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Hyaluronidase als Diffusionspromotor für die pharmakokinetische Optimierung der Bioverfügbarkeit intrakutan applizierter Arzneistoffe
Prof. Dr. med. Johannes Wohlrab
München (25. Juli 2012) – Hyaluronsäure ist ein langkettiges saures Polysaccharid, welches aus ß-1,3-glykosidisch verknüpften N-Acetylglukosamin- und D-Glukuronsäure-Grundeinheiten, die wiederum ß-1,4-glykosidisch miteinander verknüpft sind, besteht. Etwa die Hälfte der Hyaluronsäure des Menschen ist in der Haut zu finden. In der Embryonalentwicklung, bei Immunreaktionen, Entzündungen, Verletzungen oder bei der Tumorgenese kommt es zu einer Anreicherung der Hyaluronsäure und folgend zur Ausdehnung der Extrazellulären Matrix (EZM). Als regulierende Faktoren können Wachstumsfaktoren, Zytokine oder andere Mediatoren fungieren. Grundsätzlich werden drei verschiedene Varianten von Hyaluronsäure beschrieben: extrazelluläre (matrixbildend), intrazelluläre (Zellsignal vermittelnd) und nukleäre Hyaluronsäure (durch Chromatin-Kondensation erleichterte Mitose).
Als Proteoglykan ist die Hyaluronsäure an einer Vielzahl von physiologischen Regelprozesses des Hautorgans beteiligt. Sie beeinflusst die Gewebefestigkeit und die Verformbarkeit, ist am Stofftransport beteiligt und nimmt Einfluss auf die Proliferation und Differenzierung verschiedener Zelltypen. Für migrierende Zellen bildet die EZM eine Leitstruktur. Die Hyaluronsäure vermittelt ihre Wirkung über verschiedene membranständige Oberflächenglykoproteine, die als Rezeptoren dienen und als Hyaladherine bezeichnet werden. Insbesondere CD44 in verschiedenen gesplicten Varianten und RHAMM (receptor hyaluronic acid mediated motility) vermitteln neben einer Vielzahl weiterer Bindungsproteine die Haftung von Zellen an der EZM und sind hinsichtlich ihrer funktionellen Einbindung in die Metastasierung von Tumorzellen intensiv untersucht worden.
Der Regulation von Auf- und Abbau vorhandener Hyaluronsäure bzw. von deren Fragmenten kommt somit eine besondere Bedeutung zu. Die enzymatische Spaltung der langen Molekülketten ist Aufgabe verschiedener Hyaluronidasen. Grundsätzlich werden die Hyaluronidasen entsprechend ihrer biochemischen Spaltungseigenschaften in Hyaluronatglucanohydrolasen, b-1-3 Hyaluronatglucanohydrolasen und Hyaluronatlyasen unterteilt (Kreil 1995). Hyaluronatglucanohydrolasen von Vertebraten (Säugern, Schlangen, Echsen) oder Invertebraten (Insekten, Spinnentiere, Skorpione) spalten Hyaluronsäure durch Hydrolyse als Endohydrolasen an der b-1-4 glykosidischen Bindung zu gesättigten Oligosacchariden mit D-Glucuronsäure am nichtreduzierten und N-Acetyl-b-D-glucosamin am reduzierten Molekülende. b-1-3 Hyaluronatglucanohydrolasen, die z.B. von Egeln gebildet werden, spalten Hyaluronsäure als Endohydrolase an der D-Glucuronsäure in b-1-3 Stellung. Hyaluronatlyasen von Mikroorganismen spalten Hyaluronsäure hingegen durch b-Eliminierung an der b-1-4 glykosidischen Bindung am N-Acetyl-b-D-glukosamin zu Oligo- und Disacchariden mit ungesättigten Hexuronsäureresten am nichtreduzierten Molekülende.
Besonders hohe Hyaluronidaseaktivitäten wurden in tierischen Hoden schon vor längerer Zeit erkannt, so beschrieb Duran-Reynals bereits 1928 diese Aktivität in Hodenextrakten von Rindern und Schafen als „spreading factor“, später wurde dieser Faktor als Hyaluronsäure-abbauendes Enzym charakterisiert und analog seiner Aktivität als Hyaluronidase bezeichnet.
Die therapeutische Verwendung Hyaluronsäure-abbauender Enzyme zur Veränderung der Funktionsstruktur der extrazellulären Matrix ist ein Wirkprinzip, das tierischen Giften entlehnt ist. Durch, in diesen Tiergiften enthaltene Hyaluronidasen, wird die Gewebepenetration der eigentlich toxischen Substanzen beschleunigt und damit deren Effektivität erhöht.
Die medizinische Anwendung von Hyaluronidase am Hautorgan im Rahmen dermatochirurgischer Eingriffe geht bereits auf Arbeiten von Thorpe aus dem Jahr 1951 zurück, die den Effekt von Hyaluronidase als Adjuvans zu einem Lokalanästhetikum auf die analgesierte Fläche nachweisen konnten. Landsman verwendete bei plastischen Eingriffen im Kopfbereich Hyaluronidase in subkutan applizierten Cocktails in Kombination mit Lokalanästhetika und Epinephrin. Courtiss beschrieb später dann den synergistischen Effekt von Hyaluronidase, Lokalanästhetikum und Adrenalin nach subkutaner Applikation. Heute wird der Einsatz von Hyaluronidase im Rahmen chirurgischer Eingriffe bereits manigfaltig praktiziert. Für die klinische Anwendung steht eine Hyaluronatglucanohydrolase in Form von boviner testikulärer Hyaluronidase (PH-20) und neuerdings auch rekombinate humane Hyaluronidase (PH20) zur Verfügung. Insbesondere in der Ophthalmologie wird Hyaluronidase in Kombination mit verschiedenen Lokalanästhetika zur peribulbären Anästhesie verwendet. Dabei wurden auch Konzentrations-, Temperatur- und pH-abhängige Effekte untersucht sowie Natriumbicarbonat als Adjuvans erprobt. Darüber hinaus wird die Ko-Applikation von Hyaluronidase für die Infiltrationsanästhesie auch in der Zahnheilkunde, plastischen Chirurgie, bei proktologischen Operationen, bei der Nagelreduktionsplastik und traumatologischen Eingriffen beschrieben. Die adjuvante Applikation von Hyaluronidase ist zudem zur verbesserten Gewebegängigkeit von Antibiotika in Knorpelgeweben sowie in straffem Bindegewebe beschrieben. Durch den Effekt der Resorptionsbeschleunigung von Flüssigkeiten nach subkutanen oder intramuskulären Injektionen wird Hyaluronidase auch nach unerwünscht paravasal applizierten Chemotherapeutika therapeutisch eingesetzt, um im Gewebe eine schnellere Verteilung und Resorption des Gewebetoxins zu erreichen.
Hinsichtlich der Sicherheit der Anwendung von Hyaluronidase ergeben sich keine relevanten Bedenken. Berichte über Unverträglichkeitsreaktionen sind angesichts des häufigen Einsatzes, insbesondere in der Ophthalmologie, selten. Wird Hyaluronidase subkutan appliziert, kann keine Enzymaktivität im Plasma nachgewiesen werden. Im Blut scheint Hyaluronidase sehr rasch abgebaut zu werden, wobei der genaue Eliminationsprozess unklar ist. Möglicherweise hängt dies mit der Bildung neutralisierenden Antikörper zusammen.
Hyaluronidase bietet aus pharmakokinetischer Sicht ein großes Anwendungspotential als Diffusionspromotor für die Optimierung der Bioverfügbarkeit intrakutan ko-applizierter Arzneistoffe.
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Autor
Prof. Dr. med. Johannes Wohlrab
Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg
Quelle: Meet-the-expert der Firma Riemser Arzneimittel zum Thema "Hyaluronidase als Zusatz bei der Lokalanästhesie – Effektive Behandlungsstrategie für die dermatologische Praxis" am 25.07.2012 in München (tB).