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Blutungskomplikationen bei HNO-Eingriffen vermeiden
Von-Willebrand-Risikopatienten mit standardisierten Anamnesefragen präoperativ herausfiltern – mit on-demand-Medikation vorbeugen
Freiburg (4. Juni 2011) – Auch beim Einsatz modernster Medizintechnik und bei innovativen Operationsverfahren gehören Blutungskomplikationen zum Alltagsgeschäft der HNO-Mediziner. Das große Interesse an Fragen der Hämostaseologie zeigte sich am regen Teilnehmerzustrom zum ersten CSL-Behring-Symposium bei der 82. Jahresversammlung der DGHNOKHC (Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie) am 4. Juni 2011 in Freiburg. Der Transfusionsmediziner Privatdozent Dr. med. Mario von Depka Prondzinski aus Hannover erläuterte im bis auf den letzten Platz gefüllten Vortragssaal des Cinemaxx-Kinos, wann HNO-Ärzte bei Gerinnungsstörungen genauer hinsehen müssen, um lebensbedrohliche Notfallblutungen zu vermeiden. Mit standardisierten Anamnesefragen können Risikokandidaten mit von-Willebrand-Syndrom, der häufigsten genetisch bedingten Blutgerinnungsstörung, gut identifiziert werden. Wie gezieltes Gerinnungsmanagement bei Blutungen im HNO-OP heute aussieht beschrieb der Intensivmediziner Prof. Dr. med. Sascha Kreuer am Beispiel der „Point-of-Care-Diagnostik“ in der Universitätsklinik des Saarlandes, Bad Homburg. Damit können auch präoperativ unauffällige Gerinnungsstörungen im OP adäquat behandelt werden.
In der HNO-Heilkunde treten häufig Blutungen auf. Das Problem ist, dass Gerinnungsstörungen sich im Alltag nicht immer als einfach erkennbare Vorzeichen wie etwa als unstillbares Nasenbluten manifestieren müssen, sondern lange Jahre unerkannt bleiben können, und erst bei operativen Eingriffen zu Blutungskomplikationen führen. PD Dr. med. Mario von Depka Prondzinski machte klar, dass die mit einer Prävalenz von etwa 1 Prozent häufigste genetisch bedingte Blutgerinnungsstörung, das von-Willebrand-Syndrom, in der laborbiochemischen Basis-Diagnostik oft unauffällig bleibt. Weder Quickwert oder partielle Thromboplastinzeit (aPTT), Hämoglobin-Wert noch Thrombozytenzahlen liefern prädiktive Aussagen für das Vorliegen eines von-Willebrand-Syndroms. In retrospektiven Analysen von Blutungskomplikationen nach HNO-Eingriffen hatten viele Patienten mit Gerinnungsstörungen präoperativ normale Werte gezeigt. Man müsse nach Tonsillektomien und Adenektomien nicht nur innerhalb der ersten 24 Stunden sondern auch deutlich später noch mit postoperative Blutungen rechnen, warnte von Depka Prondzinski:. „Das geht hinein bis in die dritte Woche nach dem Eingriff.“
Standardisierte Anamnesefragen geben Hinweis auf Gerinnungsstörungen
Bei Patienten mit von-Willebrand-Syndrom wird der von-Willebrand-Faktor, der als Adhäsionsprotein wie eine Art Klebstoff für Thrombozyten fungiert, nur vermindert hergestellt oder fehlt völlig. Symptome für diese Gerinnungsstörung sind Schleimhautblutungen, langes Nachbluten etwa bei Nasenbluten oder andere Blutungen mit deutlich verzögerter Gerinnung, auch ausgedehnte Hämatome oder Wundheilungsstörungen mit Keloidbildung, bei Frauen auch Hypermenorrhö. „Das von-Willebrand-Syndrom ist ein medizinisches Chamäleon, das alles machen kann, und nichts davon machen muss“, fasste von Depka Prondzinski die komplexe Symptomatik zusammen.
Es werden drei Typen des von-Willebrand-Syndrom unterschieden: Beim seltenen Typ 3, der autosomal rezessiv vererbt wird, fehlt der von-Willebrand-Faktor völlig. Diese schweren Fälle mit deutlich verzögerter Gerinnung fallen schon bei Kleinkindern auf. Bei Typ 1, einem quantitativen Defekt, wird zu wenig von-Willebrand-Faktor gebildet, wohingegen bei Typ 2, einem qualitativen Defekt, die Funktionalität des Proteins eingeschränkt ist. Da diese Gerinnungsstörungen auch mit normalen Laborparametern vor HNO-Operationen nicht ausgeschlossen werden können, betonte von Depka Prondzinski: „Die Anamnese gibt die besten Hinweise auf eine Gerinnungsstörung.“ Standardisierte Anamnesefragebögen zur Einschätzung des Blutungsrisikos für verschiedene Fachdisziplinen sowie umfassende Informationen rund um das von-Willebrand-Syndrom findet man auf der Seite www.netzwerk-von-willebrand.de. Bei Kindern etwa ist die Familienanamnese besonders wichtig. Für Menschen mit Migrationshintergrund werden die Fragebögen auf der Webseite auch in verschiedenen Sprachen angeboten.
Therapieoptionen und Gerinnungsmanagement
Wenn sich nach Basistests und Anamnese der Verdacht auf ein von-Willebrand-Syndrom bestätigt, können die Patienten mit Willebrand-Faktor-Konzentrat (z.B. Haemate P®) gut behandelt werden, sowohl bei akuten Blutungen als auch als on-demand-Medikation vor operativen Eingriffen. Laut von Depka Prondzinski sind weitere Therapieoptionen Desmopressin oder Tranexamsäure, die bei Blutungen im Mundbereich vor allem als Mundbad eingesetzt wird.
Da eine konventionelle Gerinnungsdiagnostik in Kliniklabors mindestens eine Stunde dauert, werden zum Gerinnungsmanagement bei akuten Blutungen im OP moderne Point-of-Care-Diagnostiksysteme vor Ort eingesetzt, wie Prof. Dr. med. Sascha Kreuer erläuterte. Mit zwei unterschiedlichen Testsystemen, der Thromboelastometrie und der Vollblutaggregometrie, in denen jeweils Vollblut und einige Aktivatoren gemischt werden, kann eine Vielzahl von Gerinnungsstörungen und Faktorenmangel differenziert werden. Mit der Gabe von Thrombozytenkonzentrat, durch Fresh Frozen Plasma (FFP), das alle Gerinnungsfaktoren in geringen Mengen enthält, oder über die gezielte Gabe einzelner Faktoren werden diese Blutungsnotfälle dann behandelt. Auch Temperatur, Säure-Base-Haushalt, Hämoglobin-Werte und Hämatokrit sowie Kalzium spielen für die Gerinnungsaktivität eine wichtige Rolle und fließen beim intraoperativen Gerinnungsmanagement in den standardisierten Behandlungsalgorithmus mit ein. Kreuer resümierte, dass man mit der Point-of-Care-Diagnostik nach einer Wartezeit von etwa 15 Minuten wertvolle zusätzliche Informationen gewinnen könne, so dass akut blutende Patienten dann schnell durch gezielte Therapie mit überschaubaren Kosten und geringem Aufwand adäquat behandelt werden könnten.
Präoperative Anamnese und Diagnostik sind die beste Präventionsstrategie
Doch auch wenn man heute mit intraoperativem Gerinnungsmanagement akute Blutungen meist gut in den Griff bekommen kann, waren sich alle Experten des Symposiums einig: Die beste Therapie von Gerinnungsstörungen wie dem von-Willebrand-Syndrom ist die möglichst frühzeitige Diagnostik. Denn Patienten mit erkannten Gerinnungsstörungen können schon vor operativen Eingriffen optimal mit einer on-demand-Medikation behandelt werden, so dass Blutungskomplikationen gar nicht erst auftreten müssen.
Autorin: Martina Freyer, München
Quelle: Symposium der Firma CSL Behring zum Thema „Gerinnung – Wann muss der HNO-Arzt genauer hinschauen“ am 04.06.2011 in Freiburg, anlässlich der 82. Jahresversammlung 2011 der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (MCG-Medical Consulting Group) (tB).