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Pirfenidon: Ausmaß des Zusatznutzens bewertet

 

"Kein Zusatznutzen belegt"

Hinweis auf Vorteil, aber auch Beleg für Nachteile

 

Berlin (15. Dezember 2011) – Pirfenidon hemmt die Entwicklung von Entzündungen und Vernarbungen (Fibrosen) des Lungengewebes und ist seit Anfang 2011 zur Behandlung von leichter bis mittelschwerer idiopathischer Lungenfibrose (IPF) zugelassen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat bei der frühen Nutzenbewertung gemäß AMNOG das Ausmaß des Zusatznutzens von Pirfenidon überprüft.

 

Die Behandlung mit Pirfenidon wurde verglichen mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie, der sogenannten "best supportive care". Darunter wird die Therapie verstanden, die eine bestmögliche, patientenindividuell optimierte, unterstützende Behandlung zur Linderung von Symptomen und Verbesserung der Lebensqualität gewährleistet (z.B. weitere Medikamente oder die Gabe von Sauerstoff).

 

In Bezug auf die Belastbarkeit von Patientinnen und Patienten stellte das IQWiG einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen von Pirfenidon fest. Dem steht ein Beleg für einen größeren Schaden gegenüber: So waren sowohl Studienabbrüche als auch negative Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt häufiger als bei der Vergleichstherapie, wobei das Ausmaß dieses größeren Schadens jeweils als "gering" zu kategorisieren ist. Als "beträchtlich" erachtet das IQWiG das Ausmaß in Hinblick auf häufigere Schädigungen der Haut. Aus der Abwägung dieser Nutzen- und Schadensaspekte stuft das Institut das Ausmaß des Zusatznutzens von Pirfenidon als "kein Zusatznutzen belegt" ein.

 

 

Hersteller müssen auch für Orphan Drugs Dossier vorlegen

 

Pirfenidon (Handelsname Esbriet®) ist zur Behandlung von Erwachsenen mit leichter bis mittelschwerer idiopathischer Lungenfibrose (IPF), einem seltenen Leiden (Orphan Disease), zugelassen. Gemäß § 35a SGB V gilt für Arzneimittel gegen seltene Krankheiten, sogenannte Orphan Drugs, ein Zusatznutzen mit der Zulassung als belegt. Das bedeutet aber nicht, dass sie keiner Bewertung unterzogen werden. Vielmehr sind auch diese Arzneimittel prinzipiell dossierpflichtig. Das Dossier muss Angaben enthalten zu den Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht. Zudem muss der Hersteller das Ausmaß des Zusatznutzens beschreiben. Ziel der frühen Nutzenbewertung ist es hier, das Ausmaß des Zusatznutzens festzustellen.

 

Die Rechtsverordnung zur frühen Nutzenbewertung sieht für das Ausmaß eines Zusatznutzens 6 Kategorien vor: Wird ein Zusatznutzen festgestellt, kann dieser "erheblich", "beträchtlich" oder "gering" ausgeprägt sein, abhängig vom Verbesserungsgrad, den ein Arzneimittel mit sich bringt. Liegt ein Zusatznutzen vor, der sich aufgrund mangelnder Datenlage nicht ermessen lässt, gilt dieser als "nicht quantifizierbar". Der Nutzen des zu bewertenden Arzneimittels kann auch "geringer als der Nutzen der zweckmäßigen Vergleichstherapie" sein. Lässt sich auf Basis des Herstellerdossiers ein Zusatznutzen nicht feststellen, sieht die Verordnung die Kategorie "kein Zusatznutzen belegt" vor.

 

 

Studien liefern Daten zu patientenrelevanten Endpunkten

 

Für die Dossierbewertung lagen zwei relevante Studien mit 435 (PIPF-004 ) und 344 (PIPF-006) Patientinnen und Patienten vor. Dabei wurde ein Teil der Studienteilnehmer mit Pirfenidon in Kombination mit "best supportive care" behandelt und die Vergleichsgruppe mit "best supportive care" allein.

 

Beide Studien lieferten Daten für die patientenrelevanten Endpunkte Sterblichkeit (Mortalität) sowie Symptome und Beschwerden (Morbidität) gemessen an Atemnot (Dyspnoe), Notwendigkeit der Versorgung mit Sauerstoff und Belastbarkeit (6-Minuten-Gehstrecke). Das gilt auch für die Endpunkte gesundheitsbezogene Lebensqualität und Nebenwirkungen (unerwünschte Ereignisse).

 

 

Geringer Zusatznutzen und größerer Schaden bei nicht schwerwiegenden Endpunkten

 

Für die Endpunkte Mortalität, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Morbidität, gemessen an Dyspnoe und Sauerstoffversorgung, ließ sich kein Zusatznutzen belegen. Die Belastbarkeit der Patientinnen und Patienten als Aspekt der Morbidität wurde mithilfe der 6-Minuten-Gehstrecke untersucht: Der Anteil der Betroffenen, bei denen sich im Verlauf der Studie die innerhalb von 6 Minuten zurückgelegte Gehstrecke um mehr als 50 Meter verkürzte, war bei Behandlung mit Pirfenidon statistisch signifikant kleiner als bei Behandlung mit "best supportive care" alleine. Weil dieses Kriterium aber erst nachträglich festgelegt wurde (post hoc), stuft das IQWiG hier die Ergebnissicherheit von Beleg auf Hinweis herab.

 

Der Vergleich der unerwünschten Ereignisse insgesamt und der schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse ergab keinen Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Ein größerer Schaden im Zusammenhang mit der Pirfenidon-Behandlung ließ sich für diese Endpunkte also nicht feststellen.


Allerdings gibt es einen Beleg für einen größeren Schaden bei den nicht schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen: Der Anteil der Patientinnen und Patienten, die die Behandlung deshalb abbrachen, war bei der Behandlung mit Pirfenidon größer. Nicht schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, die den Magen-Darm-Trakt oder die Haut betrafen, wurden ebenfalls häufiger beobachtet.

 

 

Gesamtschau wägt Vorteile und Nachteile gegeneinander ab

 

Für die Gesamtaussage zum Ausmaß des Zusatznutzens steht ein Hinweis auf einen Zusatznutzen einem Beleg für einen größeren Schaden gegenüber. Die Abwägung betrifft ausschließlich "nicht schwerwiegende" Endpunkte. Das Ausmaß für den Zusatznutzen bezüglich der Belastbarkeit stuft das IQWiG als "gering" ein. Das Ausmaß des Schadens (unerwünschte Ereignisse) in Hinblick auf Studienabbrüche und den Magen-Darm-Trakt kategorisieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als "gering", in Bezug auf die Haut als "beträchtlich".

 

Da sich aus den vorgelegten Daten insgesamt kein Hinweis auf einen Zusatznutzen von Pirfenidon ergibt, wird das Ausmaß des Zusatznutzens von Pirfenidon – wie in der Rechtsverordnung vorgesehen – als "kein Zusatznutzen belegt" eingestuft.

 

Das Vorgehen zur Ableitung einer Gesamtaussage zum Ausmaß des Zusatznutzens stellt einen Vorschlag des IQWiG dar. Über das Ausmaß des Zusatznutzens beschließt der G-BA.

 

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung (PDF, 57 kB). Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.
http://www.gesundheitsinformation.de/index.800.de.html

 

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Pirfenidon zu finden.
http://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/17/

 


 

Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 15.12.2011 (tB).

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