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Medizin und Ökonomie

Der Grat zwischen Medizin und Ökonomie – Neurologen beziehen Stellung

 

Berlin (21. Mai 2014) – Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) gibt als erste medizinische Fachgesellschaft in Deutschland ihren Mitgliedern Handlungsrichtlinien an die Hand – für Fälle, in denen ökonomische Interessen die Therapiefreiheit beeinträchtigen. Gleichzeitig formuliert die Gesellschaft Regeln für ihr eigenes Verhalten.

 

Dass Ärzte bisweilen im Spannungsfeld zwischen Heilkunst und Ökonomie stehen, ist so alt wie die Heilkunst selbst. Doch das Thema hat in den vergangenen Jahren neue Facetten entwickelt, in manchen Bereichen an Dynamik gewonnen und ist nicht immer frei von emotionaler Ladung: Die Industrie stellt ihre Marketingstrategien um und gibt sich – freiwillig sowie durch die Gesetzgebung angeschoben – deutlich offener. Gleichzeitig bedrängt der wachsende finanzielle Druck in den Kliniken die Therapiefreiheit der Ärzte. An Kraft gewinnen die Rufe nach mehr Transparenz aus der Öffentlichkeit und der Politik sowie auch aus den Reihen der Ärzteschaft.

 

In diesem Spannungsfeld zwischen Medizin und Ökonomie agiert auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie als wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft, mit mehr als 7500 Mitgliedern die größte Neurologie-Vereinigung Deutschlands und damit auch Stimme für eine ganze medizinische Fachdisziplin. Sie hat in den vergangenen Monaten ihre zahlreichen Aktivitäten zum Schutz der Unabhängigkeit ärztlichen Handelns im Sinne der Patienten von einem Komitee begutachten und in ein Grundsatzpapier gießen lassen – entstanden sind die „Handlungsrichtlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Umgang mit ökonomischen Interessen im Gesundheitswesen“, kurz: „Handlungsrichtlinien“.

 

 

Experten schreiben, Mitglieder kommentieren und diskutieren

 

Das Komitee, das Anfang 2013 seine Arbeit aufgenommen hat, setzt sich unter Leitung des ehemaligen Präsidenten der DGN, Professor Günther Deuschl, aus Vertretern verschiedener Bereiche (Klinik, Universität, Praxis, Ethik) zusammen. Der Entwurf der Handlungsrichtlinien wurde im vergangenen Jahr unter der neurologischen Ärzteschaft verbreitet und online von DGN-Mitgliedern kommentiert. Die Kernaussagen wurden außerdem auf dem DGN-Kongress in Dresden im Herbst 2013 in einer öffentlichen Veranstaltung unter Moderation des Freiburger Medizinethikers Prof. Dr. med. Giovanni Maio diskutiert. Die Ergebnisse fanden in einer weiteren Überarbeitung nun Eingang in die Handlungsrichtlinien und wurden vom Vorstand verabschiedet.

 

 

Empfehlungen für Ärzte – klare Statements an die Öffentlichkeit

 

Auch wenn die Verantwortung ärztlich-ethischen Handelns bei jedem Einzelnen liegt, muss die Deutsche Gesellschaft für Neurologie als Vertreterin von nahezu allen neurologischen Kolleginnen und Kollegen zu systemischen Entwicklungen im Gesundheitswesen klar Stellung beziehen“, so Professor Martin Grond aus Siegen, 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.


„Als wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft beschäftigen wir uns zwar vornehmlich mit der Evidenz von Therapien. Die Handlungsrichtlinien sind aber nötig, weil wir sehen, dass unsere wissenschaftlich fundierten Empfehlungen durch ökonomische Zwänge und Einflussnahmen die Patienten nicht immer erreichen.“

 

„Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat selbstverständlich weder gesetzgeberische noch exekutive Aufgaben, aber als Fachgesellschaft kann sie ihren Mitgliedern Empfehlungen an die Hand, sich selber eigene Regeln und der Politik und der Öffentlichkeit klare Signale geben“, sagt der Leiter des Komitees, Professor Günther Deuschl, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Schleswig-Holstein in Kiel. Ein aktuelles Thema ist die Einführung von DRG’s vor einigen Jahren: Das Vergütungssystem der Disease Related Groups hat massiven Kostendruck in die Kliniken gebracht, der bewirkt, dass Medizin nicht immer uneingeschränkt im Interesse der Patienten betrieben werden kann. Auch die um sich greifende Praxis von leistungsabhängigen Komponenten in Verträgen leitender Mediziner führt bisweilen zu einem erhöhten ökonomischen Einfluss auf die Behandlungsentscheidungen des Arztes. Diese und andere Entwicklungen werden in den Handlungsrichtlinien identifiziert und bewertet.

 

 

Regeln für die medizinische Fachgesellschaft

 

„Ob im Fall von Spenden, bei der Erstellung neurologischer Leitlinien, der Durchführung von Kongressen oder der Zusammenarbeit von Führungskräften der Deutschen Gesellschaft für Neurologie mit der Industrie – wir haben jetzt auch für die Fachgesellschaft selber einen mit den Mehrheitsmeinungen unserer Mitglieder konsentierten Weg eingeschlagen – die Handlungsrichtlinien sind unsere Leitplanken. Über diese Diskussionskultur bin ich sehr froh und das macht mich als Neurologe sehr stolz“, so Professor Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

 

Ein Beispiel ist die Diskussion um die Beteiligung von Industrieunternehmen auf dem jährlichen DGN-Kongress im Rahmen einer begleitenden Fachmesse oder in Form von Industriesymposien. Einerseits sind Unternehmen die maßgeblichen Treiber neuer therapeutischer Entwicklungen und haben damit auf einem wissenschaftlichen Kongress ihren Platz und ihre Berechtigung. Andererseits hat die Fachgesellschaft gemeinsam mit der Industrie in Round Table-Gesprächen einen Verhaltenskodex herausgegeben, welche Aktivitäten erlaubt sind – und wann die Grenzen überschritten sind.

 

„Es geht nicht darum, ob Ärzte mit der Industrie zusammenarbeiten, sondern wie – nämlich auf Augenhöhe, unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten und zum Wohl der Patienten“, betont Professor Günther Deuschl. „Die Handlungsrichtlinien sind ein erster, aber bedeutender Schritt, um in diese Zusammenarbeit endlich die berechtigterweise geforderte Transparenz zu bringen.“

 

  • Die Handlungsrichtlinien sind im Internetauftritt der Deutschen Gesellschaft für Neurologie unter www.dgn.org nachzulesen.

 


 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN), 21.05.2014 (tB) Thomas Backe

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