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Pulmonale Arterielle Hypertonie
Eine therapeutische Herausforderung
München (14. März 2008) – Die chronische pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) ist eine schwere, progredient verlaufende Erkrankung multifaktorieller Genese. Pathogenetisch kommt es zu einer Verengung der Lungenarterien im Sinne eines obliterativen vaskulären Remodellings. Der mittlere pulmonal-arterielle Druck steigt auf Werte von über 25 mmHg. Die Lungenperfusion und die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen werden stark eingeschränkt. Unspezifische Frühsymptome erschweren eine frühe Diagnostik. Das führende initiale Symptom ist eine schleichend zunehmende Belastungsdyspnoe. Daher wird eine PAH meist erst erkannt, wenn eine deutliche Funktionseinschränkung eingetreten ist. Mit den bisher verfügbaren Arzneimitteln konnte die stark erhöhte Mortalität nicht ausreichend reduziert werden. Fortschritte in Diagnostik und Screening sowie neue medikamentöse Optionen haben die Therapiechancen der betroffenen Patienten verbessert.
Die Entwicklung einer PAH wird durch verschiedene Pathomechanismen ausgelöst, die zu einem Remodelling der Lungengefäße führen: Vasokonstriktion, Proliferation der glatten Gefäßmuskelzellen in der Media und der Intima sowie Thromben in den kleinen Pulmonalgefäßen. Bei der progredienten Vasokonstriktion spielen Endothelin (ET) und der ETA-Rezeptorsubtyp eine zentrale Rolle. Die Folge dieser Veränderungen ist ein ständiger Druck- und Widerstandsanstieg in dem normalerweise unter niedrigen Druckverhältnissen (15 mmHg) arbeitenden Lungengefäßsystem. Das Kernkriterium für eine PAH ist eine Erhöhung des invasiv gemessenen mittleren Pulmonalarteriendrucks auf Werte von über 25 mmHg in Ruhe bzw. über 30 mmHg unter Belastung.
Rasche Progredienz
Der Druckanstieg in den Lungengefäßen verläuft lange Zeit unbemerkt. Die Frühsymptome der PAH sind Belastungsdyspnoe und schnelle Ermüdbarkeit. Später kommen Schwindel und Synkopen sowie Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz (gestaute Halsvenen und periphere Ödeme) hinzu. Die Patienten sind zunächst stabil, werden aber in fortgeschrittenen Stadien instabil. Das klinische Bild verschlechtert sich rasch. Während die präklinische Phase und die Phase II (symptomatisch/stabil) über mehrere Jahre verlaufen können, bleiben in Phase III (Progression/instabil) nur noch wenige Monate für eine therapeutische Intervention.
Die Rechtsherzfunktion wird infolge der erhöhten Nachlast zunehmend eingeschränkt. Im fortgeschrittenen Stadium der PAH kommt es zu einer massiven Blutdruckerhöhung im kleinen Kreislauf. Die Herzpumpfunktion ist deutlich limitiert, die Lebenserwartung reduziert. Unbehandelt kommt es in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle innerhalb von zwei bis drei Jahren zu einem tödlichen Rechtsherzversagen.
Endothelin-1: entscheidender pathogenetischer Faktor bei PAH
Das Endothelin-1 (ET-1)-System spielt eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der PAH. ET-1 ist nicht nur der stärkste bekannte Vasokonstriktor, sondern vermittelt auch andere physiologische und pathophysiologische Prozesse wie Zellproliferation, Fibrose und Entzündung. Das Peptid ET-1 ist maßgeblich an der Entwicklung der PAH und der Fibrosierung verschiedener Organe im Kontext mit der SSc beteiligt. Im Serum, in der Haut und in der bronchioalveolären Lavage von SSc-Patienten wurden erhöhte ET-1-Spiegel gefunden.1
ET-1 vermittelt seine Wirkungen durch die Bindung an ETA– und ETB-Rezeptoren. ETA-Rezeptoren finden sich auf den glatten Muskelzellen, während ETB-Rezeptoren hauptsächlich auf den Endothelzellen vorhanden sind. Die ETA-Rezeptoren vermitteln Vasokonstriktion, Hypertrophie der Intima und Fibrosierung der Media. Durch Stimulierung des ETB-Rezeptors werden die vasodilatatorisch wirkenden Stoffe freigesetzt und der ET-1-Abbau gefördert.
Häufigkeit von PAH unterschätzt
Die PAH kann entweder als eigenständige Erkrankung ohne konkret nachweisbare Ursachen (idiopathische bzw. primäre Form) auftreten oder als Folgeerscheinung anderer Grunderkrankungen wie Bindegewebserkrankungen (z. B. Sklerodermie oder Lupus erythematodes), angeborene Herzfehler, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), Lungenthrombosen oder HIV-Infektionen. Patienten mit Bindegewebserkrankungen haben ein besonders hohes Risiko, eine PAH zu entwickeln.
Im Allgemeinen gilt die PAH als seltene Erkrankung. Allerdings ist die Epidemiologie der PAH bei weitem noch nicht ausreichend erforscht. Neuere epidemiologische Studien zeigen eine deutlich höhere Prävalenz als bisher vermutet. Innerhalb der EU wird die Prävalenz derzeit auf 91.000 bis 130.000 Fälle geschätzt.2 Durch eine verbesserte Diagnostik und eine steigende Awareness für die Erkrankung ist allerdings in Zukunft mit einem Anstieg der neu erkannten Fälle zu rechnen. Außerdem werden heute auch Patientengruppen mit erhöhtem PAH-Risiko (Bindegewebserkrankungen, HIV usw.) systematischer gescreent.
Die 2-Jahres-Mortalität lag bis zu Beginn der 90er Jahre noch bei 50 Prozent. Derzeit liegt die jährliche Sterblichkeit mit 5 bis 10 Prozent weiterhin inakzeptabel hoch.
Diagnostische Fortschritte durch moderne Untersuchungsmethoden
Der Schweregrad der PAH wird in vier WHO/NYHA-Funktionsklassen eingeteilt. Zum Zeitpunkt der Diagnose befinden sich auch heute noch die meisten Patienten in den NYHA-Funktionsklassen III und IV. In diesen beiden Stadien ist die Erkrankung bereits deutlich fortgeschritten und die rechtsventrikuläre Funktion stark bzw. sehr stark beeinträchtigt.
Angesichts der Vieldeutigkeit und Häufigkeit des Leitsymptoms Atemnot ist die gezielte Auswahl von Diagnostikinstrumenten eine Herausforderung. Die zentrale Screeningmethode bei Verdacht auf eine PAH ist die transthorakale Echokardiographie.3, 4 Sie erlaubt eine Abschätzung des systolischen Pulmonalarteriendruckes, die Erfassung einer Trikuspidalklappen-Insuffizienz sowie den Ausschluss von Klappenvitien und linksventrikulären Funktionsstörungen. Darüber hinaus kann die Größe des rechten Vorhofs und Ventrikels gemessen werden. Der Goldstandard für die Bestätigung der Diagnose PAH ist die Rechtsherzkatheter-Untersuchung mit gleichzeitiger pharmakologischer Prüfung der Vasoreagibilität.3 Diese sollte – ebenso wie die Einleitung einer spezifischen Therapie – einem spezialisierten PAH-Zentrum vorbehalten bleiben. Vor jeglicher Intervention sollte zuerst die Basis-Hämodynamik erfasst werden. Danach erfolgt die pharmakologische Testung der Vasoreagibilität mit O2, NO und inhalativem Iloprost nach einem standardisierten Protokoll. Im Verdachtsfall sollte eine weitere Abklärung bzw. Ausschluss anderer Lungenerkrankungen mittels Lungenfunktionstest einschließlich Blutgasanalyse, Lungenröntgen, Spiral-CT-Untersuchung und EKG erfolgen.
Als geeignete Parameter für das Monitoring unter einer spezifischen PAH-Therapie haben sich neben der Lebensqualität auch prognostisch relevante Parameter zur Erfassung der körperlichen Belastbarkeit und Funktionsfähigkeit erwiesen. Ein etablierter Test für die körperliche Leistungsfähigkeit ist die 6-Minuten-Gehstrecke. Eine Gehstrecke von weniger als 150 m innerhalb von 6 Minuten weist auf schwerste funktionelle Beeinträchtigungen hin. Bei einer Gehstrecke von unter 380 m ist das Sterberisiko bereits um das 2,4fache erhöht. Hämodynamische Parameter eignen sich dagegen nicht optimal für ein Therapie-Monitoring, da sie nur gering mit dem Überleben korrelieren.
Neue Therapieoptionen verbessern die Prognose
Eine Heilung der PAH ist derzeit nicht möglich. Das wesentliche Ziel einer medikamentösen Behandlung ist die Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit und der Lebensqualität. Die 6-Minuten-Gehstrecke sollte unter einer spezifischen PAH-Therapie den Grenzwert von 380 m wieder überschreiten, der heute als prognostisch relevante Schwelle angesehen wird. Zudem sollte die Behandlung die Zeit bis zur klinischen Verschlechterung verlangsamen und die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhen.
Zu den konventionellen Therapiemethoden zählen eine orale Antikoagulation sowie Glykoside, Diuretika und Kalziumkanalblocker. Die hohe Mortalität konnte mit diesen Behandlungsoptionen allerdings nicht beeinflusst werden. Eine deutliche Verbesserung der Überlebensrate wurde erst durch den Einsatz von Vasodilatatoren erreicht. Prostaglandine vermindern den pulmonal-arteriellen Druck, steigern die kardiale Leistung und verbessern die Sauerstoffversorgung. Nachteile: Die für die Patienten belastende Therapie erfolgt entweder intravenös, subkutan oder mehrmals täglich inhalativ und ist mit zahlreichen Nebenwirkungen verbunden. Der Phosphodiesterase-5-Inhibitor Sildenafil wirkt über eine NO-vermittelte Vasodilatation günstig auf das Lungengefäßsystem.
Der erste Vertreter der Endothelin-Rezeptorantagonisten, Bosentan, wurde 2002 für die Therapie der PAH zugelassen. Dabei handelt es sich um einen nicht-selektiven Antagonisten, der sowohl die ETA– als auch die ETB-Rezeptoren blockiert. Mit Sitaxentan (THELIN®) steht nun erstmals ein selektiver ETA-Rezeptorantagonist zur Verfügung. In allen relevanten Therapieleitlinien sind die Endothelin-Rezeptorantagonisten Therapie der ersten Wahl bei Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie der WHO-Funktionsklasse III. Erste Studien weisen auf Vorteile durch eine Kombinationstherapie mit Medikamenten mit unterschiedlichem Wirkansatz hin. Ultima ratio ist die Herz-/Lungentransplantation.
Fazit
Die PAH ist eine schwere Erkrankung, die unbehandelt rasch zum Tod führt. Ihre Häufigkeit wird wahrscheinlich deutlich unterschätzt. Eine erhöhte Awareness für die Frühsymptome der Erkrankung – Atemnot und rasche Ermüdbarkeit – könnte zu einer verbesserten Frühdiagnose beitragen. Dies gilt insbesondere für Patienten mit Bindegewebserkrankungen und angeborenen Herzfehlern. Prognostisch relevant ist eine frühzeitige Überweisung an ein spezialisiertes PAH-Zentrum, in dem Pneumologen und Kardiologen die exakte Diagnostik vornehmen und die spezifische Therapie einleiten.
Quellen
1. Yamane K et al. J Rheumatol 1992; 19: 1566-1571
2. Humbert M et al. Am J Respir Crit Care Med 2006; 173: 1023-1030
3. Galie N et al. Eur Heart J 2004; 25: 2243-2278
4. McGoon M et al. Chest 2004; 126: 14-34