden kann, die die Vitalparameter des Patienten überwachen, um eine optimierte Patientenversorgung zu gewährleisten.

Die Kooperation ist auf mindestens fünf Jahre angelegt und wird dem stetigen Wandel im Pflegebereich Rechnung tragen. Neue Entwicklungen der Medizin, Veränderungen der gesellschaftlichen Anforderungen sowie Fortschritte im Architektur- und Bauwesen und den Materialwissenschaften werden in die Arbeit einfließen.

 

Einbindung von Industriepartnern

Das Modell-Patientenzimmer wollen die Kooperationspartner im September 2021 auf dem Gelände des Städtischen Klinikums Braunschweig an der Naumburgstraße errichten. So soll vor allem medizinischem Personal der Zugang für praxisnahe Untersuchungen ermöglicht werden.

Wie bereits in der Entwurfsphase des KARMIN-Demonstrators will das Forschungsteam Industriepartner einbinden. „Der Bereich Pflege und insbesondere das Patientenzimmer im Krankenhaus wird auch in Zukunft auf weitere Veränderungen reagieren müssen, wie neue Krankheiten oder auch sinkende Bettenzahlen in den Kliniken“, sagt Dr. Wolfgang Sunder vom Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig. „Das erarbeitete Wissen der Kooperation soll möglichst direkt in Planungs- und Bauprozesse von Gesundheitsbauten einfließen, in die Berufspraxis von Kliniken transferiert sowie in die Entwicklung von entsprechenden Produkten übertragen werden.“

„Funktionalisierte Oberflächen und automatisierte Reinigungssysteme haben das Potenzial, im Krankenhaus der Zukunft zum Game Changer zu werden. Das Patientenzimmer bietet eine ideale Entwicklungs- und Testumgebung für die Entwicklung neuer Produktsysteme und funktioneller Materialien“, ergänzt Prof. Dr. Christoph Herrmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST. „Dabei steht für uns neben den Aspekten des Gesundheitsschutzes auch die nachhaltige Produktion und Umsetzung unserer Ideen mit Industriepartnern im Fokus der Arbeiten.“

„Weitere Aspekte, die mit dem Patientenzimmer der Zukunft verfolgt werden, sind die Behandlungsqualität während des Krankenhausaufenthalts als auch die Arbeit des medizinischen wie pflegerischen Personals zu optimieren“, so Dr. Thomas Bartkiewicz, Ärztlicher Direktor des Klinikums. So besteht im Patientenzimmer die Möglichkeit, mittels Augmented Reality verschiedene Fallkonstellationen zu üben. „Ein großer Gewinn in der Aus- und Weiterbildung angehender Medizinerinnen und Mediziner sowie Pflegefachkräfte“, freut sich Bartkiewicz.

 

Kooperationspartner

Das Forschungsteam vereint die Disziplinen Gebäudegestaltung und Material-, Schicht- und Oberflächentechnik, vertreten durch das Institut für Industriebau und Konstruktives Entwerfen (IKE) der TU Braunschweig und das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST. Beide Institute haben langjährige Forschungserfahrung im Gesundheitsbereich.
Zudem kooperieren beide Einrichtungen in der Lehre und Forschung seit mehr als zehn Jahren mit dem Städtischen Klinikum Braunschweig. Das Klinikum versorgt als Krankenhaus der Maximalversorgung auf universitärem Niveau die Region Braunschweig. Im Jahr 2013 wurde die gemeinsame Entwicklung plasmabeschichteter Beutel zur Stammzellkultivierung des Fraunhofer IST 2013 mit dem Städtischen Klinikum mit dem Fraunhofer-Preis „Technik für den Menschen“ ausgezeichnet.

 

Forschungsprojekt KARMIN

KARMIN steht für „Krankenhaus, Architektur, Mikrobiom und Infektion“. Das Projekt wurde von Oktober 2016 bis Ende 2020 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Zwanzig20“ und als Teil des Forschungsverbundes „InfectControl 2020“ gefördert. Verbundpartner waren neben der TU Braunschweig das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, das Universitätsklinikum Jena mit der Septomics Research Group und die Röhl GmbH. Das Forschungsteam untersuchte, wie eine neue Raumplanung die Übertragung von Erregern verringern kann und erarbeitete einen Entwurf für ein optimales infektionssicheres Patientenzimmer inklusive Nasszelle. Der Prototyp des Patientenzimmers wurde auf dem Berliner „World Health Summit“ im Oktober 2020 einem internationalen Fachpublikum vorgestellt.

 

 

Weitere Informationen

 

 

Abb. oben: Im Zweibettzimmer des KARMIN-Forschungsprojekts sind die Betten gegenüber statt nebeneinander aufgestellt. © Tom Bauer/TU Braunschweig

 

 


Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung von TU Braunschweig, Fraunhofer IST und Städtischem Klinikum Braunschweig, 15.06.2021 (tB).

Schlagwörter: , ,

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…