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Dualer Wirkmechanismus – exzellente Verträglichkeit
Tolperison – Spastik-Therapie ohne Sedierung
Hamburg (28. September 2007) – Tolperison (Viveo ®) ist ein Myotonolytikum (Muskelrelaxans), das seit 2007 für die Therapie der Spastik bei neurologischen Erkrankungen zugelassen ist. Die Substanz wirkt sowohl auf der zentralen als auch auf der peripheren Ebene. Im Unterschied zu anderen Muskelrelaxanzien zeigt Tolperison eine muskelrelaxierende Wirkung, ohne dass eine begleitende Sedierung auftritt. Dies bringt dem Patienten deutliche Vorteile im Alltag.
Tolperison gehört zur Stoffgruppe der ß-Aminoketone. Der Wirkstoff ist seit 2007 zur Behandlung der Spastizität infolge von neurologischen Erkrankungen zugelassen. Zu diesen Erkrankungen gehören vor allem Multiple Sklerose und Schlaganfall, hier ist die Spastik ein zentrales und chronisches Begleitsyndrom. Tolperison senkt den mit der Spastik einhergehenden gesteigerten Muskeltonus, ohne dabei die Muskelkraft zu beeinflussen, und unterdrückt periphere Schmerzimpulse. Somit kann die Spastik verringert und die Funktionalität der Betroffenen nachhaltig verbessert werden.
Dualer Wirkmechanismus
Der Wirkmechanismus von Tolperison ist noch nicht vollständig bekannt. Tolperison besitzt eine hohe Affinität zum Nervengewebe, wobei der Hirnstamm, das Rückenmark und das periphere Nervensystem die höchste Anreicherung aufweisen. Es wirkt über seine membranstabilisierende Aktivität vergleichbar wie das strukturähnliche Lidocain. Die Effekte von Tolperison wurden sowohl für die peripheren Nerven als auch im zentralen Nervensystem nachgewiesen. Hinsichtlich der zentralen Wirkung sind zwei Angriffspunkte zu unterscheiden: Auf der zentral-spinalen Ebene reduziert Tolperison dosisabhängig die gesteigerte mono- und polysynaptische Reflexaktivität auf ein physiologisches Niveau. Auf der zentral-retikulären Ebene reguliert Tolperison die pathologisch entgleisten Impulse der Formatio reticularis (Neuronennetzwerk im Hirnstamm). Was die periphere Ebene betrifft, so entfaltet Tolperison seine Wirkung an den Nervenzellmembranen, es wird als „Open-Channel-Blocker“ bezeichnet. Der Wirkstoff blockiert dosisabhängig und reversibel den Natriumeinstrom in die Nervenzelle, wobei sowohl die Amplitude als auch die Frequenz von Aktionspotenzialen reduziert wird. Somit wird die generelle Erregbarkeit der Nerven vermindert – insbesondere im Fall einer pathologisch erhöhten Reflex-Aktivität.
Keine Sedierung
Eine der problematischsten Nebenwirkungen vieler Muskelrelaxanzien ist die Sedierung. Das durch die dämpfenden Nebenwirkungen herabgesetzte Reaktionsvermögen sowie eine Fatigue-Symptomatik beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten mit spastischem Syndrom erheblich. Hier zeigt Tolperison eindeutige Vorteile: Trotz seiner Wirkung auf das ZNS hat es keinen sedierenden Effekt. Reaktionszeit und Arbeitsfähigkeit sind nicht eingeschränkt, der Patient kann weiterhin aktiv am Tagesgeschehen teilnehmen. Tolperison führt nicht zur Abhängigkeit, es treten keine Entzugssymptome nach dem Absetzen auf. Darüber hinaus zeichnet sich der Wirkstoff durch ein geringes Interaktionspotenzial aus: Es sind keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder mit Alkohol bekannt.
Effekte in Studien belegt
Tolperison wird seit längerer Zeit therapeutisch eingesetzt, sein gutes Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil ist bereits in mehreren Studien nachgewiesen worden. In einer aktuellen Studie untersuchten Stamenova und Kollegen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tolperison bei Patienten mit Spastik nach einem apoplektischen Insult. [i]
In dieser plazebokontrollierten doppelblinden Studie wurden 120 Patienten mit spastischer Hemiparese eingeschlossen. Zu Beginn lag die Intensität der spastischen Muskeltonuserhöhung bei über 2 auf einer Skala von 0 bis 4 Punkten (Ashworth-Skala). Die Patienten wurden durchschnittlich 12 Wochen mit 450 mg bis 900 mg Tolperison oder Plazebo behandelt. Bereits nach vierwöchiger Behandlung mit Tolperison verbesserte sich die Spastik deutlich (von durchschnittlich 2,7 auf 1,6 Punkte). Dies entsprach einer doppelt so starken Reduktion des spastischen Muskeltonus wie unter Plazebo. Am Ende der Behandlung konnten die Muskeln wieder ohne wesentliche Widerstände gedehnt werden. Eine Verbesserung zeigte sich auch bei der Mobilität: So wurde die maximale Gehstrecke von 40 Meter auf 70 Meter gesteigert. Einen Vergleich mit dem häufig eingesetzten Baclofen liefert eine Studie von Fehér und Mitarbeitern [ii] : Sie untersuchten die Gabe von tägl. 450 mg Tolperison im Vergleich zu 75 mg Baclofen in einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie an 48 Patienten mit spastischer Hemiparese. Parallel nahmen beide Gruppen an einem identischen Rehabilitationsprogramm teil. Als Zielparameter wurden zum einen die Beweglichkeit der Patienten anhand der Rivermead-Skala [iii] , zum anderen das Ausmaß ihrer Selbstversorgung anhand des Barthel-Index [iv] erfasst. Das Ergebnis: Unter beiden Medikationen war eine Leistungsverbesserung zu beobachten. Trotz tendenziell schlechterer Ausgangswerte verbesserte sich die Beweglichkeit der Patienten in der Tolperison-Gruppe in stärkerem Ausmaß als unter Baclofen. Der Unterschied war auf der Rivermead-Skala signifikant (p<0.01), im Barthel-Index lag er an der Signifkanzgrenze. In diesen und weiteren Studien zeigte Tolperison überdies ein hervorragendes Verträglichkeitsprofil: In der Stamenova-Studie lag die Verträglichkeit auf Plazeboniveau, und bei Fehér waren Studienabbrüche aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Tolperison signifikant geringer als unter Baclofen. Es wurde keinerlei arzneimittelbedingte Sedierung beobachtet, ebenso wenig ergaben sich Hinweise auf Interaktionen mit anderen Medikamenten oder mit Alkohol. [v]
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[i] Stamenova P. et al: A randomized, double blind, placebo-controlled study of the efficacy and safety of tolperisone in spasticity following cerebral stroke, Zh. Nevrol. Psikhiatr. Im S. S. Korsakova 2006; 106 (1): 34-42
[ii] Vgl. Reifschneider G. Ries S.: Die Wirkung von Tolperison bei spastischen hemiparetischen Patienten, Nervenheilkunde 10/2007, S. 935-938
[iii] Die Rivermead Skala dient der Beurteilung von Körperfunktionen wie beispielsweise Sitzen, Stehen, Gehen und Bewegung der Extremitäten und des Rumpfes.
[iv] Der Barthel-Index erfasst die Selbstversorgungsfähigkeit des Patienten anhand von Kriterien wie Essen, Anziehen, Körperpflege, Toilettenbenutzung sowie Fortbewegung.
[v] Vgl. z.B. Dulin J. et. al.: Evaluation of sedative effects of single and repeated doses of 50 mg and 150 mg tolperisone hydrochloride. Results of a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled trial, Pharmacopsychiatry 1998; 31 (4) 137-142