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Bikini tragen ohne Narben – ist NOTES die Lösung?
Nationales N.O.T.E.S.-Register etabliert, um Überblick über klinischen Einsatz zu erhalten und Probleme frühzeitig erkennen zu können
Berlin (2. Oktober 2008) – Chirurgie ohne Narben! – Ist das möglich? Eingriffe in ein biologisches System ohne Narbenbildung vermögen nur philippinische Wunderheiler, wie eine Illustrierte vor Jahren erklärte. Narben entstehen und verbleiben immer, egal ob beim Baum, beim Tier oder beim Menschen, und das unabhängig davon, ob es sich um plastische Chirurgie, Unfallchirurgie oder Eingriffe im Bauchraum handelt. Nur, wie viel ist äußerlich sichtbar? Hier setzt die neuerliche Diskussion um N.O.T.E.S. (Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery) ein. Bei der Methode wird mit Zugang durch eine natürliche Körperöffnung, wie zum Beispiel Mund, After mit Darm oder Vagina, in der Bauchhöhle operiert.
Langzeitergebnisse dieser Methode liegen bislang nicht vor. „Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) hat daher ein Nationales N.O.T.E.S.-Register etabliert, um einen Überblick über den klinischen Einsatz zu erhalten, eventuelle Probleme und Komplikationen frühzeitig zu erkennen und somit unter Umständen einen positiven Einfluss ausüben zu können,“ sagt Prof. Dr. Heinz J. Buhr, Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik I, Charité – Universitätsmedizin Berlin, anlässlich der „Viszeralmedizin 2008“ in Berlin. Die DGAV könne damit der Öffentlichkeit, den Kostenträgern und der Politik beweisen, dass die wissenschaftliche Fachgesellschaft die Entwicklung und Einführung eines neues Operationsverfahrens sorgfältig verfolgt und überwacht.
Die Chirurgie des letzten Jahrhunderts ist in Entwicklungsphasen zu gliedern:
Ende des 19. Jahrhunderts bis ca. Zweiter Weltkrieg wurde die Anatomie des Körpers von Chirurgen zunehmend entdeckt und bereits größere Organeingriffe durchgeführt. Äußerliche Narben waren ohne Bedeutung, entscheidend war ausschließlich die Heilung und das Überleben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bis Mitte der 60ziger Jahre wurden durch moderne Narkoseverfahren und Antibiotika die Eingriffe deutlich ausgeweitet und risikoreicher.
Ab Mitte der 60er bis Anfang der 80er Jahre stand in der onkologischen Chirurgie die Lymphknotenausräumung, die sorgfältige Präparation entlang anatomischer Strukturen und Schichten sowie die Rekonstruktion von Organen und ihrer physiologischen Bedeutungen im Vordergrund.
In den 80ziger Jahren kam der große Schritt und die Einsicht in die Verkleinerung von Schnitten ins Bewusstsein: Der alte chirurgische Spruch: „Small Incision – Small Brain“ war überholt. Die Chirurgie besann sich ihrer kosmetischen Folgen: Die Minimal-Invasive Chirurgie (MIC) entwickelte sich zu einem Flächenbrand in allen Krankenhäusern und hat bei vielen Menschen zum Nachteil geführt, geschadet und bei einigen auch tödlich geendet. Jeder Chirurg wollte, musste oder war getrieben, MIC durchzuführen, unabhängig von seiner Eignung oder seinem Trainingszustand.
Erleben wir dies bei N.O.T.E.S. erneut? Nein. Die DGAV hat ein Nationales N.O.T.E.S.-Register etabliert, um einen Überblick über den klinischen Einsatz zu erhalten, eventuelle Probleme und Komplikationen frühzeitig zu erkennen und somit unter Umständen einen positiven Einfluss ausüben zu können. Sie ist damit in der Lage, der Öffentlichkeit, den Kostenträgern und der Politik zu beweisen, dass die wissenschaftliche Fachgesellschaft die Entwicklung und Einführung eines neues Operationsverfahrens sorgfältig verfolgt und überwacht.
Was ist N.O.T.E.S.?
N.O.T.E.S ist das Operieren in der Bauchhöhle mit Zugang durch eine natürliche Körperöffnung, zum Beispiel Mund, After mit Darm oder Vagina. Eingeführt wurde die Methode von indischen Chirurgen, die an Hühnern trainiert hatten: Sie haben bei einigen Patienten über den Mund und den Magen den Blinddarm entfernt. Beim Zugang über den Mund und die Speiseröhre wird das übliche Endoskop benutzt. Dann wird ein Loch im Magen erzeugt, um über dieses Loch mit dem Endoskop in die freie Bauchhöhle zu gelangen, um z.B. die Gallenblase oder den Blinddarm zu entfernen. Bei diesem Vorgehen sind jedoch zwei Probleme vorhanden:
In einem gesunden Organ, hier der Magen, wird ein Loch erzeugt, das auf dem Rückzug wieder verschlossen werden muss, mit allen Möglichkeiten der Komplikationen: z.B. das erzeugte Loch wurde nicht vollständig verschlossen oder es heilt nicht vollständig. Es entsteht ein Leck mit einer nachfolgenden schweren Bauchfellentzündung.
Die bis dato zur Verfügung stehenden OP-Instrumente, einschließlich der Verschlussmethode am Magen, sind noch sehr unvollständig und für die Routine noch nicht einsetzbar, so dass nach meinem Kenntnisstand bisher in erster Linie nur tierexperimentell oder mit einem sogenannten Hybridsystem (also zusätzliche Hautschnitte mit Einführen von Instrumenten) operiert wurde.
Die prinzipielle Frage, die sich stellt, lautet: Wo liegen die Vorteile beim Transgastralen Vorgehen gegenüber der jetzigen Minimal-Invasiven Technik mit einem im Nabel versenkten Schnitt und einem weiteren fünf bzw. zehn Millimetern Schnitt? Wird der Rubikon überschritten? Wir verletzen ein gesundes Organ, hier der Magen, um diese geringen Vorteile von weniger äußeren Narben zu erhalten.
Daher hat sich bisher auch nur der Zugang über die Scheide zur Entfernung von Gallenblase und Blinddarm durchgesetzt. Auch hier wird ein sogenanntes Hybridsystem benutzt, das heißt ein Instrument (5 mm) wird noch immer über einen Schnitt am Nabel eingeführt. Die Kamera und ein weiteres Instrument werden über Einschnitte am Scheidendach in die Bauchhöhle eingebracht. Mit dieser Methode wurden laut Register in Deutschland bereits über 150 Gallenblasen sicher und ohne größere Komplikationen entfernt. In Deutschland wurden 2006 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes insgesamt 188.000 Gallenblasen entfernt. Davon waren 2/3 aller Fälle bei Frauen, davon waren wiederum 60 Prozent über 50 Jahre. Also „Bikinitragen ohne Narben?“ gilt bei realistischer Betrachtung bei ca. 40 Prozent aller operierten Patienten.
Gibt es Vorteile? Ja, zwei Narben à fünf bzw. zehn Millimeter weniger. Aber es ist sicher damit zu rechnen, dass neue bzw. erheblich verbesserte Instrumente entwickelt werden, die auch für die Minimal-Invasive Chirurgie (MIC) und die endoskopischen Therapien nützlich sein werden. Gibt es Nachteile im späteren Verlauf, z. B. an den Narben der Vagina? Hierzu kann noch keine Auskunft gegeben werden.
Sicherlich ist die MIC bei der Gallenblase heute die etablierteste Methode der Wahl. Bei allen anderen größeren Eingriffen aber, z.B. beim Dickdarm, haben Studien ergeben, dass es weder in der Frühphase (in den ersten vier Wochen) noch im weiteren Verlauf Unterschiede der MIC gegenüber der offenen Chirurgie gibt. Vor diesen in Studien ermittelten Ergebnissen bei der MIC stellt sich erst recht die Frage nach den Vorteilen von N.O.T.E.S.
Eine Feststellung habe ich jedoch bereits gemacht: Viele Patientinnen, insbesondere wenn sie über 50 Jahre alt sind, lehnen das Verfahren, der Transvaginalen Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) ab und viele OP-Schwestern sagen mir: „Ich möchte bei der Operation nicht dabei sein.“
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) vom 02.10.2008, anlässlich der Tagung "Viszeralmedizin 2008" in Berlin.