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Telaprevir: Zusatznutzen für bestimmte Patienten mit Hepatitis C

 

  • Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens variiert

  • Ausmaß teilweise unklar

  • Auch Hinweise auf größeren Schaden

 

Berlin (16. Januar 2012) – Seit Herbst 2011 steht zur Behandlung der chronischen Hepatitis-C-Infektion vom Genotyp 1 auch der Wirkstoff Telaprevir (Handelsname Incivo®) zur Verfügung. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat nun bei einer frühen Nutzenbewertung gemäß AMNOG überprüft, ob Telaprevir gegenüber der bisherigen Standardtherapie einen Zusatznutzen bietet.

 

Verschiedene Patientengruppen mit einer chronischen Hepatitis-C-Infektion vom Genotyp 1 haben demnach Vorteile durch den neuen Wirkstoff Telaprevir: Es gibt Belege, Hinweise oder Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen. Dabei variiert allerdings nicht nur die Wahrscheinlichkeit, sondern auch das Ausmaß des Zusatznutzens.

 

 

Ergänzung zur bisherigen medikamentösen Standardtherapie

 

Hepatitis-C-Viren befallen die Leber und können dort eine Entzündung auslösen. Wird diese chronisch, kann sie zu einer Zirrhose führen, bei der die Leber zunehmend schlechter arbeitet. Zudem steigt das Risiko für Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom, HCC). Das Virostatikum Telaprevir hemmt die Vermehrung der Hepatitis-C-Viren. Experten gehen davon aus, dass Behandlungen, nach denen im Blut dauerhaft keine Viren mehr nachweisbar sind das Risiko für Folgeerkrankungen verringern.

 

Telaprevir wird ergänzend zu den bisher verfügbaren Wirkstoffen Peginterferon alfa (Immunstärkung) und Ribavirin (Virostatikum) verabreicht. Gemäß Zulassung werden dabei einzelne Patientengruppen unterschiedlich lang behandelt, was bei der Bewertung entsprechend berücksichtigt wurde. Die Zweierkombination von Peginterferon alfa und Ribavirin ist der bisherige Therapiestandard, mit dem Telaprevir in der Dreierkombination mit diesen beiden Wirkstoffen verglichen werden sollte.

 

 

Studien liefern im Wesentlichen nur Daten zu Morbidität und Nebenwirkungen

 

Insgesamt lagen 3 relevante Studien vor. Als Zielkriterien für die Bewertung dienten die Kriterien (Endpunkte) Sterblichkeit (Mortalität), Folgekomplikationen der Behandlung (Morbidität) – in den Studien gemessen durch den sogenannten Surrogatparameter "dauerhaftes virologisches Ansprechen (SVR)" – sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität und Nebenwirkungen.

 

Für therapienaive Patienten ohne Zirrhose war das Ergebnis für die Lebensqualität nicht statistisch signifikant, für andere Patientengruppen lagen keine verwertbaren Daten zu diesem Kriterium vor. Hinsichtlich der Sterblichkeit waren die Ereignisraten bei allen Patientengruppen aufgrund der dafür zu kurzen Studiendauer zu gering, um zu belastbaren Aussagen kommen zu können.

 

 

Surrogatendpunkt für Morbidität lässt Ausmaß eines Zusatznutzens offen

 

Das Ausmaß eines Zusatznutzens auf Basis des Surrogatendpunkts SVR lässt sich nicht einstufen: SVR ist per se kein patientenrelevanter Endpunkt. Studien, in denen SVR als Surrogatendpunkt nach den üblichen Kriterien des IQWiG abgesichert wurde, gibt es nicht. Dennoch akzeptiert das Institut in dieser Bewertung SVR als Ersatzkennzeichen für das verminderte Auftreten von Leberkrebs. Denn Patientinnen und Patienten, bei denen das Hepatitis-C-Virus nicht mehr nachweisbar ist, haben nach derzeitigem Stand des Wissens ein geringeres Risiko für Leberkrebs.

 

Es ist aber nicht geklärt, bei wie vielen Betroffenen Telaprevir tatsächlich Leberkrebs verhindern kann und so bleibt unklar, ob ein Zusatznutzen als gering, beträchtlich oder erheblich einzustufen ist. Gemäß Rechtsverordnung ist der Zusatznutzen damit "nicht quantifizierbar".

 

Unter Abwägung von Nutzen- und Schadensaspekten kommt das IQWiG in der Gesamtschau bei verschiedenen Patientengruppen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

 

 

Vorteile für therapienaive Patienten ohne Zirrhose mit hoher Viruslast

 

Bei Patienten, die bisher nicht behandelt wurden (therapienaiv) und keine Leberzirrhose haben, ergeben sich im Hinblick auf die Morbidität je nach Viruslast im Blut zu Beginn der Behandlung unterschiedliche Ergebnisse: Nur für Patienten mit hoher Viruslast stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Beleg für einen Zusatznutzen von Telaprevir fest. Das Ausmaß des Zusatznutzens ist allerdings nicht quantifizierbar, weil er sich auf den Surrogatendpunkt SVR bezieht.

 

Für therapienaive Patienten ohne Zirrhose ergibt sich auch ein Beleg für beziehungsweise Hinweis auf einen größeren Schaden durch die Nebenwirkungen Blutarmut (Anämie) und Hautausschläge (Rash)mit dem Ausmaß beträchtlich beziehungsweise gering. Dies führte in der Abwägung nicht zu einer Einschränkung bei der Gesamtaussage für die Patienten mit hoher Viruslast, weil diese Nebenwirkungen in den Studien fast ausschließlich als "nicht schwerwiegend" eingestuft worden waren.

 

Für therapienaive Patienten ohne Zirrhose mit niedriger Ausgangsviruslast liegt hingegen ein Hinweis auf einen geringeren Nutzen von Telaprevir gegenüber der Vergleichstherapie vor. Denn ein Zusatznutzen bezüglich SVR ist nicht belegt, so dass nur noch die Schadensaspekte zum Tragen kommen.

 

Für therapienaive Patienten mit Zirrhose ist ein Zusatznutzen von Telaprevir nicht belegt, weil das Herstellerdossier keine verwertbaren Daten lieferte.

 

 

Hinweis auf Vorteil auch für erfolglos vorbehandelte Patienten.

 

Bei Patientinnen und Patienten, die bisher ohne Erfolg behandelt wurden (Non-Responder), ergeben sich je nach Zirrhose-Status unterschiedliche Ergebnisse. Für Patienten ohne Zirrhose liegt hinsichtlich der Morbidität ein Hinweis auf einen Zusatznutzen von Telaprevir vor. Für Non-Responder mit Zirrhose gibt es nur einen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen. Hinweis und Anhaltspunkt beziehen sich wiederum auf den Surrogatparameter SVR. Deshalb ist das Ausmaß des Zusatznutzens nicht quantifizierbar.

 

Wie bei den therapienaiven Patienten ohne Zirrhose führten Hinweise auf größeren Schaden durch die Nebenwirkungen Anämie und Hautausschlag nicht zu einer Einschränkung in der Gesamtaussage.

 

 

Kein Zusatznutzen für Rückfallpatienten

 

Bei den Patienten, die nach der Standardbehandlung einen Rückfall erlitten und keine Zirrhose hatten, wich das Therapieschema von der Zulassung ab. Anhand der vorliegenden Daten kann deshalb keine Bewertung des Zusatznutzens erfolgen, so dass ein Zusatznutzen nicht belegt ist.

 

Für Rückfallpatienten mit Zirrhose ergab sich zwar wiederum ein Hinweis auf einen Zusatznutzen bezüglich SVR, gleichzeitig aber auch ein Hinweis auf einen größeren Schaden (Ausmaß: beträchtlich) bezüglich schwerwiegender unerwünschter Ereignisse. In der Abwägung kam das IQWiG für diese Patientengruppe zu dem Schluss, dass in der Gesamtschau ein Zusatznutzen nicht belegt ist.

 

 

G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

 

Das Vorgehen zur Ableitung einer Gesamtaussage zum Ausmaß des Zusatznutzens stellt einen Vorschlag des IQWiG dar. Über das Ausmaß des Zusatznutzens beschließt der G-BA, der ein förmliches Stellungnahmeverfahren eröffnet hat.

 

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung (https://www.iqwig.de/download/A11-25_Telaprevir_Kurzfassung_Nutzenbewertung_35a_SGB_V.pdf). Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie in Kürze zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

 

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Telaprevir (http://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/21/)  zu finden.

 


 

Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 16.01.2012 (tB).

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