Worte fügen Schmerzen zu

Verbale Reize aktivieren das Schmerzgedächtnis

 

Prof. Dr. Thomas Weiß und Doktorandin Maria Richter von der Uni Jena untersuchen, wie schmerz-assoziierte Worte im Gehirn verarbeitet werden. Photo: Peter Scheere/FSUJena (26. März 2010) – "Achtung, jetzt piekst es gleich." Nicht nur Kindern, auch vielen Erwachsenen wird nach dieser Ankündigung beim Arzt ziemlich mulmig. Und sobald die Nadel der Spritze die Haut berührt, ist der stechende Schmerz auch schon deutlich zu spüren. "Nach einer solchen Erfahrung reicht es dann bei der nächsten Impfung schon aus, sich allein das Bild der Nadel ins Gedächtnis zu rufen, um unser Schmerzgedächtnis zu aktivieren", weiß Prof. Dr. Thomas Weiß von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

 

Wie der Psychologe und sein Team jetzt erstmals in einer Studie zeigen konnten, sind es jedoch nicht nur schmerzhafte Erfahrungen und Assoziationen, die unser Schmerzgedächtnis alarmieren. "Auch verbale Reize führen in den entsprechenden Hirnarealen zu einer Aktivierung", so Prof. Weiß. Sobald wir Worte hören wie "quälend", "zermürbend" oder "plagend", werden im Gehirn genau die Regionen aktiviert, in denen wir Schmerzen verarbeiten. Das konnten die Psychologen der Uni Jena mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) beobachten. In ihrer Studie haben sie untersucht, wie gesunde Probanden Worte verarbeiten, die mit dem Empfinden von Schmerzen assoziiert sind. Um auszuschließen, dass die beobachteten Reaktionen allein auf einem negativen Affekt beruhen, bekamen die Studienteilnehmer neben den Schmerz-Worten auch andere negativ besetzte Worte – etwa "angsteinflößend", "widerlich" oder "eklig" – zu hören.

"Wir haben unseren Probanden dabei zwei Aufgaben gestellt", erläutert Maria Richter, Doktorandin in Weiß‘ Arbeitsgruppe. "In einem ersten Versuch ging es darum, dass sich die Versuchspersonen zu den Worten eine entsprechende schmerzhafte Situation vorstellen", so die Jenaer Psychologin. Bei der zweiten Aufgabe hörten die Probanden die Worte, während sie durch eine Denkaufgabe abgelenkt wurden. "In beiden Fällen haben wir eine deutliche Aktivierung der Schmerzmatrix im Gehirn durch die schmerz-assoziierten Worte festgestellt", so Maria Richter. Andere negativ besetzte Worte aktivierten diese Regionen dagegen nicht. Auch bei neutralen und positiv besetzen Worten ließen sich keine vergleichbaren Aktivitätsmuster feststellen.

"Diese Befunde zeigen, dass allein schon Worte unser Schmerzgedächtnis aktivieren können", macht Prof. Weiß deutlich. Dass wir schmerzhafte Erfahrungen in unserem Schmerzgedächtnis speichern, sei biologisch sinnvoll, da es uns ermöglicht, schmerzenden Erlebnissen, die potenziell eine Bedrohung für Leib und Leben sind, künftig aus dem Wege zu gehen. "Unsere Ergebnisse legen jedoch zusätzlich nahe, dass verbalen Reizen eine bisher unterschätzte Bedeutung zukommt", so Weiß. So stellt sich für die Psychologen nun vor allem die Frage, welche Rolle die verbale Auseinandersetzung mit Schmerzen für Patienten mit chronischen Schmerzen spielt. "Diese Patienten sprechen sehr häufig über ihr Schmerzempfinden, etwa mit ihrem behandelnden Arzt oder dem Physiotherapeuten", sagt Maria Richter. Möglicherweise verstärkten diese Gespräche die Aktivität der Schmerzmatrix im Gehirn und führten so zu einer Verstärkung der empfundenen Schmerzen. Dies wollen die Psychologen der Jenaer Universität nun in einer weiteren Studie klären.

Und bis diese Ergebnisse vorliegen, könne es jedenfalls nichts schaden, nicht zu häufig über Schmerzen zu reden. Dann ist vielleicht auch die nächste Spritze nicht mehr so schmerzhaft.

 

 

 

Prof. Dr. Thomas Weiß und Doktorandin Maria Richter von der Uni Jena untersuchen, wie schmerz-assoziierte Worte im Gehirn verarbeitet werden. Photo: Peter Scheere/FSU

 

Abb.: Prof. Dr. Thomas Weiß und Doktorandin Maria Richter von der Uni Jena untersuchen, wie schmerz-assoziierte Worte im Gehirn verarbeitet werden. Photo: Peter Scheere/FSU

 

 


Quelle: Pressemitteilung des Instituts für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 26.03.2010 (tB).

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