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Rheumatoide Arthritis

Vorbericht zu Biologika in der Zweitlinientherapie erschienen

 

Grundsätzlich positive Effekte bei den meisten Wirkstoffen

Allerdings fehlen Langzeitdaten und belastbare Direktvergleiche

 

Köln (27. Juni 2012) – Neun biotechnologisch hergestellte Arzneimittel für die Behandlung von Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis, bei denen eine medikamentöse Vorbehandlung versagt hat, werden zurzeit vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen eine grundsätzlich positive Tendenz: Für die meisten Wirkstoffe gibt es Belege, Hinweise oder zumindest Anhaltspunkte für einen Nutzen in Bezug auf mindestens ein Zielkriterium. Es fehlen aber Langzeitdaten und belastbare Direktvergleiche von Biologika untereinander, um zu beurteilen, welche der Wirkstoffe in der Zweitlinientherapie besser oder schlechter geeignet sind. Zu dem am 27. Juni 2012 veröffentlichten Vorbericht können interessierte Personen und Institutionen bis zum 25. Juli 2012 schriftliche Stellungnahmen abgeben.

 

 

Schmerzhafte Einschränkungen bei rheumatoider Arthritis

 

Die rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung und die häufigste Form der chronisch entzündlichen Gelenkerkrankungen (0,5-1% der EU-Bevölkerung). Die Patientinnen und Patienten leiden unter Schmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung, depressiven Verstimmungen, Funktionseinschränkungen und damit einhergehendem Verlust der Lebensqualität, der Selbstständigkeit und der Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben. Das vorrangige Ziel der Behandlung ist es daher, sie weitgehend von Krankheitssymptomen zu befreien und die Gelenkzerstörung zu verzögern oder zu verhindern (Remission).

 

 

Neun Biologika in der Zweitlinientherapie

 

Zur medikamentösen Behandlung werden u. a. erkrankungsmodifizierende Antirheumatika (Disease-Modifying Antirheumatic Drugs, DMARD) eingesetzt, die anders als Entzündungshemmer in den Erkrankungsmechanismus selbst eingreifen. Biotechnologisch hergestellte DMARD (bDMARD) werden aus lebenden Zellkulturen gewonnen.

 

Zum Zeitpunkt der Beauftragung des IQWiG im Jahr 2010 existierten bereits neun solcher Arzneimittel: Abatacept (Orencia®), Adalimumab (Humira®), Anakinra (Kineret®), Certolizumab pegol (Cimzia®), Etanercept (Enbrel®), Golimumab (Simponi®), Infliximab (Remicade®), Rituximab (MabThera®) und Tocilizumab (RoActemra®).

 

Die bDMARDs greifen über unterschiedliche Mechanismen an verschiedenen Stellen des Entzündungsprozesses an. Die meisten von ihnen hemmen den sogenannten Tumornekrosefaktor(TNF)-α, der das Entzündungsgeschehen beeinflusst. Gemäß den Behandlungsempfehlungen ist die Gabe eines bDMARDs als sogenannte Zweitlinientherapie angezeigt, wenn eine vorangegangene Therapie nicht den gewünschten Erfolg brachte oder gar nicht wirkte.

 

 

Zahlreiche Therapieanpassungen und Studienabbrüche

 

Insgesamt 28 Studien waren für die vorliegende Nutzenbewertung relevant. In allen Studien erhielten alle Patientinnen und Patienten das Zytostatikum Methotrexat (MTX), das zur Basismedikation bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gehört. Eine Patientengruppe erhielt zusätzlich ein Biologikum, die Kontrollgruppe meist ein Placebo.

 

Bei 22 Studien war es möglich, die Therapie anzupassen, wenn die Patientinnen und Patienten unzureichend auf die Behandlung ansprachen. Davon wurde sehr häufig Gebrauch gemacht und zwar in den Placebogruppen viel öfter als bei den Studienteilnehmern, die mit einem Biologikum behandelt wurden. Darüber hinaus brachen viele die Studien wegen fehlender Wirksamkeit ab. Auch Studienabbrüche kamen überwiegend bei Patientinnen und Patienten vor, die ein Placebo erhalten hatten. Deshalb ist es möglich, dass die Studienergebnisse verzerrt sind. Deren Einfluss überprüften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG (sofern möglich) mit entsprechenden Sensitivitätsanalysen. Demnach waren die Effekte in den Studien zugunsten der Biologika trotz der möglichen Verzerrungen häufig groß genug, um z. B. statt eines Hinweises auf einen Nutzen, einen Beleg für einen Nutzen abzuleiten.

 

 

Grundsätzlich positive Tendenzen

 

Bei fünf Wirkstoffen (Abatacept, Adalimumab, Certolizumab pegol, Golimumab und Tocilizumab) ließen sich Belege für einen Nutzen bezüglich der Zielkriterien Remission, Symptome (z. B. Schmerzen, Schwellungen der Gelenke, Morgensteifigkeit), körperlicher Funktionsstatus und/oder Lebensqualität ableiten. Bei den weiteren vier Biologika (Anakinra, Etanercept, Infliximab und Rituximab) gab es zwar keine Belege, aber Anhaltspunkte oder Hinweise auf einen Vorteil in Bezug auf mindestens eines der Zielkriterien.

 

Bei vier Wirkstoffen (Adalimumab, Certolizumab pegol, Infliximab und Tocilizumab) zeigten sich aber auch mindestens Anhaltspunkte für Schäden durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen (z. B. Infektionen oder Studienabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen). Für die übrigen fünf Biologika gab es auf Basis der vorliegenden Studien keine Belege, Hinweise oder Anhaltspunkte dafür, dass sie solche Schäden oder eben keine solchen Schäden mit sich bringen.

 

 

Kaum direkte Vergleiche und keine Langzeitstudien

 

Obwohl neun Biologika zugelassen und zum Teil seit über zehn Jahren auf dem Markt sind, standen nur für drei Wirkstoffe (Abatacept, Adalimumab und Tocilizumab) vier bis fünf randomisierte kontrollierte Studien (RCT) zur Verfügung, in denen die Arthritis-Patienten zulassungskonform behandelt wurden. Für die Nutzenbewertung aller übrigen Biologika standen jeweils höchstens zwei RCT mit zulassungskonformer Behandlung zur Verfügung. Darüber hinaus fehlten aussagekräftige Direktvergleiche sowie Langzeitdaten zum Nutzen und Schaden.

 

In fast allen Studien standen die Biologika ausschließlich zum Vergleich mit Placebo. Für belastbare Aussagen zum Vergleich der Biologika untereinander sind allerdings Direktvergleiche notwendig. Nur die beiden ältesten Wirkstoffe, Etanercept und Infliximab, wurden in einer (allerdings sehr kleinen) Studie direkt miteinander verglichen. Weil Direktvergleiche ansonsten fehlen, lässt sich bisher nicht feststellen, welche der neun Wirkstoffe in der Zweitlinientherapie von Erwachsenen bei der rheumatoiden Arthritis besser oder schlechter geeignet sind.

 

Die placebokontrollierten Studien decken überdies meist nur einen Zeitraum von maximal einem Jahr ab. Nebenwirkungen von Biologika können aber auch nach längeren Zeiträumen auftreten. Auch strukturelle Gelenkveränderungen, für die in keiner der relevanten Studien Angaben erhoben wurden, lassen sich erst nach längerer Zeit feststellen. Dafür sind Langzeitstudien notwendig.

Aufgrund der positiven Effekte der Biologika sind placebokontrollierte Langzeitstudien für die vom IQWiG untersuchte Fragestellung ethisch nicht vertretbar. Das unterstreicht die Notwendigkeit von langfristigen Direktvergleichen, insbesondere bei chronischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis.

 

 

Zum Ablauf der Berichtserstellung

 

Zu diesem Vorbericht können bis zum 25. Juli 2012 Stellungnahmen abgegeben werden. Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im September 2010 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im Mai 2011 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet.

 

Sofern die Stellungnahmen Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen. Danach wird der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht an den Auftraggeber G-BA weitergeleitet.

 

Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Vorberichts gibt folgende Kurzfassung (https://www.iqwig.de/download/A10-01_Kurzfassung_Vorbericht_Biologika_Zweitlinientherapie_bei_rheumatoider_Arthritis.pdf).

 


 

Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 27.06.2012 (tB).

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