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Keine alltägliche Diagnose – Gerinnungsstörungen in der Pädiatrie
Gerinnungsstörungen bei Kindern: rechtzeitig erkennen und Komplikationen vermeiden
Bielefeld (23. September 2011) – Kinder- und Jugendärzte sind die wichtigste Facharztgruppe zur Früherkennung angeborener Erkrankungen. Dies gilt auch für das medizinisch hochkomplexe Feld der Blutgerinnungsstörungen. Das Symposium von CSL Behring auf dem diesjährigen DGKJ gab interessierten Kinderärzten einen Überblick über relevante Gerinnungsstörungen – vom von-Willebrand-Syndrom mit hoher Prävalenz bis hin zu seltenen Störungen der Fibrinogensynthese. Die Referenten unter dem Vorsitz von PD Dr. med. Wolfhart Kreuz und Dr. med. Cornelia Wermes vermittelten die Pathophysiologie der unterschiedlichen Hämostasestörungen, gaben aber auch viele praktische Tipps, worauf Pädiater in der täglichen Praxis achten sollten, um potenzielle Gerinnungspatienten zu erkennen. Auch zur Abgrenzung von Gerinnungsstörungen und Kindesmisshandlung wurden wertvolle Ratschläge gegeben, damit betroffene Kinder rechtzeitig identifiziert, aber auch Fehldeutungen vermieden werden können.
Angeborene Gerinnungsstörungen – ein Überblick
Dass Hämatome ein Schlüsselsymptom für Blutungsneigungen sind, stellte Dr. med. Karim Kentouche heraus: „Bei allen stark ausgeprägten Hämatomen, die an einem ungewöhnlichen Ort wie z. B. der Hüfte lokalisiert sind und einfach nicht heilen wollen, muss eine hämorrhagische Diathese ausgeschlossen werden“, betonte Kentouche in seinem Vortrag zur Eröffnung des Symposiums. Er stellte Kinder mit unterschiedlichen angeborenen Blutungsneigungen wie z. B. Subhämophilie A, schwere Hämophilie A oder B, von-Willebrand-Syndrom oder Thrombozytopathie vor, bei der die Funktion der Blutplättchen gestört ist. Aber auch ein Mangel an Blutplättchen (=Thrombozytopenie) kann vorkommen, wie Kentouche am Beispiel eines Kindes mit Wiskott-Aldrich-Syndrom erläuterte. Für diese seltene Erkrankung sind die Symptome Ekzem, Thrombozytopenie und Immundefekt kennzeichnend. Kentouche beleuchtete darüber hinaus auch Gerinnungsstörungen, die mit einer erhöhten Gerinnselbildung (Thrombophilien) einhergehen, wie beispielsweise Faktor V-Leiden, Antithrombin-Mangel und Protein S- oder C-Mangel. Zur Behandlung der mittelschweren Hämophilie A, des von-Willebrand-Syndroms und von Thrombozytopathien steht Desmopressin (DDAVP) zur Verfügung, das für Kinder ab drei Jahren zugelassen ist und die Ausschüttung des von-Willebrand-Faktors und des Faktors VIII erhöht. Allerdings sollte bei der Gabe von Desmopressin auf Nebenwirkungen wie Wasserretention, Hyponatriämie, Krampfanfälle sowie Flush geachtet werden. Ein Monitoring sei daher zu empfehlen, so Kentouche.
Das von-Willebrand-Syndrom: weit verbreitet, häufig unerkannt
Die häufigste angeborene Blutgerinnungsstörung bei Mädchen und Jungen – das von-Willebrand-Syndrom (vWS) – war Gegenstand des Vortrages von Dr. med. Hans-Georg Topf. Die Erkrankung sei eine Herausforderung, weil krankhafte Blutungsmerkmale nur im Verbund zu erkennen sind und erst dann als Hämostasestörung gedeutet werden können, so Topf. „Epistaxis alleine ist noch kein eindeutiges Zeichen für ein vWS, erst durch Abklären weiterer Blutungssymptome erscheint ein Gesamtbild“, erläuterte Topf. „Das vWS ist auch deshalb so besonders, weil die Erkrankung nicht einheitlich und damit die Diagnosestellung erschwert ist“, führte Topf weiter aus. Nicht genug des heterogenen Krankheitsbildes, erschweren noch weitere Faktoren die Diagnosestellung bei von-Willebrand-Patienten: Zum einen ist die Konzentration des von-Willebrand-Faktors blutgruppenabhängig: Menschen mit Blutgruppe 0 beispielsweise haben grundsätzlich wenig von-Willebrand-Faktor. Darüber hinaus ist der von-Willebrand-Faktor ein Akut-Phase-Protein, d.h. die Menge des Faktors ist von Stress, Infektionen, einer möglichen Schwangerschaft und anderen Einflussgrößen abhängig. Topf empfahl, insbesondere vor Operationen eine Gerinnungsanamnese durchzuführen, um eine Blutungsneigung zu erfassen.
Gerinnungsanamnese und Gerinnungslabor – wichtige Werkzeuge für die Diagnostik
Dabei sei es unbedingt erforderlich, beide Elternteile, in jedem Fall aber die Mutter, in die Anamnese miteinzubeziehen. Ein entscheidendes Kriterium sei es, Stärke und Dauer ihrer Periode zu erfahren. „Die Regelblutung der Mutter abzufragen, wirkt zwar in der pädiatrischen Praxis indiskret, ist aber unerlässlich für die Gerinnungsanamnese“, erklärte Topf. Er empfahl darüber hinaus, den Anamnesebogen nicht von den Eltern und dem Kind allein ausfüllen zu lassen, da eine Klassifizierung der Antworten erforderlich sei. „Wenn die Mutter ankreuzt, keine verstärkte Regelblutung zu haben, aber die Information einer Hysterektomie nicht beim Arzt ankommt, ist die Anamnese nicht brauchbar“, so Topf.
PD Dr. med. Wolfhart Kreuz hob die hohe Bedeutung einer verlängerten PTT für das Blutungsrisiko bei unentdecktem von-Willebrand-Syndrom hervor. „Die Verlängerung der PTT ist häufig das einzige Warnsignal, dass bei diesen Kindern etwas nicht stimmt. Gerade die leichteren von-Willebrand-Fälle verstecken sich hinter einer PTT im Grenzbereich, so dass man hier sehr vorsichtig sein muss“, so Kreuz. Für von-Willebrand-Patienten seien gerade Schleimhautblutungen gefährlich, da die Kinder seiner Erfahrung nach sehr schnell auf einen Hb von 4 oder 5 herunterbluten könnten, erläuterte Kreuz. Besonders Adenotomien und Tonsillektomien seien für noch nicht diagnostizierte von-Willebrand-Patienten mit einem besonders hohen Blutungsrisiko verbunden. „Daher muss vor solchen Operationen immer an ein von-Willebrand-Syndrom gedacht werden. Diese Gerinnungsstörung ist – wenn sie nicht über eine super Anamnese komplett ausgeschlossen werden kann – immer drin!“, betonte Kreuz. Außerdem sollten seiner Ansicht nach in Ambulanzen grundsätzlich von-Willebrand-haltige Faktor VIII-Konzentrate vorgehalten werden. Seien nämlich ausschließlich Präparate mit Faktor VIII vorhanden, würden im Falle von Akutblutungen zwar Hämophilie- aber keine von-Willebrand-Patienten auf diese Präparate ansprechen.
Hereditärer Fibrinogenmangel
Fibrinogenstörungen standen im Mittelpunkt des Vortrages von Dr. med. Karin Beutel. Hierzu gehören A-, Hypo- und Dysfibrinogenämien. Speziell bei Mädchen bzw. Frauen fallen sowohl bei der A- als auch bei der Hypofibrinogenämie intensive und stark verlängerte Menstruationsblutungen sowie Aborte auf. Als Therapieoptionen kommen laut Beutel FFP (Frischplasma), Fibrinogen, Fibrinkleber und Fibrinolysehemmer in Betracht. PD Dr. Kreuz wies auf Haemocomplettan hin, dem einzigen virusinaktivierten Fibrinogen-Präparat, das in Deutschland seit mehr als 20 Jahren zugelassen ist.
Kindesmisshandlung ja oder nein?
Kinderärzte haben bei der Klärung, ob Hämatome Zeichen einer Kindesmisshandlung oder einer Gerinnungsstörung sind, eine ganz besondere Verantwortung. In beide Richtungen muss eine sorgfältige Differenzierung erfolgen, denn oft genug werden Eltern von Kindern, bei denen großflächige Hämatome auftreten, zu Unrecht der Misshandlung verdächtigt, umgekehrt wird manchmal zu lange eine Gerinnungsstörung angenommen, obwohl eine Misshandlung vorliegt. PD Dr. med. Ralf Knöfler betonte, dass in der Gerinnungsdiagnostik im Verdachtsfall möglichst schnell „alle Register gezogen werden müssen, um den Verdacht auf Kindesmisshandlung auszuschließen“. Quick-Wert, PTT und andere gängigen Gerinnungsparameter seien hierfür keinesfalls ausreichend. PD Dr. Kreuz empfahl abschließend, dass bei erhärtetem Verdacht auch die Geschwisterkinder untersucht und gegebenenfalls gesichert werden sollten, um Übergriffe zu vermeiden.
Quelle: Symposium der Firma CSL Behring zum Thema „Keine alltägliche Diagnose: Gerinnungsstörungen in der Pädiatrie“ am 23.09.2011 in Bielefeld, anlässlich der 107. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (MCG-Medical Consulting Group) (tB).