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Kommentierte Studie

Neue Studien, neue Diskussionen, aber keine neuen Regeln: Cholesterinsenker schützen Risikopatienten

 

Berlin (3. Februar 2011) – Zwei jüngst publizierte große Metaanalysen haben die Diskussion um den Nutzen der Statine neu entfacht. Die alte Regel bleibt aber bestehen: Bei sachgemäßer Anwendung gehören die Cholesterinsenker zum Standardrepertoire in der Behandlung von Patienten mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte, ischämischen Schlaganfall und anderen kardiovaskulären Ereignissen. Dies betonen Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Prof. Dr. med. Joachim Röther, Präsident der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Es mache aber einen gewaltigen Unterschied, ob fachkundige Neurologen oder Kardiologen Statine an Patienten verschreiben, um ein wahrscheinliches und lebensbedrohliches vaskuläres Ereignis abzuwenden, oder ob man diese hochpotenten Wirkstoffe für gesunde Menschen frei verfügbar macht, wie dies beispielsweise in Großbritannien geschehen ist. Nach einer Studie durch die Cochrane Collaboration steht derzeit vor allem die Einnahme der Statine durch gesunde Menschen und ohne Rücksprache mit dem Arzt in der Kritik.

 

 

Kein Zweifel am Nutzen der Statine bei Hochrisikopatienten

 

In der ersten Untersuchung hatten die 148 Mitglieder des Forschungsverbundes Cholesterol Treatment Trialists (CTT) die Wirksamkeit und Sicherheit einer intensivierten Senkung des Blutfettes LDL-Cholesterin unter die Lupe genommen. Während der Nutzen einer Behandlung mit Statinen für den Herzinfarkt bei Hochrisikopatienten eindeutig belegt ist, waren die Daten für die Prävention eines Schlaganfalls bisher weniger robust.

 

„Diese große Metaanalyse belegt nun jenseits jedes Zweifels, dass eine Senkung erhöhter LDL-Cholesterinwerte mit Statinen bei Risikopatienten zu einer signifikanten und klinisch relevanten Reduktion schwerwiegender vaskulärer Ereignisse führt. Dies gilt auch für die Reduktion von ischämischen Insulten“, stellt Prof. Hans-Christoph Diener, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Duisburg-Essen, klar. „Die Analyse ergab für eine Reduktion des LDL um jeweils 1 mmol/l (dies entspricht 38,6 mg/dl) eine hochsignifikante, 22-prozentige Risikoreduktion für vaskuläre Ereignisse“, so Diener weiter.

 

Im Gegensatz zur SPARCL-Studie, einer Sekundärpräventionsstudie nach Schlaganfall mit Atorvastatin, habe man keine signifikante Erhöhung von zerebralen Blutungen festgestellt. „Statine gehören daher zum Standard der Sekundärprävention auch nach einer transienten ischämischen Attacke und ischämischem Insult.“ Bestätigt wurde auch die vergleichsweise hohe Sicherheit von Statinen: Die erwünschte Reduktion des LDL-Cholesterins hatte nämlich keine Auswirkung auf andere Todesursachen gehabt und insbesondere auch nicht zu einer Erhöhung der Rate an malignen Tumoren geführt.

 

Gestärkt wird diese Aussage noch dadurch, dass der CTT-Forschungsverbund die individuellen Daten aller Studienteilnehmer ausgewertet hatte, statt wie üblich einfach die Summen-Zahlen in den einzelnen Bereichen aufzuaddieren. Finanziert wurde die Untersuchung durch britische und australische Forschungseinrichtungen und Stiftungen sowie durch das Biomed-Programm der Europäischen Gemeinschaft. Insgesamt waren 26 randomisierte Studien ausgewertet worden, bei denen jeweils mindestens 1.000 Patienten eingeschlossen waren und bei denen die Behandlung über mindestens 2 Jahre erfolgte. Insgesamt kamen so exakt 169.138 Patienten zusammen, die im Mittel über 4,9 Jahre beobachtet wurden und deren überwiegende Mehrheit aufgrund ihrer medizinischen Vorgeschichte ein erhöhtes Risiko für einen (weiteren) Schlaganfall oder Herzinfarkt trug.

 

 

Fragwürdige Daten zur Primärprävention

 

Für Irritationen hat nun jedoch eine weitere Metaanalyse zum Thema Statine gesorgt, die Forscher der Cochrane Collaboration um Dr. Shah Ebrahim von der London School of Hygiene & Tropical Medicine publiziert haben. Erklärtes Ziel dieser Arbeit war es, den Nutzen und möglichen Schaden von Statinen in der Primärprävention zu erheben – also bei Menschen, bei denen bisher keine Herz-Kreislauf-Erkrankung diagnostiziert wurde. In 14 Studien mit mehr als 34.000 Patienten hatte das Forscherteam dafür nach Beweisen gesucht und dabei Hinweise für „Rosinenpickerei“ entdeckt. Man habe „Anhaltspunkte für eine selektive Berichterstattung der Ergebnisse, für die Auslassung von Nebenwirkungen und die Einbeziehung von Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen gefunden“, berichten die Autoren und sie legen damit nahe, dass die – fast ausschließlich von den Herstellern der Statine finanzierten – Studien deren Nutzen übertrieben dargestellt hatten.

 

„Das ist ein gravierender Vorwurf und tatsächlich muss die vorbeugende Gabe von Statinen sehr zurückhaltend betrachtet werden“, kommentiert Prof. Joachim Röther (Hamburg), Leiter der Neurologischen Abteilung in der Asklepios Klinik Hamburg-Altona. Er hält die bisher vorliegenden Daten zur Primärprävention mit Statinen für angreifbar: Immerhin müssen 1000 Menschen ohne bisheriges kardiovaskuläres Ereignis für ein Jahr Statine einnehmen, um statistisch einen Tod zu verhindern. Eine Empfehlung für gesunde Menschen, diese Medikamente vorbeugend gegen Herzinfarkt und Schlaganfall einzunehmen, könne daher auf keinen Fall gegeben werden.

 

 

Gesunde Lebensführung ist effizienter als Statine zur Vorbeugung

 

Im Gegenteil müssten derart potente Wirkstoffe weiterhin verschreibungspflichtig bleiben und sie dürfen nicht – wie das in Großbritannien bereits praktiziert wird – in den freien Verkauf gelangen. Eine Anpassung des Lebensstils hin zu mehr Bewegung und zu einer gesunden, ausgewogenen Ernährung stellt für die meisten Menschen noch immer die beste Vorbeugung dar, betont Röther und ergänzt: „In Zweifelsfällen sollten auch gesunde Menschen besser einen Neurologen oder Kardiologen aufsuchen, als ihr Heil vor dem Pillenregal im Supermarkt oder bei einer Internet-Apotheke zu suchen.“

 

 

Quellen

 

 

 

Download

 

Kommentierte Studie unter:

http://www.dgn.org/images/stories/dgn/presse/110203_DGN_PM_Statine_final.pdf

 

 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 03.02.2011 (tB).

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