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Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) 2017

Gezieltes Management der Atemfunktion bei Duchenne-Muskeldystrophie:
Der Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis entgegenwirken

München, (10. Oktober 2017) – Während die Diagnose der Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) durch molekulargenetische Untersuchungsmöglichkeiten heutzutage keine Herausforderung mehr darstellt, besteht aktuell häufig eine Hürde bei der praktischen Umsetzung von frühzeitigen Atemfunktions-Untersuchungen. In der Praxis bleibt die Einschränkung der Atemmuskulatur oftmals unbemerkt und wird erst mit Vorliegen von akuten Ereignissen – wie etwa eine Sekretverlegung der Atemwege oder Aspirationspneumonien – erkannt. Dabei stellt die Früherkennung der progredient abnehmenden Atemfunktion eine elementare Voraussetzung für eine optimale Versorgung der Patienten mit DMD dar. Dazu sollten alle Potentiale verfügbarer medikamentöser und physiotherapeutischer Behandlung gänzlich ausgenutzt werden. Möglicherweise kann die Versorgung der Patienten mit DMD in Zukunft auch durch neue Therapieansätze verbessert werden. Ein interdisziplinärer Austausch komplettiert die ganzheitliche Behandlung. Zu diesem Fazit kamen Prof. Maggie C. Walter (München), Dr. Abdel Hakim Bayarassou (Bonn) und Prof. Andreas Hahn (Gießen) im Rahmen eines Symposiums der Santhera (Germany) GmbH anlässlich der diesjährigen Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Santhera hat sich der Erforschung und Entwicklung einer neuen Therapie zur Behandlung des Atemfunktionsverlusts bei DMD verschrieben: Idebenon adressiert erstmals die Behandlung des zunehmenden Atemfunktionsverlusts bei Patienten mit DMD und ist zur Zulassung eingereicht.

Abnahme der Atemfunktion setzt mit Verlust der Gehfähigkeit ein

„Das Vorliegen einer Duchenne-Muskeldystrophie wird bei den meisten Patienten erst ab dem 2. Lebensjahr auffällig“, leitete Prof. Walter in die Thematik der DMD ein. Motorische, mentale und sprachliche Entwicklungsstörungen sind dabei die ersten Indikatoren. Zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr fallen die Jungen durch häufiges Stürzen und einen „watschelnden“ Gang auf. Dies resultiert aus der in diesem Krankheitsstadium vor allem vorliegenden Schwächung der Hüft- und proximalen Beinmuskulatur. Im Verlauf der Erkrankung nimmt die Muskelschwäche weiter zu und betrifft zunehmend auch die Atemhilfsmuskulatur sowie die Nackenbeuger, Fußheber und die proximale Armmuskulatur. Mit dem Verlust der Gehfähigkeit – im Alter von 9-12 Jahren – setzt häufig auch die irreversible Abnahme der Atemfunktion ein.1 Charakteristisch für den späteren Verlust der Atemfähigkeit ist die verminderte Hustenfähigkeit sowie die daraus resultierende erhöhte Anfälligkeit für pulmonale Infekte. Ein Teufelskreis ist entfacht, der zu wiederkehrenden Hospitalisierungen, einer respiratorischen Insuffizienz und letztlich einem – meist plötzlichen – Atemversagen führt.2,3,4,5,6,7 Noch heute sind bis zu 70% der Todesfälle bei DMD-Patienten durch eine Abnahme der Atemfunktion bedingt.8

Die respiratorische Funktion im Blick – frühzeitiges Monitoring unabdingbar

„Um eine suffiziente Atmung zu gewährleisten, müssen alle an der Atmung beteiligten Muskelgruppen koordiniert zusammenarbeiten. Es ist somit elementar, respiratorische Veränderungen frühzeitig zu detektieren und sie in der interdisziplinären Behandlung zu adressieren“, appellierte Dr. Bayarassou. Ein regelmäßiges Screening der Lungenfunktion, die regelmäßige Bestimmung des Hustenstoßes sowie die regelmäßige Analyse der Blutgase können frühzeitige Hinweise auf das Vorliegen einer Störung der Atemmuskulatur geben. Um eine Atemfunktionsstörung früh zu erfassen, kommen verschiedene Messinstrumente zum Einsatz, darunter die Messung der Vitalkapazität in Prozent des Sollwerts (FVC%p) und der exspiratorische Spitzenfluss in Prozent des Sollwerts (PEF%p).

Ab einer FVC von 80%p liegt eine irreversible Abnahme der Atemfunktion vor, eindeutige klinische Symptome hingegen zeigen sich oftmals erst ab einer FVC < 50%p.9 Vor diesem Hintergrund ist ein frühzeitiges und regelmäßiges Monitoring, wie es auch von den Leitlinien empfohlen wird, unausweichlich.5,10,11 „Nur mittels Durchführung regelmäßiger Atemfunktions-Untersuchungen und frühzeitiger Intervention besteht die Chance, die Abnahme zu verlangsamen, einen effektiven Husten zu erhalten und den nächsten klinischen Grenzwert der Atemfunktionsabnahme hinauszuzögern“, so Dr. Bayarassou weiter.

Folgende Empfehlungen zum differenzierten pneumologischen Monitoring werden für Patienten mit DMD allgemein als sinnvoll anerkannt: 5,10,11

  • Vorstellung beim Pneumologen: noch vor Symptombeginn – somit idealerweise zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr. Im Anschluss Monitoring 1x jährlich,
  • sofern bereits eine Rollstuhlpflicht besteht oder Patienten älter als 12 Jahre sind: pneumologische Untersuchung halbjährlich,
  • bei Patienten mit therapiebedürftiger Husteninsuffizienz oder Beatmungspflicht: pneumologische Untersuchung alle 3 bis 6 Monate.


Neue pathophysiologische Erkenntnisse = Wegbereiter zu neuen Therapiemöglichkeiten?

„Obwohl in den letzten 20 Jahren eine Verbesserung der Lebensqualität und Verlängerung der Lebensdauer von Patienten mit DMD erreicht wurde, sind weitere Bemühungen erforderlich, um DMD besser und zielgerichteter behandeln zu können“, so Prof. Walter. Aktuell zugelassene Behandlungen konzentrieren sich dabei primär auf die Gehfähigkeit und das supportive Management der Atemfunktion. „Ziel ist es, in Zukunft auch die Atemfunktion länger aufrechtzuhalten und dem Verlust signifikant entgegenzuwirken. So könnte es gelingen, unsere Patienten besser zu behandeln“, resümierte Prof. Hahn.

Diesem hohen Bedarf entgegenzutreten und eine neue – auf die Atemfunktionsabnahme zielende – Therapie zu erforschen und zu entwickeln hat sich Santhera verschrieben. Idebenon, ein Arzneimittel, welches in klinischen Studien den Atemfunktionsverlust bei Patienten mit DMD signifikant verlangsamen konnte, wurde im Mai 2016 bei der Europäischen Zulassungsbehörde (European Medicines Agency, EMA) zur Zulassung eingereicht. Neben Idebenon befindet sich eine Vielzahl weiterer Arzneimittel in der klinischen Erforschung und Entwicklung. „Wir gehen davon aus, dass wir zukünftig verschiedene Medikamente kombinieren müssen, um unseren Patienten eine bestmögliche Therapie und Versorgung zu ermöglichen“, so Prof. Hahn abschließend.

Patientenregister unterstützt sowohl Forscher als auch Patienten

Neben den verfügbaren und den in der Erforschung befindlichen Therapien trägt auch das Patientenregister «Treat-NMD» zum besseren Verständnis der Erkrankung und Erforschen neuer Therapieansätze bei. Das Register stellt zum einen eine Hilfe für Patienten dar, indem es auf neue Studien oder neu verfügbare Medikamente hinweist; zum anderen nutzt es Forschern, die Erkrankung und deren Verlauf noch besser zu verstehen und die Wirksamkeit von Medikamenten zu beobachten“, hob Prof. Walter die Bedeutung des Registers hervor. Patienten können sich selbst unter www.treat-nmd.de/register/ registrieren.

Über Raxone® (Idebenon), Duchenne-Muskeldystrophie und DELOS

Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist eine der am weitesten verbreiteten und schwerwiegendsten Formen von rasch fortschreitendem Muskelschwund. Charakteristisch ist der Verlust des Proteins Dystrophin, der zu Zellschädigung, gestörtem zellulärem Kalziumhaushalt, erhöhtem oxidativem Stress und verringerter zellulärer Energieproduktion in Muskelzellen führt. Diese zellulären Schäden resultieren in fortschreitender Muskelschwäche und Muskelschwund und führen aufgrund von Atemversagen zu früher Morbidität und Mortalität.

Idebenon ist ein synthetisches Benzoquinone und Kofaktor für das zelluläre Enzym NAD(P)H-quinone oxidoreductase (NQO1). Der Wirkstoff kann den mitochondrialen Elektronentransport stimulieren, den oxidativen Stress vermindern und die zelluläre Energieversorgung verbessern.

DELOS war eine Phase-III, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Studie mit 64 Patienten, welche entweder Raxone®-Tabletten oder entsprechendes Plazebo erhielten. Die Studie erreichte den primären Endpunkt und zeigte, dass Raxone® den Verlust der Atemfunktion verzögern und das Auftreten bronchopulmonaler Komplikationen verringern kann. Die positiven Resultate der Phase- III-DELOS-Studie wurden erstmals in The Lancet (Buyse et al., The Lancet 2015 385(9979):1748- 57) und in Neuromuscular Disorders (Craig et al., Neuromuscular Disorders 2016 26 (2016) 473- 480) veröffentlicht.

Über Santhera

Santhera Pharmaceuticals (SIX: SANN) ist ein auf die Entwicklung und Vermarktung innovativer Medikamente zur Behandlung seltener neuromuskulärer und mitochondrialer Krankheiten fokussiertes Schweizer Spezialitätenpharmaunternehmen. Santheras erstes Produkt Raxone® ist in der Europäischen Union zur Behandlung von Leberscher Hereditärer Optikus-Neuropathie (LHON) zugelassen. Für Duchenne-Muskeldystrophie (DMD), die zweite Indikation für Raxone®, hat Santhera in der Europäischen Union die Zulassung beantragt (Marketing Authorization Application, MAA). Santhera entwickelt Raxone® in einer dritten Indikation, primär progredienter Multipler Sklerose (PPMS), sowie Omigapil für Patienten mit kongenitaler Muskeldystrophie (CMD). Für alle diese Krankheiten besteht ein sehr hoher medizinischer Bedarf.


Literaturverweise

  • Henricson EK et al. Manuscript in preparation 2017.
  • Lo Mauro A et al. Eur Respir J 2010; 35:1118–25.
  • Lo Mauro A et al. Ther Clin Risk Manag 2015;11:1475–88.
  • Romei M et al. Respir Med 2012; 106:276–83.
  • Finder JD et al. Am J Respir Crit Care Med 2004; 170:456–65.
  • Dohna-Schwake C et al. Neuromuscul Disord 2006; 16:325–8.
  • Mayer OH et al. Manuscript in preparation 2017.
  • Simonds AK. Sem Resp Crit Care Med 2002; 23:231–8.
  • Henricson EK et al. Manuscript in preparation 2017.
  • Finder JD et al. Pediatrics 2009; 123;S239–S241.
  • Bushby K et al. The Lancet Neurology 2010; 9:77–93.


Quelle: Santhera, 10.10.2017 (tB).

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