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Oraler direkter Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban

Fortschritte durch orale, direkte Faktor-Xa-Inhibition mit Rivaroxaban

 

Leverkusen (6. Juni 2008) – Einfacher und zugleich effektiver als bisher dürfte die Thromboseprophylaxe werden. Das deuten erste klinische Daten aus dem orthopä­dischen Studienprogramm zu Rivaroxaban an. Von dem in der Entwicklung befindlichen oralen direkten Faktor-Xa-Inhibitor erhoffen die Experten sich nachhaltige Fortschritte bei der Prophylaxe und Behandlung thromboembolischer Komplikationen, wie beim 33. Wissenschaftlichen Kongress des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) in Lübeck deutlich wurde.

 

Klinisch relevante Limitationen gibt es derzeit noch bei der Prophylaxe und Therapie venöser Thromboembolien, sei es durch die Notwendigkeit der parenteralen Gabe, durch die Gefahr einer HIT-Reaktion (Heparin-induzierte Thrombozytopenie) oder durch die geringe therapeutische Breite der Wirkstoffe sowie durch das erforderliche Gerinnungs-Monitoring.

 

Fortschritte bei der Antikoagulation verspricht nach Dr. Erwin Schweitzer, Chef-Apotheker am Theresienkrankenhaus in Mannheim, vor diesem Hintergrund der Wirkstoff Rivaroxaban. „Es handelt sich um einen oralen, direkten  Faktor-Xa-Inhibitor, der gegen­über den bisher verfügbaren Antikoagulanzien Vorteile besitzt“, erklärte Schweitzer bei einem Satellitensymposium von Bayer Vital in Lübeck. 

 

 

Wichtige Schritte auf dem Weg zum idealen Antikoagulans

 

Als Beispiel führte der Apotheker die hohe orale Bioverfügbarkeit in der Größenordnung von 80 bis 100 Prozent an. Bei der Halbwertszeit von 5 bis 9 Stunden, die sich bei Älteren auf 11 bis 13 Stunden verlängert, ist eine einmal tägliche Gabe ausreichend. Ein wirk­samer Plasmaspiegel wird zudem unabhängig vom Körpergewicht, Alter und Geschlecht erreicht, so dass die Behandlung in fixer Dosierung möglich ist.

 

Für Rivaroxaban, das damit laut Schweitzer die Prophylaxe und Therapie thromboembolischer Komplikationen auf dem Weg zu einem idealen Antikoagulans einen wichtigen Schritt voran bringt, sprechen nach seinen Worten ferner die große therapeutische Breite die vorhersagbare Pharmakodynamik und die Tatsache, dass ein Gerinnungs- und Thrombozytenmonitoring nicht erforderlich ist.

 

Der Wirkstoff wird etwa zu 2/3 in der Leber zu unwirksamen Metaboliten abgebaut. Ca. 1/3 der Wirksubstanz wird unverändert über die Nieren ausgeschieden. Die Ausscheidung der Metaboliten erfolgt zu ca. 50 Prozent biliär/fäkal und zu ca. 50 Prozent über die Nieren. Aufgrund der Halbwertzeit ist eine Akkumulation nicht zu befürchten. Rivaroxaban besitzt ein geringes Interaktionspotenzial mit häufig verwendeten Medikamenten und mit Nahrungsmitteln.

 

„Günstig ist auch der Wirkmechanismus über eine direkte Faktor-Xa-Inhibition, die sehr spezifisch erfolgt und die primäre Hämostase unbeeinflusst lässt“, sagte der Pharmazeut.

 

 

Effektive Prophylaxe bei orthopädischen Eingriffen

 

Dass die in den neuen Wirkstoff gesetzten Hoffnungen begründet sind, belegen nach Privatdozent Dr. Markus Quante aus Neustadt/Holstein die ersten Daten des RECORD-Studienprogramms (REgulation of Coagulation in major Orthopaedic surgery reducing the Risk of DVT and Pulmonary Embolism). Im Rahmen dieses Studienprogramms, das sich in vier Studien (RECORD 1 bis 4) unterteilt, wurde der Faktor-Xa-Inhibitor bei Patienten nach elektivem totalem Knie- und Hüftgelenksersatz geprüft, nachdem sich in den orthopädischen Phase II-Studien eine Rationale für eine Behandlung mit einer fixen Dosierung von einmal täglich 10 mg Rivaroxaban ergeben hatte.

 

So wurden in der RECORD 1-Studie 4.541 Patienten nach elektiver Implantation einer totalen Hüftendoprothese (TEP) 35+/-4 Tage lang mit 10 mg Rivaroxaban oder 40 mg Enoxaparin behandelt. Es zeigte sich laut Quante eine statistisch signifikante Über­legenheit des oralen Faktor-Xa-Inhibitors gegenüber Enoxaparin (p<0,001)  mit einer relativen Risikoreduktion (RRR) von 70 Prozent im primären Wirksamkeitsendpunkt (Rate tiefer Beinvenenthrombosen, nicht tödlicher Lungenembolien und Gesamtmortalität) und von 88 Prozent (p<0,001) im sekundären Wirksamkeitsendpunkt (proximale TVT, nicht tödliche LE und VTE-Mortalität).

„Die Gesamtrate der nicht schweren Blutungen wie auch die Rate schwerer Blutungen war in beiden Gruppen vergleichbar“, betonte der Orthopäde.

 

Die höhere Wirksamkeit der verlängerten Prophylaxe wird durch das Ergebnis der RECORD 2-Studie bestätigt. In der Studie sind 2.509 Patienten nach einer elektiven Hüft-TEP täglich mit 10 mg Rivaroxaban über 35 +/- 4 Tage oder mit 40 mg Enoxaparin über 12 +/- 2 Tage, gefolgt von Placebo, behandelt worden. In dieser Untersuchung ergab sich eine statistisch signifikante relative Risikoreduktion der verlängerten Prophylaxe im primären Wirksamkeitsendpunkt (s. RECORD 1) um 79 Prozent gegenüber einer kurzzeitigen Prophylaxe. Die RRR im sekundären Wirksamkeitsendpunkt betrug sogar 88 %. Es gab keine relevanten Unterschiede bezüglich schwerer und nicht schwerer Blutungen in beiden Gruppen.

 

Überzeugend sind nach Quante ebenso die Daten der RECORD 3-Studie bei 2.531 Patienten nach Implantation eines totalen Kniegelenkersatzes, die ebenfalls doppelblind randomisiert wurden und einmal täglich 10 mg Rivaroxaban oder 40 mg Enoxaparin erhielten. Der Faktor-Xa-Inhibitor erwies sich mit einer relativen Risikoreduktion um 49 Prozent (p<0,001) beim primären Wirksamkeitsendpunkt ebenfalls als überlegen. Bei den sekundären Wirksamkeitsendpunkten Reduktion schwerer und symptomatischer venöser Thromboembolien) wurde eine relative Risikoreduktion von 62 bzw. 66 Prozent erwirkt. Auch in dieser Studie waren die Raten von schweren und nicht schweren Blutungen in beiden Studienarmen vergleichbar.

 

Inwieweit die Behandlung mit Rivaroxaban nicht nur klinisch wirksamer ist, sondern durch die Applikation als Tabletten gegenüber der subkutanen Injektion auch ökonomische Vorteile hat, untersucht Quante derzeit mit Hilfe des  „Stoppuhr-Projektes“ im Rahmen einer Multicenterstudie.

 

 

Prüfung in umfassendem Studienprogramm

 

Neben der Thromboseprophylaxe nach der elektiven Implantation von totalen Endoprothesen ergeben sich weitere interessante Fragestellungen zur direkten Faktor-Xa-Inhibition, berichtete Dr. Hans-Peter Lipp, Leiter der Universitäts-Apotheke in Tübingen.

 

Die RECORD-Studien sind nach Lipp Teil eines umfassenden Studienprogramms zu Rivaroxaban, an dem rund 50.000 Patienten teilnehmen. Dazu gehören die MAGELLAN-Studie zur Thromboseprophylaxe bei etwa 8.000 Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen, die aufgrund ihrer Erkrankung in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, sowie die Studien EINSTEIN-TVT und EINSTEIN-LE zur Therapie der tiefen Beinvenen Thrombose und Lungenembolie mit etwa 7.500 Patienten und EINSTEIN-EXT, bei der die Sekundärprävention im Vordergrund steht.

 

In der ROCKET-AF-Studie wird Rivaroxaban außerdem bei rund 14.000 Patienten mit Vorhofflimmern im Hinblick auf eine Prävention des Schlaganfalls untersucht. In der ATLAS-Studie wird bei ungefähr 3.500 Patienten der Stellenwert des innovativen oralen direkten Faktor-Xa-Inhibitor bei der Sekundärprävention nach akutem Koronarsyndrom geprüft.

 

 

Über Rivaroxaban (Handelsname nach Zulassung Xarelto®)

 

Rivaroxaban ist von allen in der Entwicklung befindlichen direkten, oralen Faktor-Xa-Inhibitoren der bisher am besten untersuchte. Über 20.000 Patienten haben die Studien der Phase II abgeschlossen oder wurden in eine der Phase-III-Studien aufgenommen. Insgesamt werden rund 50.000 Patienten am klinischen Entwicklungsprogramm mit Rivaroxaban teilnehmen.

 

Rivaroxaban wird gemeinsam von Johnson & Johnson Pharmaceutical Research & Development, L.L.C. und der Bayer HealthCare AG entwickelt. Nach Erteilung der Zulassung wird Rivaroxaban in Europa von Bayer Schering Pharma vermarktet. Die Unternehmen planen, den Zulassungsantrag für Rivaroxaban in einer vergleichbaren Indikation in den USA 2008 einzureichen. Nach Erteilung dieser Zulassung werden Scios Inc. und Ortho-McNeil, Inc. – Mitglieder der Johnson & Johnson Unternehmens-gruppe – Rivaroxaban in den USA vermarkten.

 

Es ist geplant, Rivaroxaban nach der Zulassung durch die Gesundheitsbehörden unter dem Handelsnamen Xarelto® zu vertreiben.

 


Quelle: Bayer Vital Satellitensymposium „Innovation in der Antikoagulation durch orale, direkte Faktor-Xa-Hemmung mit Rivaroxaban am 31. Mai 2008, anlässlich des 33. wissenschaftlichen Kongresses des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. in Lübeck (tB).

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