MEDIZIN
AWARDS
Forschergeist gefragt: 14. Novartis Oppenheim-Förderpreis für MS-Forschung ausgelobt
FernstudiumCheck Award: Deutschlands beliebteste Fernhochschule bleibt die SRH Fernhochschule
Vergabe der Wissenschaftspreise der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniestiftung
Den Patientenwillen auf der Intensivstation im Blick: Dr. Anna-Henrikje Seidlein…
Wissenschaft mit Auszeichnung: Herausragende Nachwuchsforscher auf der Jahrestagung der Deutschen…
VERANSTALTUNGEN
Virtuelle DGHO-Frühjahrstagungsreihe am 22.03. / 29.03. / 26.04.2023: Herausforderungen in…
Pneumologie-Kongress vom 29. März bis 1. April im Congress Center…
Die Hot Topics der Hirnforschung auf dem DGKN-Kongress für Klinische…
Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 startet am 14.3.
Virtueller Kongress „Highlights Digital“ der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und…
DOC-CHECK LOGIN
Multiresistente Tuberkulose – ist die Zeitbombe bereits gezündet?
Prof. Robert Loddenkemper
Hannover (17. März 2010) – Vor hundert Jahren, am 27. Mai 1910, ist Robert Koch, der Entdecker des Tuberkulose-Erregers, gestorben. An das Datum seines berühmten Tuberkulose-Vortrags am 24. März 1882 wird jährlich mit dem Welttuberkulosetag gedacht. Schon zu seinen Lebzeiten nahm die Tuberkulosesterblichkeit um etwa die Hälfte ab. Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden die ersten Tuberkulosemedikamente eingeführt, und Anfang der 1980-er Jahre glaubten viele, dass die Tuberkulose so gut wie besiegt sei. Heute müssen wir feststellen, dass die derzeitige Entwicklung der globalen TB-Situation auf eine Katastrophe hin zusteuern könnte.
Ursache hierfür ist vor allem die dramatische Zunahme der Resistenzen gegenüber den zur Verfügung stehenden TB-Medikamenten, dazu kommt die enge Verbindung zwischen AIDS und Tuberkulose in einigen Regionen der Welt.
Nach den jüngsten Zahlen der WHO sind 2008 9,4 (8,9-9,9) Millionen Menschen neu an einer TB erkrankt. Für das Jahr 2007 schätzt die WHO, dass bereits mehr als eine halbe Million davon eine multiresistente (MDR-)TB haben, definiert als Resistenz gegenüber mindestens den beiden wichtigsten Antibiotika, Isoniazid (INH) und Rifampicin (RMP). Zwischen 5 und 20 % dieser Fälle dürften sogar eine extensive Resistenz (XDR-TB) haben, d.h., auch schon gegenüber den wichtigsten Zweitrang-Medikamenten. Vereinzelt sind auch schon XXDR-Tuberkulosefälle verzeichnet worden, bei denen fast keine Medikamente mehr wirken.
Neben den erheblich schlechteren Behandlungsmöglichkeiten bei diesen Patienten, meist lässt sich eine Heilung nur in 40-60 % erreichen, bedeutet dies auch, dass die Gefahr der Ansteckung mit diesen resistenten Erregern erheblich zunimmt. Betroffen sind vor allem 27 Länder, davon allein 15 in der Europa-Region der WHO, die 85 % der Fälle mit MDR-TB ausmachen. Zahlenmäßig führend sind aufgrund ihrer großen Bevölkerung Indien mit 131.000 und China mit 112.000 Fällen, an dritter Stelle liegt die Russische Föderation mit 43.000. Bis November 2009 hatten 57 Länder mindestens einen Fall von XDR-TB beobachtet.
Allerdings ist Voraussetzung für das Auffinden von Resistenzen, dass diese im Labor auch diagnostiziert werden können, – und diese Möglichkeit fehlt in vielen einkommensschwachen Ländern. Die Laborkapazität und –qualität zu verbessern, ist daher eine der dringendsten Maßnahmen, um zukünftig die Resistenzsituation in den Griff zu bekommen. Denn nur, wenn man die Resistenzlage kennt, kann überhaupt erfolgreich behandelt werden.
Risikofaktoren für eine MDR-/XDR-Tuberkulose sind antituberkulotische Vorbehandlungen, Herkunft aus MDR-/XDR-TB-Hochprävalenzregionen oder Kontakt zu MDR-/XDR-Tuberkulosepatienten, Gefängnisaufenthalte und wahrscheinlich auch die HIV-Koinfektion. Fehlerhafte Medikamentenverordnung, Therapie-Adhärenzprobleme, Resorptionsstörungen oder mangelnde Medikamentenqualität können Resistenzen begünstigen, die meisten Faktoren wären also vermeidbar.
Die Behandlungskosten für eine MDR-TB sind 10-100 Mal höher als für eine nicht-resistente Tuberkulose. Die direkten Krankheitskosten für die Behandlung einer XDR-TB in Deutschland betragen bis zu EUR 170.000 pro Patient.
Dringend zu fordern sind eine einfachere und sicherere Diagnostik einschließlich einer raschen und verlässlichen Resistenzbestimmung, besser wirksame Medikamente mit kürzeren Behandlungszeiten und ein verbesserter Infektionsschutz. Große Hoffnung wird auf neue Impfverfahren gelegt, diese sind bislang aber nur im Stadium der Entwicklung.
Nur ein rasches und international konzertiertes Handeln kombiniert mit verstärkten Forschungsanstrengungen sowie der Unterstützung betroffener Länder wird vor einer Situation schützen, die selbst mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts nicht mehr bewältigt werden kann.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. vom 17.03.2010 (tB).