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Supportivtherapie in der Onkologie
Wunschdenken und Wirklichkeit
Von Prof. Dr. Petra Feyer
Leipzig (6. November 2006) – Supportive Maßnahmen sind wesentliche Bestandteile der Behandlungskonzepte in der Tumortherapie. Krankheitsspezifische Tumortherapien sollten immer durch eine symptomorientierte Begleittherapie unterstützt oder ergänzt werden. Mögliche Nebenwirkungen der Therapieverfahren sollten prophylaktisch vermieden, gemildert oder behandelt werden. Ohne Supportivtherapie sind Chemotherapie, intensivierte Chemotherapie, Immuntherapie oder Antikörpertherapie sowie auch Strahlentherapie nicht möglich. Eine optimale Supportivtherapie ist vielmehr Voraussetzung für diese Behandlungsformen. Bei Chemotherapie treten als häufigste Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen sowie Alopezie, Müdigkeit und Erschöpfung auf. Hier sind adäquate supportive Maßnahmen unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Fortschritte und dem Einsatz neuer effektiver Substanzen unabdingbar. Ein wesentlicher Aspekt der Supportivtherapie ist das ganzheitliche Verständnis der Tumorpatienten. Das bedeutet, dass die Behandlung maligner Erkrankungen nur dann effizient ist, wenn supportive Maßnahmen adäquat prophylaktisch und therapeutisch eingesetzt werden. Supportive Maßnahmen gehören daher unverzichtbar zum onkologischen Behandlungskonzept.
Die Supportivtherapie dient in allen Fällen der Verbesserung der Lebensqualität des Patienten. Individuelle Bedürfnisse und Wünsche werden oft zu wenig kommuniziert. Kenntnisse über eine adäquate Supportivtherapie sind im Umgang mit onkologischen Patienten von großer Bedeutung. Neue, multimodale Therapieoptionen erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Apothekern und Patienten.
Im kurativen Ansatz ist eine adäquate Supportivtherapie für eine verbesserte Toleranz der Tumortherapie wichtig und bietet gleichzeitig die Option einer Dosiseskalation mit Erhöhung des kurativen Potenzials sowie Verbesserung der Lebensqualität. Im palliativen Ansatz sind adäquate supportive Maßnahmen für die Linderung krankheitsbedingter Symptome und Verbesserung der Lebensqualität bedeutsam. Supportive Maßnahmen begleiten den Patienten von der Diagnosestellung (Krankheitsverarbeitung, konditionierende Maßnahmen) über die aktive Behandlungsphase, in der es gilt, therapiebedingte Symptome zu verhindern oder minimieren, in die Rehabilitationsphase oder in die palliative Phase.
In einer großen Patientenumfrage (PASCQ 2004) wurden Stärken und Schwächen in der onkologischen Versorgung bei über 5.000 Patienten, die sich in ambulanter onkologischer Behandlung befanden, evaluiert. Als häufigstes Problem wurden der Umgang mit Nebenwirkungen (39 %), Nebenwirkungen und Symptome selbst (30 %) sowie Mitbestimmung und gemeinsame Entscheidungsfindung (30 %) angegeben. Bei weiterer Aufschlüsselung der Symptome wurde deutlich, dass über 60 % der Patienten Müdigkeit und Erschöpfung sowie 51 % Übelkeit als Problem im Krankheits- und Therapieverlauf wahrgenommen haben. Damit wird deutlich, dass trotz Verbesserung der antiemetischen Therapie mit Einführung der 5-HT3-Antagonisten Anfang 1990 vor allem die Übelkeit in der Belastungsskala der Patienten weit oben steht.
Um diese Situation zu verbessern, erarbeiten nationale und internationale Fachgesellschaften Leitlinien zu den verschiedensten Schwerpunktkomplexen. Für die Supportivtherapie sind es inzwischen Leitlinien zur Antiemese, zu hämatopoetischen Wachstumsfaktoren, Mukositis, Ernährung und Schmerztherapie etabliert. Leitlinien werden nach den Kritierien der Evidenz based medicine erstellt. Hier werden von einem Expertenpanell Daten aus kontrollierten, randomisierten Studien gewichtet und relevante Aussagen in Leitlinien umgesetzt.
Die Praxis einer evidenzbasierten Medizin bedeutet Integration individueller klinischer Erfahrung in die besten zur Verfügung stehenden Ergebnisse klinischer systematischer Forschung. Der klinischen Erfahrung kommt hier große Bedeutung zu und es ist unumstritten, dass eine leitlinienbasierte Therapie einen hohen klinischen Nutzen bringt. Eine Supportivbehandlung ist meistens eine sogenannte „Ad-on-Therapie“. Supportive, an Leitlinien orientierte Maßnahmen sind besonders wichtig zur Prophylaxe, Reduzierung und Therapie von Nebenwirkungen einer aggressiven Tumorbehandlung oder des Tumors selbst. Es gibt inzwischen ausreichend Daten, dass Patienten, die leitliniengerecht behandelt werden, auch bessere Überlebenschancen haben. Damit sollte auch in der Supportivtherapie leitliniengerecht behandelt werden. Hier besteht aber noch immer eine Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Eine weit verbreiterte Gegenargumentation ist die Tatsache, dass in den klinischen Studien, die die Basis für Guidelines darstellen, keine individuelle Patientenbehandlung erfolgt. Strenge Auswahlkriterien für eine Studienteilnahme führen unter Umständen zu einer positiven Patientenselektion. Damit enthält die evidenzbasierte Medizin auch Limitierungen. Das führt zu unterschiedlichen Interpretationen evidenzbasierter Literatur. Leitlinien stellen einen subjektiven Kompromiss von Experten dar, die die Ergebnisse der Literatur in einer Konsenskonferenz diskutieren.
Formuliert man also den Wunsch zur Umsetzung von Leitlinien in der Supportivtherapie, dann steht dahinter eine Verbesserung der Lebensqualität, Verbesserung der Überlebenschance und eine kostengünstigere Behandlung. Die Wirklichkeit ist derzeit eine noch unzureichende Umsetzung und die Zielsetzung sollte sein, eine Synthese von evidenzbasierter Therapie und individueller Entscheidungsfreiheit für eine optimale Supportivtherapie zu erreichen.