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Dosismessung bei der Behandlung von Prostatakrebs
Neues PTB-Messsystem bietet die Möglichkeit, die Energiedosis in unmittelbarer Umgebung des bestrahlten Tumors zu messen
Braunschweig (9. Juni 2009) – Bei der Strahlentherapie versuchen die Ärzte, die Dosis im Tumor so hoch wie möglich zu halten, damit möglichst viele Krebszellen zerstört werden. Um zu vermeiden, dass dabei gesundes Gewebe geschädigt wird, ist es wichtig, die genaue Höhe der Dosis zu überprüfen. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) hat dafür ein Messsystem entwickelt, bei dem die Aminosäure Alanin, deren Strahlungstransporteigenschaften denen menschlichen Gewebes ähneln, als Indikator verwendet wird. Bestrahlt man Alanin, dann entstehen freie Radikale, deren Konzentration mit Hilfe der Elektronen-Spin-Resonanz (ESR) gemessen wird. Daraus lässt sich die Energiedosis ableiten. Erste Untersuchungen an einem Phantom – und auch bereits an Patienten – haben gezeigt, dass die Methode gut funktioniert.
Das Prostatakarzinom gehört zu den am stärksten verbreiteten Krebsarten. Etwa 98 von 100.000 Männern erkranken daran. Fast jeder Mann über 80 Jahren hat einen solchen Tumor – wenngleich er oft unerkannt bleibt. Die Krebsforschung ist daher darauf bedacht, noch bessere Therapieformen zu finden. Wie alle Krebszellen, die sich schneller als gesunde Zellen teilen, reagieren auch die des Prostatakarzinoms empfindlicher auf Strahlung als gesunde Zellen. Daher ist es erfolgversprechend, die Dosis (d.h. die absorbierte Strahlungsenergie pro Masse), mit der der Tumor bestrahlt wird, noch weiter zu erhöhen. Vor allem bei Prostatakrebs kann man von einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung sprechen: Je mehr Strahlung im Krebsgewebe absorbiert wird, desto sicherer werden Tumorzellen abgetötet. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, die Dosis genau zu kennen. Gesundes, den Tumor umgebendes Gewebe (insbesondere Risikogewebe; bei Prostatakarzinomen sind das Enddarm, Harnröhre und Blasenwand) soll geschont, aber der Tumor möglichst effizient bekämpft werden. Diese Strategie ist vor allem bei der Brachytherapie gut möglich, denn hier wird die Strahlenquelle innerhalb oder in unmittelbarer Nähe der zu bestrahlenden Region im Körper des Patienten platziert. Umliegendes Gewebe wird dabei weniger geschädigt als bei der Teletherapie, bei der die ionisierende Strahlung von außen durch gesundes Gewebe hindurch zum Ziel gelangt.
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) stellt für die In-vivo-Dosimetrie, das heißt die Dosismessung im Patienten, ein neues Messsystem zur Verfügung. Diese Sekundärnormal-Messeinrichtung auf der Basis von Alanin und Elektronen-Spin-Resonanz (ESR) wurde insbesondere für Messungen in Strahlungsfeldern entwickelt, in denen das Primärnormal-Messsystem, das Wasserkalorimeter, nicht oder nicht genau genug messen kann. Da gerade diese Strahlungsfelder häufig in der Praxis verwendet werden, kann die Alanin-Dosimetrie auch in der In-vivo-Dosimetrie verwendet werden. Das Messsystem bietet eine einmalige Möglichkeit, die Zuverlässigkeit von Bestrahlungsplänen und deren Anwendungen direkt zu überprüfen. Als Indikator wird dabei Alanin genutzt, eine Aminosäure, die Bestandteil der menschlichen Erbsubstanz und für den Menschen absolut ungefährlich ist. Seine Strahlungstransporteigenschaften entsprechen denen von menschlichem Gewebe.
Bestrahlt man Alanin mit Iridium (192Ir), wird Strahlung absorbiert. Durch die ionisierende Strahlung entstehen im Alanin langlebige freie Radikale. Die Konzentration der in einem Volumen erzeugten freien Radikale ist proportional zur Energiedosis in diesem Volumen. Die Größe des Messsignals bestimmt man mit Hilfe des ESR-Spektrometers, mit welchem das bestrahlte Alanin untersucht wird. Die Konzentration der freien Radikale ist proportional zur Größe des Messsignals. Somit ist das Messsignal proportional zur Energiedosis.
Doch wie gelangt das Alanin nun in den Körper des Patienten? Alaninpulver, mit dem Bindemittel Paraffin vermischt, wird in einem Schrumpfschlauch von 2 mm Außendurchmesser wasserdicht an einem Kunststoff-Stab angebracht. Ein solcher Schlauchdetektor wird dann in einen Blasenkatheter mit einem Innendurchmesser von 2,7 mm eingeführt. Die Idee, das Alanin in Form von Pulver (anstatt in der üblichen Tablettenform) zu verwenden, entstand aus dem besonderen Umstand heraus, dass diese Tabletten einen Außendurchmesser von 5 mm haben und sich damit als zu groß für den Blasenkatheter erwiesen. Also konnte das Detektorpulver erst nach der Bestrahlung zu Tabletten verpresst werden. Diese Vorgehensweise beinhaltete unbekannte Einflussgrößen; beispielsweise war nichts über den Einfluss des Pressens nach der Bestrahlung bekannt. Es zeigte sich, dass die so erzeugten Detektoren ein deutlich stärkeres Fading aufwiesen als die sonst verwendeten Alanin-Tabletten, die bereits vor der Bestrahlung gepresst worden waren. Fading bedeutet, dass die freien Radikale, die im Alanin entstanden sind, wieder verloren gehen können – und damit zugleich die Dosisinformation. Damit würde mit der ermittelten Dosis die tatsächliche unterschätzt werden. Daher wird nun die Dosis mithilfe der Schlauchdetektoren so bestimmt, dass zeitgleich mit der Patientenbestrahlung ein identischer Schlauchdetektor in einem Referenzfeld mit bekannter Dosis bestrahlt wird. Die in der Harnröhre zu messende Dosis wird dann relativ zu der bekannten Dosis bestimmt; das Verhältnis ist dabei unabhängig vom vorliegenden Fading. Der Einfluss des Fading kann also auf diese Weise eliminiert werden.
Das Messverfahren wurde bei Bestrahlungen an einem speziellen Prostata-Phantom aus einer Gel-Masse erfolgreich getestet. Die gemessenen und die geplanten Dosen stimmten innerhalb der abgeschätzten Unsicherheit von ca. 4 % gut überein. Ein wesentlicher Beitrag zum Unsicherheitsbudget war dabei die Positionierung der Detektoren in der Harnröhre, der Urethra. Dieses Problem wird sich bei der Patientendosimetrie voraussichtlich verschärfen. Dennoch werden Messergebnisse erwartet, die Aufschluss über die Zuverlässigkeit der Bestrahlungsplanung, insbesondere bezüglich der Schonung des Risikogewebes, erlauben werden. In Kooperation mit dem Universitätsklinikum Göttingen wurden auch bereits Untersuchungen im Rektum bei Prostatabestrahlung durchgeführt. Zukünftige Pläne sehen vor, die Dosis direkt in der Harnröhre von Patienten zu messen, und zwar bei Bestrahlung der Prostata mit 192Ir, das in Hohlnadeln mittels eines sogenannten Afterloaders ins Zielgewebe gebracht wird. Bei der Bestrahlungsplanung, also bei der zunächst virtuellen Positionierung der Hohlnadeln, wird besonderes Augenmerk auf die Schonung der Harnröhre gelegt.
Die Qualitätssicherung der Strahlentherapie ist oberstes Ziel. Daher werden in der PTB Anstrengungen unternommen, um Messmittel zur Verfügung zu stellen, die einen genauen Vergleich zwischen Planung und Tatsachen ermöglichen. Dies soll den Therapeuten mehr Sicherheit bei der Patientendosimetrie geben und damit dazu beitragen, die Strahlentherapie zu verbessern.
Wissenschaftliche Originalveröffentlichung dazu:
In vivo dosimetry in the urethra using alanine/ESR during 192Ir HDR brachytherapy of prostate cancer – a phantom study. Mathias Anton et al., 2009, Phys. Med. Biol. 54, 2915-2931. doi: 10.1088/0031-9155/54/9/022 ,
http://www.iop.org/EJ/abstract/0031-9155/54/9/022
Quelle: Pressemitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vom 09.06.2009.