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ALK-Inhibitor und Immuntherapie zeigen vielversprechende Ergebnisse

 

Bonn (16. Juni 2015) – Aktuelle, auf der 51. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vom 29. Mai bis 2. Juni 2015 in Chicago/Illinois, USA, vorgestellte Daten sprechen dafür, dass in der Behandlung von Lungenkrebs zukünftig neue Wirkstoffe zur Verfügung stehen könnten. Den Studiendaten zufolge zeichnen sich die beiden neuen Prüfmedikamente Alectinib und Atezolizumab sowohl durch Wirksamkeit als auch Verträglichkeit aus. Der ALK-Inhibitor Alectinib ließ bei nahezu der Hälfte der Patienten mit fortgeschrittenem ALK-positivem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), die bereits mit Crizotinib vorbehandelt waren, die Tumore schrumpfen. Der Anti-PDL1-Antikörper Atezolizumab verdoppelte die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Patienten, deren Tumor einen Anteil von PD-L1-exprimierenden Tumorzellen von ≥ 50 % oder PD-L1-exprimierenden Immunzellen von ≥ 10 % aufwies gegenüber einer Chemotherapie. Im Rahmen einer Pressekonferenz der Roche Pharma AG in Bonn stellte Prof. Dr. Jürgen Wolf, Köln, die positiven Studienergebnisse vor und betonte das Potenzial der beiden Prüfmedikamente, die zukünftige NSCLC-Therapie zu verändern.


Mit Alectinib und Atezolizumab, zwei in der klinischen Prüfung befindlichen Wirkstoffen, könnte das Behandlungsspektrum von Patienten mit NSCLC in naher Zukunft eine wichtige Erweiterung erfahren. Beide Prüfmedikamente erhielten durch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA den Status eines Therapiedurchbruchs (Breakthrough Therapy Designation) für die Behandlung des NSCLC, Atezolizumab zudem auch für das Blasenkarzinom. Die Breakthrough Therapy Designation soll die Entwicklung und Prüfung von Medikamenten, die für die Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen vorgesehen sind, beschleunigen und sicherstellen, dass die Patienten so schnell wie möglich Zugang zu diesen Medikamenten erhalten.

 

 

Alectinib: Ansprechraten bei ZNS-Metastasen bis zu 69 %

 

Bei ca. 5 % der NSCLC-Patienten findet sich eine Aktivierung der anaplastischen Lymphomkinase (ALK), man spricht dann von einem ALK-positiven NSCLC.1,2 Alectinib ist nach Crizotinib und Ceritinib der dritte orale Inhibitor der anaplastischen Lymphomkinase (ALK). Potenzieller Vorteil der neuen Substanz ist deren ausgeprägte Wirksamkeit im Zentralnervensystem (ZNS). Die globale, einarmige, offene, multizentrische Phase-I/II-Studie NP28673 untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit von Alectinib 600 mg zweimal täglich bei 138 Patienten mit ALK-positivem NSCLC, deren Erkrankung unter dem ALK-Inhibitor Crizotinib weiter fortgeschritten war.3 60 % der Patienten hatten Metastasen im ZNS. Nach einem medianen Follow-up von 30 Wochen zeigte sich eine Gesamtansprechrate (ORR; primärer Endpunkt) von 49,2 % (95 %-KI: 40,0 – 58,4), beurteilt nach den RECIST (Response Evaluation Criteria In Solid Tumors)-Kriterien durch ein unabhängiges Überprüfungsgremium (IRC). Besonders hervorzuheben sei laut Wolf die Ansprechrate von 57,1 % (95 %-KI: 39,4 – 73,7) bei Patienten mit messbaren ZNS-Metastasen, darunter fünf komplette Remissionen (CR). „Diese exzellente intrakranielle Aktivität von Alectinib ist von großer Bedeutung, da bei etwa der Hälfte aller Patienten mit ALK-positivem Lungenkrebs der Tumor in das Gehirn streut und die Erkrankung damit sehr schwer zu behandeln ist“, hob der Kölner Lungenkrebs-Spezialist hervor.

 

Die positiven Daten einer weiteren einarmigen, offenen, multizentrischen Phase-I/II-Studie (NP28761) bei 87 Patienten mit ALK-positivem NSCLC und Progression unter Crizotinib (60 % ZNS-Metastasen) bestätigen diese Ergebnisse.4 Nach einem medianen Follow-up von 20,7 Wochen zeigte sich eine Gesamtansprechrate von 47,8 % (95 %-KI: 35,6 – 60,2) sowie 68,8 % (95 %-KI: 41,3 – 89,0) bei Patienten mit messbaren ZNS-Metastasen.

 

Die in der Studie NP28761 am häufigsten (≥ 2 %) auftretenden Nebenwirkungen des Schweregrades ≥ 3 waren Kurzatmigkeit (3 %), ein Anstieg des Muskelenzyms Kreatinphosphokinase (8 %) sowie erhöhte Leberwerte (Alanin-Aminotransferase [ALT]: 6 %, Aspartat-Aminotransferase [AST]: 5 %).4

 

 

Ausschlaggebend ist der Anteil an PD-L1-exprimierenden Zellen: OS versus Chemotherapie unter Atezolizumab verdoppelt

 

Ein weiterer vielversprechender Ansatz in der Behandlung des NSCLC ist die Immuntherapie mit dem Anti-PDL1-Antikörper Atezolizumab (MPDL3280A). Atezolizumab wurde entwickelt, um das Protein PD-L1 zu blockieren. Der Wirkstoff zielt auf den PD-1-Liganden (PD-L1) ab, der auf der Oberfläche von Tumorzellen und Tumor-infiltrierenden Immunzellen sitzt. Dieser Ligand kann T-Zellen deaktivieren, indem es an seine entsprechenden Rezeptoren PD-1 und B7.1 bindet und so ein hemmendes Signal an das körpereigene Immunsystem auslöst. Indem der Wirkstoff Atezolizumab an PD-L1 bindet, verhindert er die Wechselwirkung mit den beiden Rezeptoren der T-Zelle. Folglich kann das Immunsystem gegen den Tumor reagieren. Atezolizumab wird in einem umfangreichen klinischen Entwicklungsprogramm getestet. Im Rahmen des ASCO wurden aktuelle Studiendaten in der Behandlung des NSCLC und des Blasenkarzinoms vorgestellt.

 

Die randomisierte Phase-II-Studie POPLAR bei NSCLC vergleicht bei 287 Patienten mit vorbehandelter, fortgeschrittener Erkrankung die Wirksamkeit einer Atezolizumab-Monotherapie (1.200 mg i.v. q3w) mit dem Chemotherapeutikum Docetaxel (75 mg/m2 i.v. q3w), einer in dieser Indikation etablierten Chemotherapie.5 Nach den Ergebnissen der Zwischenauswertung verdoppelte Atezolizumab die Überlebenswahrscheinlichkeit (Gesamtüberleben [OS]; primärer Endpunkt) bei der Gruppe von Studienteilnehmern, deren Tumor einen Anteil von ≥ 50 % an PD-L1-exprimierenden Tumorzellen oder ≥ 10 % an PD-L1-exprimierenden Immunzellen zeigte verglichen mit Docetaxel (HR: 0,46).5 Eine Verlängerung des Überlebens wurde auch bei einer Teilgruppe von Patienten beobachtet, deren Tumor einen Anteil von ≥ 5 % an PD-L1-exprimierenden Tumor- oder Immunzellen aufwies (HR: 0,56). Fasst man alle Patienten zusammen, deren Tumore ≥1% PD-L1-exprimierende Tumor- oder Immunzellen haben, ergibt sich auch hier eine Verlängerung des Überlebens (HR: 0,63). Bei Patienten, deren Tumor keine oder kaum nachweisbare (< 1 %) PD-L1-Expression auf Tumor- oder Immunzellen aufwies, zeigte sich kein Vorteil durch die Behandlung mit dem Anti-PDL1-Antikörper gegenüber der Standardtherapie (HR: 1,12). „Damit konnte erstmals in einer randomisierten Studie bei Patienten mit NSCLC beschrieben werden, dass die Blockade des PD-L1/PD-1-Signalwegs in Abhängigkeit des Anteils an PD-L1-exprimierenden Tumor- oder Immunzellen zu einer Verlängerung des Überlebens führen könnte. Jetzt wird es spannend sein, zu sehen, wie die finale Analyse der Studie aussieht“, kommentierte Wolf die Daten. Für den spezifischen Nachweis von PD-L1 wird ein diagnostischer Begleittest entwickelt (Klon SP142 von Ventana Medical Systems), mit dem die PD-L1-Expression auf den Tumorzellen (TC) und Tumor-infiltrierenden Immunzellen (IC) immunhistochemisch nachgewiesen werden kann. Atezolizumab war allgemein gut verträglich, die Nebenwirkungen entsprachen denen in früheren Atezolizumab-Studien bei NSCLC-Patienten. Trotz einer längeren medianen Behandlungsdauer für Atezolizumab als für Docetaxel (3,7 vs. 2,1 Monate) traten bei weniger Studienteilnehmern unter dem Anti-PDL1-Antikörper behandlungsassoziierte unerwünschte Ereignisse Grad ≥ 3 auf (12 % vs. 39 %).

 

Das Immuntherapeutikum (15 mg/kg i.v. q3w) zeigte auch in Kombination mit einer Standard-Chemotherapie bei 37 chemotherapie-naiven Patienten mit lokal fortgeschrit-tenem oder metastasierendem NSCLC eine vielversprechende klinische Aktivität, wie die auf der diesjährigen Jahrestagung vorgestellten Daten einer Phase-Ib-Studie belegen.6 Die Gesamt-ORR in allen Studienarmen betrug 67 %, das Ansprechen war jeweils unabhängig vom Anteil der PD-L1-exprimierenden Zellen. Die Kombination mit der Chemotherapie zeigte keine unerwarteten unerwünschten Ereignisse.

 

Ergänzt wurden die positiven Daten zur Wirksamkeit von Atezolizumab beim NSCLC durch sehr vielversprechende Ergebnisse einer Phase-Ia-Studie bei 92 Patienten mit vorbehandeltem, metastasiertem Blasenkarzinom.7 Die Gesamtansprechrate unter einer Monotherapie mit Atezolizumab (15 mg/kg oder 1.200 mg i.v.) für Studienteilnehmer mit einem Anteil von ≥ 5 % an PD-L1-exprimierenden Immunzellen (IC2/3) im analysierten Tumorgewebe betrug 50 %, das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) lag bei 6 Monaten. Das mediane Gesamtüberleben wurde in der Patientengruppe mit hoher PD-L1-Expression noch nicht erreicht. Mehr als die Hälfte (57 %) der Patienten in dieser Gruppe war nach einem Jahr noch am Leben.

 

„Der amerikanische Krebskongress hat gezeigt, dass es sowohl beim NSCLC wie auch beim Blasenkarzinom vielversprechende neue zielgerichtete Therapienstrategien gibt. Angesichts des hohen Bedarfs an neuen Therapien in diesen Indikationen ist das eine sehr gute Nachricht“, so das Fazit von Wolf.

 

 

Literaturverweise 

  1. Gridelli C et al., Cancer Treat Rev 2014; 40: 300-6
  2. Rikova K et al., Cell 2007; 131: 1190-203
  3. Ou SI et al., Presentation ASCO 2015 (Abstract #8008)
  4. Gandhi L et al., Poster ASCO 2015 (Abstract #8019)
  5. Spira AI et al., Presentation ASCO 2015 (Abstract #8010)
  6. Liu SV et al., Poster ASCO 2015 (Abstract #8030)
  7. Petrylak DP et al., Presentation ASCO 2015 (Abstract #4501)

 

 

Über Roche

 

Roche mit Hauptsitz in Basel, Schweiz, ist eines der führenden Unternehmen im forschungsorientierten Gesundheitswesen. Es vereint die Stärken der beiden Geschäftsbereiche Pharma und Diagnostics und entwickelt als weltweit größtes Biotech-Unternehmen differenzierte Medikamente für die Onkologie, Immunologie, Infektionskrankheiten, Augenheilkunde und Neurowissenschaften. Roche ist auch der weltweit bedeutendste Anbieter von Produkten der In-vitro-Diagnostik und gewebebasierten Krebstests und ein Pionier im Diabetesmanagement. Medikamente und Diagnostika, welche die Gesundheit, die Lebensqualität und die Überlebenschancen von Patienten entscheidend verbessern, sind Ziel der Personalisierten Medizin, eines zentralen strategischen Ansatzes von Roche. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1896 hat Roche über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren wichtige Beiträge zur Gesundheit in der Welt geleistet. Auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation stehen 28 von Roche entwickelte Medikamente, darunter lebensrettende Antibiotika, Malariamittel und Chemotherapeutika.

 

Die Roche-Gruppe beschäftigte 2014 weltweit über 88 500 Mitarbeitende, investierte 8,9 Milliarden Schweizer Franken in Forschung und Entwicklung und erzielte einen Umsatz von 47,5 Milliarden Schweizer Franken. Genentech in den USA gehört vollständig zur Roche-Gruppe. Roche ist Mehrheitsaktionär von Chugai Pharmaceutical, Japan.

 


 

 

 

Roche Pharma AG, Deutschland

 

Die Roche Pharma AG in Grenzach-Wyhlen beschäftigt über 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von hier aus werden alle zulassungsrelevanten Studien für Deutschland koordiniert. Darüber hinaus werden auch Studien für bereits auf dem Markt befindliche Produkte durchgeführt. Von Grenzach-Wyhlen aus erfolgen zudem zentrale Elemente der technischen Qualitätssicherung für den gesamten europäischen Raum. Außerdem ist die Roche Pharma AG für das Marketing und den Vertrieb verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf dem gesamten deutschen Markt zuständig.

 

  • Weitere Informationen zur Roche Pharma AG finden Sie unter www.roche.de

 


 

Quelle: Roche Pharma, 16.06.2015 (tB).

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