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Erworbene Hämophilie

Richtige Diagnose und rasches Handeln können Leben retten!

 

  • Experte fordert mehr Aufmerksamkeit für die seltene Erkrankung

 

Hannover (9. November 2011) – Die erworbene Hämophilie ist eine seltene Blutgerinnungsstörung, die durch die spontane Bildung von Antikörpern gegen körpereigene Gerinnungsfaktoren hervorgerufen wird. In einem Großteil der Fälle kommt es dadurch zu schweren und lebensbedrohlichen Blutungen. Auf einer Presseveranstaltung der Novo Nordisk Pharma GmbH erläuterte ein Experte der Medizinischen Hochschule Hannover, warum klinisch tätige Ärzte dieser seltenen Erkrankung mehr Aufmerksamkeit schenken sollten, und wie wichtig rasches Handeln und eine adäquate Therapie sind, um die Überlebenschancen der Patienten zu erhöhen.

Die erworbene Hamophilie ist eine seltene Erkrankung, die durch spontane Entwicklung von Autoantikörpern gegen Gerinnungsfaktor VIII (FVIII) oder IX (FIX) verursacht wird, wie Dr. Andreas Tiede (Hannover) berichtete. Sie ist assoziiert mit plötzlich auftretenden, häufig lebensbedrohlichen Blutungen. Die Erkrankung entwickelt sich bei Patienten mit vorher unauffälliger Gerinnungsanamnese und kann jeden treffen. Daher können Ärzte nahezu aller Fachrichtungen mit diesem Krankheitsbild konfrontiert werden. „Jeder Arzt sollte daher die Erkrankung kennen, um bei entsprechendem Verdacht die richtigen diagnostischen Maßnahmen einzuleiten und den Patienten schnellstmöglich einer adäquaten Therapie zuführen zu können“, so der Hämostaseologe, der wichtige Aspekte der erworbenen Hämophilie am Beispiel eines Patienten erläuterte.

 

In der Regel manifestiert sich die erworbene Hämophilie erst im Erwachsenenalter, am häufigsten bei älteren Personen ab dem 7. Lebensjahrzehnt. In über 60% der Fälle ist die Erkrankung idiopathisch, ohne dass Begleiterkrankungen oder Risikofaktoren vorliegen. Die übrigen Fälle können assoziiert sein mit Autoimmunerkrankungen, malignen (soliden Tumoren oder hämatologischen) Erkrankungen oder Schwangerschaft.1 Die Patienten stellen sich oftmals zunächst bei Ärzten vor, die keine Erfahrung mit dieser seltenen Erkrankung haben. „Bei neu auftretender Blutungsneigung ist es daher wichtig, die erworbene Hämophilie differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen“, so Tiede. Obwohl die Diagnose relativ leicht gestellt werden kann, wird die Erkrankung häufig nicht zeitnah erkannt. Dies kann zu lebensbedrohlichen Blutungskomplikationen insbesondere in Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen führen. Deshalb sind rasche und genaue Diagnosestellung sowie adäquate Behandlung für die Prognose von größter Bedeutung.

 

 

Selten, aber oft lebensbedrohlich

 

Anders als bei der angeborenen Hämophilie ist das klinische Bild der erworbenen Hämophilie vielfältig und bei jedem Patienten individuell unterschiedlich. Charakteristische Anzeichen sind anhaltende Blutungen nach Operationen und nach Entbindungen sowie gastrointestinale, urogenitale und retroperitoneale Blutungen, flächenhafte oder exanthematische (Purpura) Hautblutungen oder Weichteil- und Muskelblutungen (z.B. Kompartmentsyndrom). Das klinische Erscheinungsbild einschließlich schwerer Blutungssymptome korreliert meist nicht mit Laborparametern oder dem Antikörpertiter. Da es sich zumeist um ältere Patienten handelt, können andere Grund- und Begleiterkrankungen das klinische Bild zusätzlich verschleiern und die Behandlungsstrategie beeinflussen.

 

Diagnostisch wegweisend ist eine signifikante isolierte Verlängerung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT). Mithilfe eines Plasmatauschtests lässt sich die Verdachtsdiagnose erworbene Hämophilie im Routinelabor bestätigen. Hierbei weist eine erneute aPTT-Veränderung auf eine erworbene Hämophilie hin und sollte weiter abgeklärt werden. „Wann immer der Verdacht auf eine erworbene Hämophilie besteht, sollte der Patient unverzüglich in einem spezialisierten Hämophilie-Zentrum vorgestellt werden, unabhängig davon, ob gegenwärtig eine aktive Blutung besteht oder nicht“, empfahl Tiede. Beim Vorliegen der Trias isolierte verlängerte aPTT, großflächige Blutungssymptomatik und keine vorangegangene Heparingabe sei in den meisten Fällen eine erworbene Hämophilie die Ursache, so Tiede weiter.

 

 

Behandlung erfordert umfassendes Vorgehen

 

Bei der Behandlung ist ein umfassendes und individuelles Vorgehen erforderlich. Abgesehen von der Behandlung der Grunderkrankung – sofern bekannt – beruht die Therapie der erworbenen Hämophilie auf zwei Prinzipien: Zum einen ist eine ggf. aktive Blutung unverzüglich zu stoppen und zum anderen sollte langfristig die Eradikation des Inhibitors durch Immunsuppression angestrebt werden.

 

Eine effektive Hämostase kann durch Umgehen der Inhibitor-Aktivität erreicht werden: Therapie der ersten Wahl ist die Gabe von rekombinantem aktiviertem Faktor VII (rFVIIa, NovoSeven®) oder aktiviertem Prothrombinkomplex-Konzentrat (aPCC). Für rFVIIa wird eine Bolusinjektion von 90 μg/kg KG alle 2–3 Stunden bis zum Erreichen einer Hämostase empfohlen.2 Retrospektive Daten aus Registern und publizierten Kasuistiken belegen die Effektivität und Sicherheit von rFVIIa in der Behandlung von Patienten mit erworbener Hämophilie in einem breiten Spektrum von spontanen und durch invasive Eingriffe bedingten Blutungen. Beim frühen Einsatz wurde die rFVIIa-Therapie bei 95%, beim späten Einsatz bei 80% als wirksam/teilweise wirksam bewertet.3

 

Therapie der Wahl zur Eradikation der Antikörper bei erworbener Hämophilie ist die Gabe von Glukokortikoiden. Bei Patienten, die auf eine Monotherapie mit Glukokortikoiden nicht ausreichend ansprechen, wird eine Kombination mit oralem Cyclophosphamid, ggf. auch mit Rituximab angewendet. Bei Blutungen in Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen kann eine Immunadsorption und Substitution von Immunglobulinen erwogen werden.4

 

 

GTH-Studie „Erworbene Hämophilie“ nimmt noch Patienten auf

 

Wie Tiede berichtete, wird derzeit im Rahmen einer Registerstudie (GTH-AH 01/2010) der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) im deutschsprachigen Raum ein von der AG Erworbene Hämophilie der GTH entwickeltes Therapie-Konsensusprotokoll prospektiv und multizentrisch untersucht. Laut Studienleiter Tiede ist die Teilnahme weiterer Zentren erwünscht. Bis zum Ende der Rekrutierungsphase im April 2012 wird eine Gesamtzahl von 80 Patienten angestrebt. Danach soll sich eine einjährige Beobachtungsphase anschließen, sodass die Studie voraussichtlich im April 2013 abgeschlossen und ausgewertet werden wird.

 

 

Quellen 

  1. Delgado J et al. Br J Haematol 2003; 121 (1): 21–35.
  2. NovoSeven® Fachinformation, Stand Oktober 2010.
  3. Sumner MJ et al. Haemophilia 2007; 13 (5): 451–461.
  4. GTH Arbeitsgruppe Erworbene Hämophilie. Konsens zur Immunsuppressiven Therapie der erworbenen Hämophilie. Version 29.12.2010; http://www.gthonline. org/home/standing-committees/AGErworbeneHaemophilie.php

 

 

Über NovoSeven®

 

Der Faktor VIIa ist ein natürlich vorkommendes, humanes Serumprotein, das eine Schlüsselrolle im Gerinnungsprozess spielt. NovoSeven® (rekombinanter, aktivierter Gerinnungsfaktor VII; rFVIIa) ist ein innovatives biotechnologisches Produkt von Novo Nordisk. Seine Zulassung in der EU umfasst die Behandlung von Blutungen sowie die Prophylaxe von Blutungen im Zusammenhang mit chirurgischen oder invasiven Eingriffen bei Patienten mit angeborener Hämophilie A oder B mit Hemmkörpern, bei Patienten mit erworbener Hämophilie, bei Patienten mit angeborenem Mangel des Gerinnungsfaktors VII sowie bei Patienten mit Thrombasthenie Glanzmann, bei denen Antikörper gegen GP IIb/IIIa und/oder HLA nachgewiesen werden können und die nicht auf die Gabe von Thrombozytenkonzentraten ansprechen.

 

 

Über Novo Nordisk

 

Novo Nordisk ist ein international tätiges und forschendes Unternehmen der  Gesundheitsbranche mit einer weltweit führenden Position in der Diabetesversorgung.  Daneben hält Novo Nordisk führende Stellungen in den Bereichen Blutgerinnung (Hämostase), Wachstumshormon- und Hormonersatztherapie. Dem ganzheitlichen Anspruch „Changing Diabetes® – Diabetes verändern“ entsprechend werden alle Produkte und Aktivitäten in größtmöglicher Verantwortung für Patienten, Ärzte und Gesellschaft konzipiert. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Dänemark beschäftigt weltweit mehr als 30.900 Mitarbeiter in 76 Ländern, davon rund 600 am deutschen Standort in Mainz. Seine Produkte werden in 179 Ländern vertrieben. Als Aktiengesellschaft ist Novo Nordisk an den Börsen von Kopenhagen, London und New York gelistet.

 


Quelle: Med@media der Firma Novo Nordisk zum Thema „Erworbene Hemmkörper-Hämophilie: ‚Schnelles Handeln und adäquate Therapie erhöhen Überlebenschancen!’“ am 09.11.2011 in Hannover (MED-IN-MIND) (tB).

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