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69. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
Chronische Obstipation – eine Herausforderung an den Therapeuten
Leipzig (18. September 2014) – Die chronische Obstipation ist eine der häufigsten Beschwerden der Allgemeinbevölkerung – darauf wiesen die Referenten während eines Satellitensymposiums der Firma Shire auf der 69. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten nachdrücklich hin. Hierzu trägt auch der demographische Wandel bei, denn gerade ältere Menschen, deren Anteil an der Gesellschaft stetig zunimmt, leiden besonders häufig unter Verstopfung. Unter dem Vorsitz von Prof. Thomas Frieling aus Krefeld wurden Diagnostik und Therapie der chronischen Obstipation umfassend diskutiert. Wichtig ist dabei die Abgrenzung vom Reizdarmsyndrom mit Obstipation. Therapeutisch sollte stets ein Stufenschema befolgt werden, in dem nach der Änderung der Lebensgewohnheiten und der Einnahme von Laxantien auch das Prokinetikum Prucaloprid (Resolor®) einen wichtigen Stellenwert hat.
Im Anschluss an das Symposium wurde der Martin-Wienbeck-Preis 2014 für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der (Patho-)Physiologie der Motilität des Magen-Darmtraktes und seiner nervalen Steuerung verliehen. Preisträger waren Prof. Dieter Saur aus München und Prof. Karl-Herbert Schäfer aus Kaiserslautern.
Die chronische Verstopfung ist häufig
„Die Prävalenz der chronischen Obstipation wird mit 3-18 % angegeben“, sagte Prof. Frieling, Direktor der Medizinischen Klinik II am Helios Klinikum Krefeld. In einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung von 2005 hatten 8,2 % der Befragten im Laufe des vergangenen Jahres subjektiv an Verstopfung gelitten. Frieling prognostizierte einen Anstieg der Häufigkeit in den kommenden Jahren, allein aus demographischen Gründen. Die Zahl älterer Menschen nimmt in Deutschland überproportional zu, und damit auch die chronische Obstipation. Dies hat signifikante klinische Konsequenzen durch die Entwicklung von Inappetenz, Gewichtsverlust, Anorexie, verminderter Sozialfähigkeit und erhöhter Sterblichkeit und führt auch zu einer erheblichen sozioökonomischen Belastung. Denn obstipierte Patienten nutzen die Resourcen des medizinischen Versorgungssystems häufiger als Patienten mit normaler Verdauung und verursachen allein in den USA Behandlungskosten von 6,9 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Stuhlfrequenz nicht entscheidend
Die Charakterisierung der chronischen Obstipation als zum Arztbesuch führende und die Lebensqualität einschränkende Erkrankung wird wesentlich durch die subjektive Beeinträchtigung (Pressen, Gefühl der inkompletten Entleerung, Gefühl der anorektalen Obstruktion/Blockade) und weniger durch objektive Parameter (Stuhlfrequenz) bestimmt. Die chronische Obstipation ist insofern eine typische „Eisberg-Erkrankung“, bei der der Übergang von physiologisch zu krankhaft fließend ist. In der Bevölkerung gibt es die Meinung, dass eine Stuhlentleerung pro Tag normal und zu erwarten sei. Dies trifft aber nur bei 40 % der Männer und bei 33 % der Frauen tatsächlich zu, erläuterte Frieling. Daher muss durch eine genaue Anamnese und körperliche Untersuchung eingegrenzt werden, ob tat-sächlich eine chronische Obstipation vorliegt, oder vielleicht ein Reizdarmsyndrom mit Obstipation (RSD-O).
Chronische Obstipation oder Reizdarmsyndrom mit Obstipation?
Das internationale Rom-Komitee hat versucht, die unterschiedlichen funktionellen Darmerkrankungen durch feste Kriterien eindeutig zu klassifizieren, erläuterte Frau Dr. Viola Andresen vom Israelitischen Krankenhaus in Hamburg. In diesen Rom-Kriterien wird daher auch eindeutig zwischen einem Reizdarmsyndrom mit Obstipation und einer chronischen funktionellen Obstipation unterschieden (s.Tab.). Bei genauerem Hinsehen entdeckt man jedoch, dass sich die Kriterien zwischen diesen beiden Erkrankungen zum Teil deutlich überlappen. Da die Diagnose einer funktionellen Obstipation nach den Rom III Kriterien jedoch erst dann erlaubt ist, wenn die Kriterien eines RDS nicht erfüllt sind, schließen sich die beiden Erkrankungen durch diesen Kunstgriff gegenseitig aus. Dieses Bemühen um Objektivierung ist besonders wichtig, weil sich die Symptomatik beider Erkrankungen häufig sehr ähnelt. Blähungen, Völlegefühl und natürlich Obstipation sind gemeinsame Symptome. Das entscheidende Kriterium jedoch, welches für die Diagnose eines RDS erforderlich ist und das tatsächlich in vielen Fällen die Abgrenzung eines RDS von einer reinen funktionellen Obstipation möglich macht, ist das Vorliegen von Bauchschmerzen.
Allerdings kann die Ausprägung der Symptomatik sich im Laufe eines Patientenlebens phasenweise verändern, sagte Andresen. Im klinischen Alltag sind daher am ehesten drei Gruppen zu unterscheiden: 1. Patienten mit isolierter funktioneller Obstipation, ohne je begleitende Bauchschmerzen zu haben, 2. Patienten mit einem Reizdarmsyndrom, die immer vorwiegend unter Bauch-schmerzen leiden, aber auch Obstipationsbeschwerden angeben, und schließlich 3. Patienten mit einer Overlap-Symptomatik, die wechselhafte Obstipationsbeschwerden und/oder fluktuierende Bauchschmerzen haben.
Wichtig für die Therapie: Primäre oder sekundäre Obstipation?
Vor therapeutischen Überlegungen bei Patienten mit chronischer Obstipation muss in der Praxis primär zunächst immer eine sekundäre Obstipation als Folge einer kausal zu behandelnden organischen Erkrankung, einer neurologischen, endokrinen oder systemischen Erkrankung sowie eine medikamentös bedingte Obstipation ausgeschlossen werden, betonte Prof. Christian Pehl, Ärztlicher Direktor am Krankenhaus Vilsbiburg. Erst dann und wenn auch sicher ist, dass keine Entleerungsstörung vorliegt, kann von einer primären, funktionellen chronischen Obstipation gesprochen werden. In diesem Fall empfiehlt es sich, dem therapeutischen Algorithmus der S2K-Leitlinie chronische Obstipation der DGVS und DGNM zu folgen.
Am Anfang stehen dabei Allgemeinmaßnahmen wie ausreichende Flüssigkeits-zufuhr, Bewegung und ballaststoffreiche Ernährung, gegebenenfalls ergänzt durch eine supplementäre Ballaststoff-Gabe. Reicht dies nicht aus, schließt sich die Gabe von Laxantien an. Aufgrund der Wirkung/Nebenwirkungsrelation sind Makrogol-Präparate sowie Bisacodyl oder Natriumpicosulfat Mittel der ersten Wahl, Laktulose und andere Zuckerstoffe sowie die Antrachinone sind Mittel der zweiten Wahl, erläuterte Pehl. Bei deren Ineffektivität ist durchaus ein Wechsel des Präparates und/oder eine Kombinationstherapie aus mehreren Laxantien oder aus Laxans plus Ballaststofftherapie möglich. Aufgrund unzureichender Wirkung oder starker Nebenwirkungen ist jedoch fast die Hälfte der Patienten mit der Behandlung durch Laxantien nicht wirklich zufrieden. In diesem Fall können die Frauen unter ihnen mit dem Prokinetikum Prucaloprid (Resolor®) behandelt werden. Denn der 5-HT4-Rezeptoragonist Prucaloprid wirkt direkt auf die gestörte Darmmotilität und stimuliert höhere Kontraktionsamplituden. Hierdurch werden sowohl Obstipationssymptome als auch die subjektive Lebensqualität der Betroffenen verbessert.
Tabelle 1: Definition chronische Obstipation Rom III 1. Zwei oder mehr der folgenden Kriterien
2. Dünne Stühle selten ohne Laxantien
3. Ausschluss Reizdarmsyndrom |
Quelle: Satellitensymposium Shire, DGVS Leipzig 18.9.2014: Management der chronischen Obstipation – Was gibt es Neues? (tB).