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Influenza – Von der Epidemie zur Pandemie

Vernachlässigen wir die Gefahr vor der eigenen Haustür?

München (21. November 2007) – Oft wird die Influenza als nur eine von vielen Atemwegsinfektionen angesehen. Sie birgt jedoch eine doppelte Gefahr: Zum einen ist sie eine hoch ansteckende Viruserkrankung, die alljährlich in unseren Breitengraden zwischen Oktober bis April epidemisch auftritt und Tausende Erkrankte sowie extreme Belastungen für die Gesundheitssysteme mit sich bringt. Zum anderen ist die Gefahr eines raschen weltumspannenden Infektionsverlaufs, einer Pandemie mit ihren enormen volkswirtschaftlichen Schäden, aktuell wie nie zuvor. Die Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Robert Koch-Instituts (RKI) sind sich einig – die nächste Influenza-Pandemie kommt, es bleibt nur die Frage wann? Weltweite Influenza-Ausbrüche entstehen etwa alle 10 bis 40 Jahre. Voraussetzung ist ein neuer Virus-Typ, gegen den die Bevölkerung noch nicht immun ist. Das Vogelgrippe-Virus H5N1 erfüllt bereits zwei von drei Kriterien der WHO für ein so genanntes pandemisches Virus: Die genetische Veränderung und die starke krankheitsauslösende Wirkung. Lediglich die leichte Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch ist derzeit noch nicht gegeben. Nach Einteilung der WHO befinden wir uns in der dritten von sechs Pandemiephasen.

Gefahr für Menschen und Volkswirtschaften
Nach den Erfahrungen mit der „Spanischen Grippe“ von 1918/1919 gilt eine Erkrankungsrate von 30–50 Prozent als wahrscheinlich. Für Deutschland bedeutet dies: 13 bis 21 Millionen zusätzliche Arztbesuche, 360.000 bis 600.000 Krankenhauseinweisungen und 96.000 bis 160.000 Todesfälle (1).
– Ein Patientenaufkommen, das kein Gesundheitssystem der Welt meistern kann. Kinder werden in den Schulen fehlen und Erwachsene an ihrem Arbeitsplatz; entweder weil sie selbst erkrankt sind, Angehörige pflegen, oder weil sie aus Angst sich anzustecken zuhause bleiben. Produktionsstillstand und Engpässe in fast allen Wirtschaftszweigen sind die Folge. Doch nicht nur das Angebot an Produkten und Dienstleistungen wird sinken, auch die Nachfrage wird stark betroffen sein. Allein aufgrund psychologischer Aspekte wird sich der Konsum auf das Allernötigste beschränken. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) sieht besonders das Transportgeschäft mit einem Nachfrage-Rückgang um 67 Prozent sowie das Kultur- und Gastgewerbe mit Nachfrageausfällen um jeweils 80 Prozent als besonders betroffen (2). Insgesamt würden die Produktions- und Nachfrageausfälle zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Europäischen Union um über vier Prozent führen. Noch stärker betroffen wären Teile Asiens mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 26 Prozent, was sich wiederum negativ auf die Handelspartner der asiatischen Volkswirtschaften auswirkt (3).

Risiken für Unternehmen
Wie die renommierte Marsh/Albright-Gruppe in einer brandaktuellen Studie zur Risikobeurteilung einer Pandemie für Unternehmen feststellte (veröffentlicht am 27. September 2007, www.marsh.com), ist bei einer Pandemie davon auszugehen, dass mehrere Wochen über 35 Prozent der Mitarbeiter am Arbeitsplatz fehlen werden. Ganz besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die weltweite Vernetzung der Unternehmen, die im Ernstfall dazu führen würde, dass durch die Unterbrechung von Zu- und Auslieferungsketten das globale Wirtschaftsgefüge empfindlich in seinem Gleichgewicht gestört würde. Modellberechnungen zeigen, dass Kosten bis zu 4,4 Billionen US-Dollar auf die Weltwirtschaft zukommen könnten. Der Marsh-Report beschreibt aber auch, was Unternehmen weltweit jetzt schon tun können, um Risiken für Mitarbeiter und Geschäftsbeziehungen zu minimieren. Es werden zehn so genannte Best-Practices vorgestellt, die zeigen, wie Unternehmen ihre Pandemievorbereitung verbessern können. Schon jetzt ist die jährlich wiederkehrende Influenza-Epidemie mit zehn Prozent Anteil an den Fehlzeiten am Arbeitsplatz der wichtigste Abwesenheitsgrund. Die betrieblichen Kosten sind enorm, da jeder Ausfalltag mit bis zu 600 Euro pro Arbeitnehmer zu veranschlagen ist (4).

Schutz für Mitarbeiter und Unternehmen
Der Krisenfall lässt sich nicht verhindern, aber mit einer guten Vorbereitung lassen sich die Auswirkungen abfedern und die Reaktionszeiten verkürzen. Unternehmenseigene Notfallpläne helfen, die Produktion auch im Krisenfall aufrechtzuerhalten oder wenn nötig kontrolliert herunter zu fahren, um den Mitarbeitern den größtmöglichen Schutz zu gewähren. Hier kann der Einsatz antiviraler Medikamente zur Therapie und Prophylaxe durch die Reduzierung von Arbeitsunfähigkeiten erhebliche Einsparungen bringen. Laut RKI können bis zu 300.000 Krankenhauseinweisungen und 80.000 Todesfälle verhindert werden. Eine zusätzliche vorsorgliche Gabe eines Neuraminidasehemmers an priorisierte Berufsgruppen könnte neben der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit bis zu 17,3 Millionen Arztkonsultationen und 600.000 Krankenhauseinweisungen vermeiden.

Pandemieplan im Unternehmen nötig
Um einen schnellen und gesicherten Zugriff auf antivirale Medikamente zu haben, bereiten sich viele Unternehmen vor. Dabei genügt es nicht, die Medikamente für den Krisenfall vorrätig zu halten. Ein ausgearbeiteter Pandemieplan, der die Verteilung der Medikamente regelt und ein umfassendes Krisenmanagement beinhaltet, ist ebenfalls notwendig. Zunächst ist festzulegen, welche Prozesse im Unternehmen aufrechterhalten werden sollen/müssen, welches Mindestpersonal erforderlich ist und welche Schutzmaßnahmen dieses benötigt. Dazu sollten neben Hygieneregeln und persönlicher Schutzausrüstung (PSA) auch antivirale Medikamente gehören. Letztere können im Pandemiefall auch zur Prophylaxe eingesetzt werden. Den Betrieb während einer Pandemie zu schließen, ist gerade für viele größere Unternehmen keine Lösung. Denn sie haben nicht nur Verantwortung für ihre Mitarbeiter, sondern auch für die Gesellschaft. Hierzu sind insbesondere Unternehmen im Versorgungs- und Infrastrukturbereich zu zählen. Einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden Unternehmen haben, die durch rechtzeitige Vorsorge die Auswirkungen auf ihren Betrieb möglichst gering halten und nach der Pandemie schnell wieder in den Normalbetrieb einsteigen können.

Saisonale Influenza – übersehen oder ignoriert?
Die Gefahr einer Pandemie wird zunehmend vielen Menschen bewusst. Was jedoch oft verkannt wird, ist die jährlich wiederkehrende Influenza-Epidemie, die saisonale Influenza. Haben wir uns an die zahlreichen Erkrankten gewöhnt? Sind junge Erwachsene gar nicht oder nur mäßig betroffen? Erkennen wir die Influenza nicht oder bewerten wir sie als eine Infektion, die man „aussitzen“ muss, in der Überzeugung, dass die körpereigenen Abwehrkräfte die Viren mit der Zeit bekämpfen? Tatsächlich steht die saisonale Influenza laut Robert Koch-Institut an erster Stelle der gefährlichsten Infektionserkrankungen in Deutschland. Dabei können junge Erwachsene genauso betroffen sein wie Kinder und Ältere. Vor einer Infektion ist niemand sicher. Die gesundheitlichen Leiden sind erheblich und können unbehandelt u. U. zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Ursächliche Therapie zum Wohl von Patienten und Praxis
Nicht erst Schwersterkrankte und Risiko-Patienten profitieren von einer Therapie mit Neuraminidasehemmern: Neben einer deutlichen Verkürzung der Krankheitsdauer und Verhinderung von Komplikationen wird durch einen raschen Therapiebeginn mit einem Neuraminidasehemmer die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Antibiotikaverordnungen um mehr als die Hälfte reduziert, was dem Gesundheitssystem wiederum Kosten spart(5,6). „Auf diese Weise haben wir über 30 Prozent Antibiotika eingespart, die leider von den niedergelassenen Ärzten immer noch häufig und undifferenziert verordnet werden“, bestätigt Professor Georg Vogel, Facharzt für Innere Medizin aus München.

Ergebnisse des Pädiater-Schnelltest-Projekts
Kinder spielen für die Influenza eine wichtige epidemiologische Rolle. Die hohe Krankheitsprävalenz im Kindesalter lässt sie zu Index-Patienten in den Familien werden. „Es ist deshalb wichtig, Influenza-Erkrankungen bei Kindern frühzeitig zu diagnostizieren und insbesondere spezifisch zu behandeln, um eine weitere Krankheitsausbreitung zu vermeiden“, erklärt Professor Klaus Deichmann, Kinderarzt aus Herbolzheim. Bei Kindern sind die Symptome der Influenza oftmals nicht so charakteristisch ausgeprägt wie bei Erwachsenen. Es ergeben sich die Fragen, ob und wie sicher sich Kinderärzte in ihrer Diagnose sind und welche therapeutische Konsequenz nach gestellter Diagnose gezogen wird. Welcher Stellenwert kann einem für die Praxis entwickelten Schnelltest für die Diagnostik und Therapie der Influenza bei Kindern zukommen?

Diese Fragen wurden in einem Schnelltestprojekt der Roche Pharma AG von Januar bis April 2007 bei 794 Pädiatern untersucht. Die Gruppe, die ihre Diagnose mit einem Schnelltest absicherte, behandelte im Gegensatz zu der Kontrollgruppe, die lediglich eine klinische Diagnose stellte, ihre Patienten 2,5 mal häufiger antiviral und reduzierte den Antibiotikaeinsatz um den Faktor 3,5. Ähnliches wurde für die Postexpositionsprophylaxe, der vorbeugenden Therapie von Familienangehörigen nach Kontakt mit einer infizierten Person, bestätigt. Die Schnelltestgruppe verschrieb zwei mal häufiger einen Neuraminidasehemmer und drei mal weniger Antibiotika. Überraschend ist, dass die Kontrollgruppe nur aufgrund der klinischen Diagnose zwar häufiger eine Influenza diagnostiziert hat (70 %) als die Schnelltestgruppe (56 %), aber dennoch in wesentlich geringerem Ausmaß eine spezifische Therapie eingeleitet hat. Erfreulicherweise wird Influenza bei Kindern offensichtlich weder übersehen noch ignoriert, denn die Diagnose erfolgt durchaus treffsicher. Jedoch ist eine Unsicherheit im Umgang mit der Diagnose festzustellen, die dazu führt, dass eine zielgerichtete spezifische Therapie häufig unterbleibt. Aus der Pädiater- Schnelltest-Studie lässt sich unter anderem folgern, dass die Diagnosesicherung mit Hilfe eines Influenza-Schnelltests die Therapie zielgerichteter werden lässt.

In der Influenza Saison 2007/2008 wird eine weitere epidemiologische Erhebung unter niedergelassenen Allgemein-Medizinern durchgeführt, bei der auch die Patienten zu Wirksamkeit und Nutzen ihrer Therapie befragt werden. Die Influenza-Diagnose erfolgt bei Erwachsenen üblicherweise anhand der klassischen klinischen Symptome der Influenza: Plötzlicher Krankheitsbeginn verbunden mit sehr hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl. Da allerdings in der vergangenen Saison die Influenza häufig nicht mit den typischen Symptomen auftrat, sondern auch Erwachsene unspezifische Symptome zeigten, die eine Unterscheidung zu den gleichzeitig grassierenden RSV-Viren erschwerte, empfiehlt sich auch hier die Diagnoseabsicherung mit Hilfe eines Schnelltests. Die in 5.000 Praxen geplante Studie soll Antworten auf die Fragen liefern, welche Konsequenzen sich aus der jeweiligen Diagnose ergeben, und ob eine Behandlung mit antiviralen Substanzen tatsächlich eine rasche Wirkung entfaltet, so dass die Patienten weniger unter den Symptomen leiden und schneller wieder gesund sind.

Informationen zu Neuraminidasehemmern
Neuraminidasehemmer sind gegen alle klinisch bedeutsamen Grippeviren wirksam. Sie blockieren die Wirkung des Enzyms Neuraminidase auf der Oberfläche des Virus. Wird die Neuraminidase gehemmt, kann sich das Virus nicht weiter im Körper ausbreiten und Zellen infizieren. Dies ermöglicht eine kausale Therapie: Angriffsziel ist das Virus selbst. Schwere und Dauer der Grippe werden reduziert. Folgeinfektionen werden deutlich vermindert. Neuraminidasehemmer liegen in zwei Darreichungsformen vor: Zanamivir wird inhalativ verabreicht; Oseltamivir dagegen ist der einzige orale Neuraminidasehemmer, der für die Behandlung und Vorbeugung der Grippe bei Erwachsenen und Kindern im Alter ab 1 Jahr zugelassen ist.

Literaturhinweise

  1. Meltzer et al. The Economic Impact of Pandemic Influenza in the United States: Priorities for Intervention. Emerging Infectious Diseases 1999; 5(5):659-671
  2. Allianz Private Krankenversicherungs AG, Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung e. V. Pandemie. Risiko mit großer Wirkung. Juli 2006
  3. Mc Kibbin W. Global Macroeconomic Consequences of Pandemie Influenza. Lowy Institute for International Policy. February 2006
  4. Weller S. Weniger Ausfallzeit durch mehr Behandlungsqualität. In: Sichere Chemiearbeit. Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie. BG Chemie August 2004
  5. Nicholson KG et al. Efficacy and safety of oseltamivir in treatment of acute influenza: a randomised controlled trial. Lancet 2000; 355:1845–1850
  6. Kaiser et al. Impact of oseltamivir treatment on influenza related respiratory tract complications and hospitalisations. Arch Intern Med. 2003; 163:1667-1672


Quelle: Pressekonferenz der Roche Pharma zum Thema “Influenza – Von der Epidemie zur Pandemie – Vernachlässigen wir die Gefahr vor der eigenen Haustür?” am 21. November 2007 in München (tB).

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