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Lynch-Syndrom

Wenn Darmkrebs zur Gefahr für die ganze Familie wird

 

Stuttgart (17. Januar 2011) – Darmkrebs kann erblich sein. Auch die blutsverwandten Angehörigen eines Patienten haben dann ein hohes Krebsrisiko. Ein Gentest ist möglich, doch die Bereitschaft zur Früherkennung war unter den Teilnehmern einer Studie in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2011) gering. 

 

Etwa zwei bis drei Prozent aller Darmkrebserkrankungen sind auf das Lynch-Syndrom zurückzuführen. Dieses wird durch Defekte in Genen ausgelöst, die für die Reparatur der menschlichen Erbsubstanz DNA notwendig sind. Da die Defekte angeboren sind, erkranken viele Patienten bereits vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs, berichtet Dr. Ralph Schneider von der Philipps Universität Marburg. Bei einem frühen Erkrankungsalter bestehe immer der Verdacht auf ein Lynch-Syndrom, schreiben er und seine Kollegen: Andere Hinweise sind frühere Krebserkrankungen in anderen Körperregionen oder eine Häufung von Krebs in der Familie. Screening-Instrumente wie die Bethesda-Kriterien und Amsterdam-Kriterien fassen die Verdachtsmomente zusammen. Mit ihnen können Ärzte feststellen, in welchen Fällen ein Gentest für die ganze Familie des Patienten sinnvoll ist. 

 

Doch die Bereitschaft der Angehörigen, sich testen zu lassen, ist gering. Dies zeigen die Erfahrungen der Universität Regensburg. Die Mediziner dort haben sich mit den Universitäten in München, Bochum, Bonn, Düsseldorf, Heidelberg und Dresden zum Verbundprojekt „Familiärer Darmkrebs” zusammengeschlossen. Es wird von der Deutschen Krebshilfe gefördert. In Regensburg werden zwölf Familien mit 90 Personen betreut. Fast allen Angehörigen war vor Beginn der Studie bekannt, dass sie ein erhöhtes Risiko haben. Einem Gentest hatten sich jedoch nur 30 Prozent unterzogen, beklagt Dr. Schneider. Durch intensive Aufklärung konnte der Anteil schließlich auf 42 Prozent gesteigert werden. Das ist immer noch weniger als die Hälfte. 

 

Nach Ansicht von Dr. Schneider und Mitautoren sollten sich jedoch alle Angehörigen testen lassen. Wenn der Test positiv ausfällt oder aus einem anderen Grund ein erhöhtes Risiko vorliegt, raten die Experten allen nahen Blutsverwandten zur jährlichen Krebsvorsorge. Dabei wird nicht nur nach Krebserkrankungen im Darm gesucht. Neben einer Darmspiegelung werden auch eine Magenspiegelung, eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums und eine gynäkologische Untersuchung durchgeführt. In den Familien in Regensburg wurde auf diese Weise neben 33 Darmkrebserkrankungen fünfmal Krebs im Eierstock, zweimal in der Gebärmutter und zweimal in den Harnwegen gefunden. 

 

Das Darmkrebsrisiko steht jedoch im Vordergrund. Laut Dr. Schneider erkranken bis zum 75. Lebensjahr 92 Prozent der Patienten mit einem Lynch-Syndrom an Darmkrebs, manche sogar mehrmals. Da ein zu spät erkannter Darmkrebs tödlich ist, werde sogar vorgeschlagen, den Dickdarm vorsorglich zu entfernen. In Deutschland raten die Leitlinien zu einer jährlichen Früherkennungsuntersuchung. Dazu sind, trotz des hohen Risikos, einige nicht bereit. In Regensburg ließen nur zwei von drei Patienten mit positivem Gentest die Darmspiegelung und andere Untersuchungen durchführen. Bei den Angehörigen ohne Testergebnis war es sogar nur jeder dritte. Dr. Schneider macht dafür Angst, Verleugnung der Erkrankung, Zeitmangel und fehlende Information verantwortlich. Nicht nur die Betroffenen würden das Risiko unterschätzen, auch viele Ärzte haben laut Dr. Schneider keine Erfahrung im Umgang mit dem Lynch-Syndrom. Häufig würde den Betroffenen nur zur normalen Darmkrebsfrüherkennung geraten. Sie sieht zunächst nur eine einmalige Darmspiegelung im Alter ab 55 Jahren vor. 

 

Dr. Schneider: Die Aufklärung von Patienten, Angehörigen und betreuenden Ärzten über die Besonderheiten des Lynch-Syndroms muss deshalb intensiviert werden. Für Ärzte gebe es hierzu eine Leitlinie, die aber zu wenig beachtet werde, kritisiert Dr. Schneider. Er rät den betroffenen Angehörigen, sich im Internet zu informieren, beispielsweise auf der Seite der Selbsthilfegruppe “Familiärer Darmkrebs”. Neben der verstärkten Fortbildung der Ärzte wäre aus Sicht von Dr. Schneider auch die Einführung eines speziellen „Lynch-Syndrom-Ausweises“ sinnvoll. 

 

  • R. Schneider et al.: „Familiärer Darmkrebs” in Deutschland. Eine Analyse von Information, Beratung und Vorsorge in Familien mit Lynch-Syndrom.
    DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2011; 136 (1/2): S. 17-22

 


 

Quelle: Thieme Presseservice, 17.01.2011 (tB).

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